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Plakatmotiv: Porträt einer jungen Frau in Flammen (2019)

Ein ruhig erzählte Liebesgeschichte
über die Frage des richtigen Sehens

Titel Porträt einer jungen Frau in Flammen
(Portrait de la jeune fille en feu)
Drehbuch Céline Sciamma
Regie Céline Sciamma, Frankreich 2019
Darsteller

Noémie Merlant, Adèle Haenel, Luàna Bajrami, Valeria Golino, Christel Baras, Armande Boulanger, Guy Delamarche, Clément Bouyssou u.a.

Genre Drama
Filmlänge 122 Minuten
Deutschlandstart
31. Oktober 2019
Website portraitmovie.de
Inhalt

Frankreich, im Jahr 1770: Die junge Malerin Marianne reist auf eine abgelegene Insel in die Bretagne. Sie hat von einer verwitweten, italienischen Gräfin den Auftrag erhalten, ein Porträt von deren Tochter Héloïse anzufertigen. Die junge Frau soll mit einem Adeligen aus Mailand verheiratet werden und das Gemälde soll die Verbindung der beiden besiegeln.

Die rebellische Héloïse, die nach dem mysteriösen Tod ihrer Schwester aus dem Konvent geholt wurde um deren Stelle einzunehmen, weigert sich aber, zu heiraten und für ein Bild Modell zu stehen. Nachdem der letzte Maler unverrichteter Dinge abgereist ist, folgt Marianne einem Vorschlag der Gräfin und gibt sich als Gesellschafterin aus.

Während gemeinsamer Spaziergänge am Strand und auf den Klippen soll sie Héloïse heimlich studieren und dann aus dem Gedächtnis heraus auf die Leinwand bannen.

Sie versucht, genug von ihr zu sehen, um ihr Wesen in einem Bildnis erfassen und zum Ausdruck bringen zu können. Als das Porträt fertiggestellt ist, zeigt es Marianne Héloïse. Die überraschte Héloïse äußert sich vernichtend über das konventionell gestaltete Gemälde und zweifelt daran, dass Marianne sie je richtig gesehen hat. Die zutiefst getroffene Marianne zerstört daraufhin das noch feuchte Ölbild.

Als die Gräfin beschließt, Marianne fortzuschicken, erklärt sich Héloïse überraschend bereit für sie Modell zu sitzen. Ein zweites Mal nähern sich die beiden Frauen einander an und verbringen in Abwesenheit von Héloïses Mutter ein paar unbeschwerte Tage miteinander. Sie entwickeln eine Freundschaft zu der Hausangestellten Sophie, die sie bei einer Abtreibung unterstützen.

Als sie beginnt, Héloïse mit den Augen einer Liebenden zu sehen, verändert sich auch, was sie auf die Leinwand bringen kann, und je mehr Zeit Marianne mit Héloïse verbringt, desto stärker fühlen sich die beiden Frauen zueinander hingezogen …

Was zu sagen wäre

Wie soll man malen, was man nicht kennt? Ein Film über drei Frauen und die Frage, wie ein Porträtgemälde entsteht. Zuallererst braucht die Malerin ein Modell, das still sitzen kann. Eine Kunst, die auch der Film von seinem Zuschauer verlangt.

Céline Sciamma verzichtet auf Effekthascherei, erzählt langsam, behutsam von der Annäherung zweier Frauen zueinander und den zarten Knospen der Liebe. Es ist ein Film der Blicke – verstohlener, suchender, taxierender, lächelnder, liebender, fragender Blicke, die noch andauern, lange nachdem sich beide das letzte Mal gesehen haben werden in einem Museum, in dem ein weiteres Porträt von Héloïse hängt, aus dem sie den Betrachter hochmütig anschaut; nur Marianne versteht die Codes des Bildes richtig zu deuten. Sie blickt Héloïse nicht hochmütig an. Jetzt wirkt ihr Blick spöttelnd auf die nichts ahnende, spießige Gesellschaft.

Das erste Bild, das Marianne nach langen Strandspaziergängen aus dem Gedächtnis malen muss, hat mit der Gemalten keine Ähnlichkeit. Zu sehen ist eine pausbäckige junge Frau, bei der nicht einmal die Augenfarbe stimmt. Je näher sich die beiden Frauen kommen, desto ähnlicher werden die Gemälde ihrem Objekt, desto tiefer werden die Gefühle. Gespielt wird das von zwei Schauspielerinnen, die mit wenig viel auszudrücken vermögen. Noémie Merlant und Adèle Haenel sind Marianne und Héloïse, die Malerin und ihr Objekt der Betrachtung. Es ist wunderbar, den beiden zuzusehen, wie sie mit ihrer Energie die Leinwand füllen. Zu ihnen gesellt sich Luàna Bajrami als Hausmädchen Sofie und Valeria Golino (Flucht aus L.A. – 1996; Leaving Las Vegas – 1995; Hot Shots! – Die Mutter aller Filme – 1991; Rain Man – 1988) als die Gräfin, die ihre Tochter nach Mailand verheiraten möchte.

Dieses Porträt der jungen Frau in Flammen ist auch das Porträt einer vergangenen Epoche, in der das, was wir sehen, ungewöhnlich war: selbstbestimmte Frauen, die eine von Männern freie Zeit verbringen. Als am Ende ein Mann in der Küche sitzt, fällt der auf wie ein Furunkel auf reiner Haut. Männer spielten bis zu diesem Moment im Film nur in Erzählungen oder für die Zukunft, in der Héloïse verheiratet sein wird, eine Rolle. Dass Frauen zu jener Zeit die zweite Geige spielen, muss der Film nicht zeigen, es reicht eine Bemerkung Mariannes, als sie erzählt, dass es Frauen verboten sei, Männer zu porträtieren; da fällt uns im Kinosessel wieder ein, dass der Film im 18. Jahrhundert spielt und dass Héloïse bei ihrer Heirat kein Mitspracherecht hat.

"Portrait de la jeune fille en feu" ist ein intensives Kammerspiel für zwei Schauspielerinnen und – wie es sich für einen Film über ein Gemälde irgendwie geziemt – wunderschön ausgeleuchtet und fotografiert.

Wertung: 6 von 8 €uro
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