„Bei all ihrer schicken Magerkeit strahlte sie eine Haferflocken-Gesundheit aus, eine Seifen- und Zitronen-Reinlichkeit, und auf ihren Wangen lag eine raue Röte. Sie hatte einen großen Mund und eine Stupsnase. Eine Sonnenbrille verbarg ihre Augen. Es war ein Gesicht, das nicht mehr ganz in der Kindheit zuhause war und schon einer Frau gehörte.“ So beschreibt Truman Capote seine unsterbliche Heldin Holly Golightly.
Die fast Neunzehnjährige, die voller Lebenshunger vom Land in die große Stadt ausgerissen ist, hat nichts außer ihrer Erscheinung und ihrer Ausstrahlung, die sie befähigt, mit Männern zu spielen und sich – gewissermaßen – aushalten zu lassen. Manchmal befällt sie, die im Partytrubel von New York so unschuldig glänzen kann, aber das „rote Elend“, Katzenjammer und Weltschmerz, Angst und Verlorenheit, spürt sie innere Leere und Einsamkeit. Dann hilft nichts anderes mehr, als auf die Fifth Avenue zu Tiffany zu fliehen, dem berühmten Juwelier.
Der Schimmer der Diamanten beruhigt Holly und gibt ihr die Sicherheit zurück, im New York zu Beginn der vierziger Jahre zu bestehen. Ihr Nachbar, ein junger Schriftsteller, beobachtet ihr krauses Leben, er liebt ihre Schlagfertigkeit, ihre originelle, von Fremdwörtern gespickte Sprache, ihre Lust am witzig parlierenden Dialog. Manchmal aber spielt sie Lieder, „bei denen man sich fragte, wo sie die gelernt hatte … rauzärtliche, umherirrende Melodien mit Worten, die nach Südstaaten-Nadelwäldern oder der Prärie schmeckten“.
Eines Tages ist sie weg, übrig bleibt nur ihr namenloser Kater, auf dessen Suche sich der Erzähler begibt …
aus dem Klappentext
Eine kurzweilige Lektüre. Die 108 Seiten lesen sich an einem gemütlichen Herbstnachmittag auf der Couch (gefolgt von der DVD zum Buch). Capotes namenloser Erzähler hat mich an die Hand genommen. Der Mann erzählt einfach, ohne lyrische Kapriolen, eine dramatische, witzige, spannende Geschichte, an deren Ende ich mich frage, wer eigentlich damals in Hollywood auf die Idee kam, Audrey Hepburn zu besetzen. Die sehe ich in der Holly-Figur nach der Lektüre überhaupt nicht.
Capote erzählt aus dem Universum derer, die man hierzulande Adabeis nennt („Auch-dabei-Seiende“). Die Schönen und die Reichen New Yorks sowie ihr Fußvolk bevölkern die Story. Alle bekommen Gesicht und Charakter. Sie sind sympathisch, albern, abstoßend. Aber sie bleiben im Kopf. Ich staune, wie klar mir das kleine Universum der Künstler, Moguln, Barkeeper und Produzenten vor Augen steht, ohne dass jeweils lange Beschreibungen notwendig sind.
Das Buch erzählt in Form einer Rückblende („Ich erinnere mich noch …") und schlägt zu Beginn gleich einen melancholischen Ton an, der am Ende wieder aufgegriffen wird. Dazwischen liegt das pralle Leben, kunstvoll so erzählt, dass alles klar, aber nie schlüpfrig ist. Heute – nach der Leküre – wage ich die Behauptung, Tom Wolfe hat mit „Fegefeuer der Eitelkeiten“ sowas wie Frühstück bei Tiffany 2.0 (oder reloaded) geschrieben, allerdings auf viel mehr Seiten. Beide Bücher haben ähnliches Unterhaltungspotenzial.
Ich habe den Roman am 15. Oktober 2009 gelesen.
Der Film Frühstück bei Tiffany (1961)
Der Autor:
Truman Capote, eigentlich Truman Streckfus Persons, wurde am 30. September 1924 in New Orleans geboren. 1934 verließ er den Süden, als die Mutter den Kubaner Joseph Capote heiratete und nach New York zog. Dort stieg er mit Hilfe von Oona O'Neill und Gloria Vanderbilt in die höhere Gesellschaft ein.
Achtzehnjährig begann er beim New Yorker als Redaktionsgehilfe. !945 hatte er mit Erzählungen in diversen Zeitschriften Erfolg. 1946 bekam er den O. Henry-Preis für „Miriam“, zwei Jahre später mit „Shut a Final Door“ noch einmal. Der Roman „Andere Stimmen, andere Räume“ wurde zur Sensation, Capote war 23 Jahre alt. Nach „Die Glasharfe“ wurde er in eine Reihe mit William Faulkner und Carson McCullers gestellt. Capote reiste nun jahrelang durch Europa. „Frühstück bei Tiffany“ sicherte den Ruhm.
Mit „Kaltblütig“ schuf er 1966 ein Grundbuch des New Journalism, den sechs Jahre recherchierten Tatsachenroman über den Mord an einer Familie in Kansas. Danach folgten Drogenexzesse, Nervenzusammenbrüche, Gefängnisaufenthalte, Capote war ausgebrannt. 1975 publizierte er Kapitel des Schlüsselromans „Erhörte Gebete“, in dem er Geheimnisse der High Society ausplauderte, die deshalb die Beziehungen zu ihm abbrach. Das führte zu Depressionen und neuen Abstürzen.
1981 erschienen letzte Erzählungen „Musik für Chamäleons“. Am 25. August 1984, von Drogen, Halluzinationen und Kliniken zermürbt, starb Truman Capote in Los Angeles an einer Überdosis Tabletten.