In einem kleinen französischen Dorf taucht eines Tages Eliane, eine junge Frau, auf. Gemeinsam mit ihrer Mutter, einer Deutschen, und ihrem gelähmten Vater, den man kaum zu Gesicht bekommt, versucht sie, in der Dorfgemeinschaft Fuß zu fassen. Dabei ist sie allerdings alles andere als diplomatisch und zurückhaltend. Ihre erotische Ausstrahlung betont sie eher noch. Zwar zur Freude der meisten Männer, doch nicht bei jedem im Dorf weckt das Sympathien.
Florimond, genannt "Pin-Pon", ein Automechaniker und bei der Freiwilligen Feuerwehr engagiert, ist sofort von Eliane fasziniert. Sie wirkt sehr selbstbewusst, fast arrogant, doch sie hat auch eine ganz andere, verletzliche Seite. Nach einem holprigen Beginn kommen sich die beiden tatsächlich näher.
Doch als Eliane bei einem Treffen in der Scheune ein altes Klavier entdeckt, ist sie wie verwandelt. Sie stellt weitere Nachforschungen nach der Herkunft des Instruments an – fast scheint es, sie sei in einer regelrechten Mission unterwegs und verfolge bedingungslos ein Ziel.
Schließlich kommt sie auf eine konkrete Spur, die mit einem lang zurückliegenden, tragischen Ereignis, einem Verbrechen, zu tun hat.
Die auf den ersten Blick naiv wirkende Eliane entpuppt sich als entschlossene Rächerin. Doch ihre Aktionen haben für sie, Pin-Pon und einige anderen fatale Konsequenzen …
Der Film sieht aus, als wäre da ein Regisseur etwas zu heiß auf seine Hauptdarstellerin gewesen, die er in den seltsamsten Situationen nackt vor der Kamera auftreten lässt, und hätte darüber die Geschichte vergessen, die er erzählen will: Isabelle Adjani sticht als Eliane aus der Dorfgesellschaft heraus, wie eine dornige Rose in vertrocknetem Gehölz.
Jean Becker inszeniert sie als erotischen Fremdkörper in der Dorfgemeinschaft, deren Zusammensetzung an französische Sommerkomödien erinnert – die pubertären, notgeilen Jungs, die keifenden Mütter, die filterlose Zigaretten rauchenden Männer und alle sind irgendwie eine große Familie. Nur Eliane nicht. Pin-Pon beschreibt ihr Aussehen wie das einer „Puppe, die man in irgendeiner Ecke vergessen hat, mit der schon lange keiner mehr spielt.“ Visuell wirkt sie, als sei sie mit fantastischer Bildtechnik nachträglich in das Filmgeschehen montiert worden. Isabelle Adjani spielt diese Neue im Dorf exaltiert, arrogant, gelangweilt und jede Norm sprengend. Natürlichkeit ist anders. Man fragt sich, was der freundliche Pin-Pon ernsthaft von ihr will, außer, dass sie mit jeder Faser, mit jeden Hüftschwung, mit jedem Augenaufschlag sagt: Nimm mich! Jetzt gleich! Weil er aber nicht zugreift, tut das dann sie, wickelt ihn um den kleinen Finger und wechselt fortan zwischen heißblütiger Geliebten und hysterisch heulender Gefährtin.
Was beginnt, wie eine der französischen Komödien, in denen junge, präpotente Menschen in einem heißen, staubigen Sommer unter der prallen Sonne Südfrankreichs aufeinandertreffen, gleitet unter der Regie Jean Beckers sukzessive in einen Thriller mit geheimnisvoller Vergangenheit, in der vor vielen Jahren in dunkler Nacht in tief verschneiter Landschaft ein Unrecht geschah, das mit Eliane in das unschuldige Dorf transportiert wird.
Becker wühlt tief in der Kiste mit den küchenpsychologischen Stereotypen. Manches, was er uns da als folgerichtige Handlungsweise unterjubelt, bleibt auch im strahlenden Sonnenlicht fadenscheinig. Anderes aber wirkt plausibel und schließlich sitzen wir Zuschauer im Kino und dort lassen wir uns gerne mal ablenken und ein X für ein U vormachen. Dafür steht Isabelle Adjani vor der Kamera, die ein Faible hat für rätselhafte Frauenfiguren (Das Auge – 1983; Nosferatu: Phantom der Nacht – 1979; Driver – 1978; Der Mieter – 1976; Die Geschichte der Adele H. – 1975; "Die Ohrfeige" – 1974).
Scheinbar naiv sinnt sie auf komplexe Rache. Erzählerisch ist der Melokrimi ein einziges Chaos. Aber L’Adjani ist unwiderstehlich.
Die 28-Jährige spielt Eliane als verwirrten Backfisch, dem eine Ohrfeige mal gut täte, und der sich nonchalant vor jeder Arbeit drückt. Sie nimmt sich viel Zeit für die Pflege ihrer aufgeklebten Fingernägel, unter denen sie ihre abgekauten verbirgt, läuft in Spitzenunterwäsche oder gleich ganz nackt über den Hof und zieht dabei einen Schmollmund, der sie wie ein kleines Mädchen wirken lässt, das diese Eliane in Wirklichkeit tatsächlich noch ist. Gleichzeitig treiben sie starke Gefühle – Hass, Rache, eine verlorene Kindheit. Wir nehmen Adjani all diese Gefühlswallungen ab, eben weil sie von vornherein als bunter, irrealer Schmetterling in der Dorfgemeinschaft auftritt.
Je länger der Film dauert – am Ende sind es nur ein klein wenig zu lange zwei Stunden und zehn Minuten – desto düsterer wird die Geschichte, die sich auf jenem winterlichen Drama von einst aufbaut, das im letzten Drittel schon wieder in sich zusammensackt, weil nämlich in Jean Beckers Film nichts einfach zu entschlüsseln ist, weder die vorgeblich nach Sex gierende junge Frau, noch das Drama, das wir coolen Zuschauer im Kinosessel schnell durchschaut zu haben glauben.
Es ist dann wieder Isabelle Adjani, die uns irritiert aus dem Kinosaal entlässt. Je länger das Drama dauert, sich die Fäden entwirren, desto weniger absurd wirkt plötzlich die exaltierte Eliane auf uns. Jetzt verstehen wir sie, empfinden Mitleid, sorgen uns um dieses zerbrechliche Wesen. In ihrer letzten Einstellung, ohne ihre bunten Kleider, ohne ihren übertrieben inszenierten Schmollmund, hat Eliane dann jeden Glanz verloren und wirkt so durchschnittlich, wie die anderen Figuren in diesem Film. Jean Becker war nicht etwas zu heiß auf seine Hauptdarstellerin. Er nutzt sie und ihre Qualitäten, um sein Thrillerpanorama zu entfalten. Das ist es, was aus "L'été meurtrier" ein großes Kinodrama, einen unvergesslichen Sommerfilm macht.
