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Plakatmotiv (US): Susi und Strolch (2019)

Ein Film wie eine Insulinspritze

Titel Susi und Strolch
(Lady and the Tramp)
Drehbuch Andrew Bujalski + Kari Granlund
Regie Charlie Bean, USA 2019
Stimmen

Tessa Thompson, Lea Kalbten, Justin Theroux, Patrick Schröder, Sam Elliott, Reiner Schöne, Ashley Jensen, Inez Günther, Janelle Monáe, Sabrina Weckern, Benedict Wong, Daniel Zillmann, Clancy Brown, Ekkehard Belle, Nate 'Rocket' Wonder, Pat Lawson, F. Murray Abraham, Hans Reiner Müller, Roman GianArthur Irvin, Tommy Amper, James Bentley, Axel Malzacher, Jentel Hawkins, René Oltmanns, Ara Storm O'Keefe, Aemon Wolf O'Keefe, Thomas Mann, Tim Schwarzmaler, Kiersey Clemons, Magdalena Turba u.a.

(aufgeführt sind die sprecher der Original- und der deutschen Versionen)

Genre Drama, Romantik
Filmlänge 103 Minuten
Deutschlandstart
24. März 2020 (Netflix)
Inhalt

Cocker-Spaniel-Dame Susi kam zu Weihnachten. Tony schenkte die Kleine seinem geliebten Darling; sie nannten sie Susi. Sie war schnell der Mittelpunkt in dem kleinen Haushalt im Viertel der Gutbetuchten.Susi versteht sich auch gut mit ihren Nachbarhunden Jock, einem Scottish Terrier, und Pluto, einem Bloodhound.

Aber dann, von jetzt auf sofort, änderte sich die Tonlage in der kleinen Familie. Susi verstand das nicht und als Jock und Pluto ihr erklärten, dass Tony und Darling Nachwuchs erwarteten, verstand Susi erst nur Bahnhof. Und als dann Tony und Darling auch noch die Koffer packten und statt dessen Tante Klara das Regiment im Haus übernahm, wurde das gut behütete Leben zur Hölle. Susi dachte an Strolch; der hatte eines Tages im Vorgarten gestanden, ein stattlicher Mischlingsrüde, und sie gewarnt, dass sich alles ändern würde, sobald ihre Besitzer ein Baby bekommen.

Klaras Siamkatzen Si und Am zerstören die Wohnung und lassen es so aussehen, als sei Susi die Täterin, weshalb man ihr daraufhin einen Maulkorb anlegt. Sie flieht – und trifft Strolch wieder. Der sieht den Maulkorb und weiß gleich Rat. Er hilft ihr, den Maulkorb abzubeißen.

Susi verliebt sich in Strolch, wird jedoch schnell von ihm getrennt: Der Hundefänger schnappt sie. Im Hundeasyl erfährt sie von Strolchs ausschweifendem Liebesleben. Das verunsichert sie. Doch nicht nur ihre Beziehung ist in Gefahr, auch das Baby von Susis Besitzern, als eine Ratte in das Kinderzimmer schleicht …

Was zu sagen wäre

Es ist das Drama geblieben um die große Frage, wie die Freiheit größer ist: hinterm Gartenzaun in der Sicherheit der regelmäßigen Versorgung, dem warmen Dach überm Kopf und der dafür bisweilen in Kauf zu nehmenden Leine. Oder die Welt außerhalb des Gartenzauns, wo die größte Gefahr der Hundefänger, die tatsächliche Freiheit aber grenzenlos ist. 65 Jahre ist das jetzt her, das Walt Disney diese große Romanze um die Cockerspanieldame Lady und den Schnauzer Tramp schrieb und zeichnen ließ. einen seiner schönsten Liebesfilme mit der ikonischen Spaghettiplatte bei Kerzenschein.

Zum Start ihres Streamingdienstes in Deutschland haben die Disney Studios auch diesen Klassiker überarbeitet und bieten ihn jetzt als Realfilm – mit echten Menschen und echten am Computer gepimpten Hunden. Das romantische Abenteuer ist dasselbe geblieben und macht deutlich, wie sehr sich die Erzählform Film weiter entwickelt hat. Die Geschichte um die Standesunterschiede überwindende Liebe, die begrenzte oder grenzenlose Freiheit, damals ein spannender Hingucker im Kino für alle Altersschichten, ist nicht gut gealtert, heute nur noch ein Zuckerl für die Jüngeren.

Nachdem uns Disney seine Löwen in der Savanne, Baghira im Dschungel und den Flaschengeist in 1001 Nacht als Realfilm geliefert hat, haben der CGI-gepimpte Straßenköter und seine Lady keinen Wow-Effekt mehr und also gucken wir ihnen zu, ohne beteiligt, ohne angefasst zu sein. Das Städtchen ist sauber und rein, strahlend weiß die Fassaden der schmucken Häuser, durch deren Straßen ab und an ein lustiger alter Oldtimer knattert und malerische Raddampfer mit Jazzkapellen den Fluss befahren – es scheint die Zeit um 1910 zu sein, in einer Parallelwelt, in der es keinen Rassenhass gibt und alle friedlich miteinander leben und lieben. Der italienische Restaurantbesitzer freut sich, dass der Straßenköter ihn mit seiner Flamme beehrt und serviert fröhlich singend Spaghetti mit Fleischbällchen und eine Karaffe Wasser. Jim und Darling, Ladys Herrchen und Frauchen, damals ein streng konservativ christliches Paar mit wuchtiger Tante in gestärkter Wäsche und blondem Dutt, sind jetzt ein vorbildlich designtes Paar – sie schwarz, er weiß – da ist auch die Standesunterschiede überwindende Liebe der beiden Haupthunde keine extra Erwähnung mehr wert.

Eine der gruseligsten Szenen hatten im Original von 1955 die beiden Siamkatzen der alten Tante, die Haus und Hund hüten soll, während Herrchen und Frauchen Verwandtenbesuch mit dem frisch geborenen Baby machen – Ausgangspunkt des Streunerdramas. Die beiden 1955er-Katzen, aus heutiger Sicht eine erfrischend politische Incorrectness, machten zu chinesischen Klängen mit chinesisch lispelnden Liedzeilen das Wohnzimmer zu Kleinholz, um es Lady in die Schuhe zu schieben. Das machen die beiden Katzen heute auch wieder, aber nicht mehr so asiatisch (wohin Disney sein Streamingangebot ja auch irgendwann verkaufen möchte) sondern zu einer peppigen Jazznummer – ganz hübsch, aber überhaupt nicht gruselig. Die größte Bedrohung in dieser Welt – und auch die einzige Bedrohung – ist der übergewichtige Hundefänger.

Wenn ich bedenke, dass auf dem Nachbarstream zur linken gerade Zombies Kinder verspeisen und auf dem zur rechten womöglich ein Killerkommando eine Vorstadtsiedlung überfällt, ist der neue "Lady and the Tramp" zum Start eines Streamingdienstes echt überraschend. Die neue "Susi und Strolch"-Welt ist so zuckersüß, dass es angeraten ist, als Begleitung Salzstangen zu knabbern. Ein lieber Film, dem man ob seines Liebseins nicht böse sein mag.

Wertung: 3 von 8 €uro
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