M. Tullius Tiro ist 24 Jahre alt, als er, ein auf Ciceros Familiensitz nahe Arpium geborener Haussklave, in die persönlichen Dienste des späteren Redners und Staatsmannes tritt. Da ist Cicero noch ein junger, ehrgeiziger römischer Rechtsanwalt, der an nervösen Erschöpfungszuständen leidet und keineswegs jene imposante Stimme besitzt, die ihn später auszeichnen wird, sondern im Gegenteil eher zum Stottern neigt. Cicero hat nur ein Ziel: Er will ganz nach oben, will „Imperium”, was im römischen Sprachgebrauch die „Macht” ist. Der Fall eines Kunstsammlers, der vor der Willkür eines skrupellosen und gierigen Gouverneurs fliehen muss, kommt Cicero da gerade recht.
Der Gouverneur hat einflussreiche und gefährliche Freunde im Senat, und sollte der Anwalt den Fall gewinnen, würde er die gesamte alte Machtclique zerschlagen. An die Niederlage wagt er nicht zu denken, sie könnte ihn das Leben kosten. Eine einzige Rede kann über sein Schicksal und die Zukunft einer Weltmacht entscheiden, aber immerhin: Seine gefährlichste Waffe ist das Wort …
Eine Weltmacht am Scheideweg, einer gegen alle. Den Roman und seine Fortsetzung (Titan) habe ich mir Weihnachten 2009 gewünscht. Irgendwo hatte ich gelesen, dass die historischen Romane von Robert Harris keine langweiligen Geschichtsstunden sind, sondern spannende Thriller mit deutlichen Verweisen auf aktuelle Geschehnisse.
Diese aktuellen Bezüge sind zahlreich: Sei es der Stimmenkauf, seien es dauernd wechselnde Bündnisse, sei es vor allem Ciceros Kampf auf dem Weg zum Konsul, der ihn schwanken lässt zwischen der Zustimmung der breiten Masse des Volkes und seinen hehren Ansprüchen, deren Umsetzung möglicherweise wegweisend wäre, dem Volk aber schwer vermittelt werden können, weil es anspruchsvolle Politik eben nicht umsonst gibt; Harris spitzt das zu auf Pöbel oder Aristrokratie.
Schön gleich zu Beginn: Da sagt ein Rhetorik-Lehrer seinem jungen Schüler Cicero auf die Frage, ob nicht „in erster Linie die Kraft meiner Argumente zum Zuhören zwingen” sollen: „Inhalt geht mich nichts an. Denk an Demosthenes: `Bei der Redekunst zählen nur drei Dinge. Der Vortrag, der Vortrag und noch mal der Vortrag.´” Hauptsache, die Werbung ist ordentlich suggestiv, heißt das übersetzt, dann verkauft sich auch Tiefkühlpizza als Bioprodukt für die schlanke Linie. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht Ciceros langjährigem Sklaven Tiro M. Tullius und nach Angaben des Autors unter Berücksichtigung zahlreicher historischer Quellen.
„Imperium” mit einem Roman von John Grisham gleichzusetzen, wie es die Süddeutsche Zeitung getan hat, halte ich für wenig zielführend. Harris schreibt nicht so cliffhanger-thrillig; der erzählende Sklave befleißigt sich einer Cicero bewundernden, manchmal enervierend unterwürfigen Sprache. Insgesamt eine leichte, gut zu lesende, unterhaltsame Geschichtsstunde.
Ich habe vom 26. Januar bis 2. Februar 2010 gelesen.
Die Cicero-Romane von Robert Harris
- Imperium (2006)
- Titan (2009)
Über den Autor:
Robert Harris (* 7. März 1957 in Nottingham) studierte an der Universität Cambridge Geschichte. Danach arbeitete er als BBC-Reporter, politischer Redakteur bei der Zeitung The Observer und als Kolumnist beim „Daily Telegraph”. Zur Zeit ist er als ständiger Kolumnist der Sunday Times tätig. Sein erster Roman „Fatherland” (dt. „Vaterland”) wurde 1992 veröffentlicht. „Vaterland” spielt 1964 im Berlin eines Nazideutschlands, das, der Fiktion des Autors nach, den Zweiten Weltkrieg nicht verloren hat. Vom Schweizer Haffmans Verlag bereits 1992 in deutscher Übersetzung herausgebracht, fand sich in Deutschland selbst, aufgrund der als problematisch wahrgenommenen Thematik, zunächst kein Verlag für das Buch. Erst 1996 wurde der Roman vom Heyne-Verlag in München veröffentlicht.
„Vaterland” war der erste Bestseller von Robert Harris, übersetzt in 30 Sprachen und mit einer Auflage von mehr als sechs Millionen Stück. Auch in seinen anderen Romanen nahm Harris historische Ereignisse als Grundlage für die Handlung und vermischte Fiktion und Wirklichkeit. So geht es in „Imperium” und Titan etwa um die Lebensgeschichte Ciceros. Harris ist dabei um möglichst große Faktentreue bemüht. „Ghost”, in dem es um den Ghostwriter eines Politikers geht, wurde als Abrechnung mit dem früheren britischen Premierminister Tony Blair gewertet, mit dem Harris lange Zeit befreundet war. „Ghost” wurde von Roman Polanski mit Ewan McGregor und Pierce Brosnan in den Hauptrollen verfilmt.
Sein Schwager ist der Schriftsteller Nick Hornby. Harris ist verheiratet und hat vier Kinder. Zurzeit lebt er mit seiner Frau Gill Hornby und zwei Kindern in Berkshire.
(Quelle: Wikipedia)