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Plakatmotiv: Parasite (2019)

Eine böse Komödie über reiche Menschen,
arme Menschen und blutige Überraschungen

Titel Parasite
(Gisaengchung)
Drehbuch Jin Won Han & Bong Joon Ho
Regie Bong Joon Ho, Südkorea 2019
Darsteller

Kang-ho Song, Yeo-jeong Jo, So-dam Park, Woo-sik Choi, Seo-joon Park, Sun-kyun Lee, Ji-so Jung, Jeong-eun Lee, Hye-jin Jang, Andreas Fronk, Myeong-hoon Park, Ji-hye Lee, Hyun-jun Jung, Joo-hyung Lee, Keun-rok Park u.a.

Genre Komödie, Drama
Filmlänge 132 Minuten
Deutschlandstart
17. Oktober 2019
Website parasite-film.de/
Inhalt

Die vierköpfige Familie Kim – Vater Ki-taek, seine Frau Chung-sook, Sohn Ki-woo und Tochter Ki-jung – lebt in ärmlichen Verhältnissen in einer schäbigen Wohnung im Untergeschoss eines Hauses. Sie halten sich finanziell mit dem Falten von Pizzakartons gerade eben so über Wasser. Die Studienpläne der Kinder haben sich früh zerschlagen. Sie wurden nicht zur Uni zugelassen.

Ein alter Schulfreund von Ki-woo, der ein Jahr zum Auslandsstudium geht, rät Ki-Woo, seinen Job als Nachhilfelehrer für Englisch bei der sehr reichen Familie Park zu übernehmen. Er habe ihn dort wärmstens empfohlen. Seine Schwester Ki-jung fälscht für ihn ein Diplom und weitere Dokumente. So wird er bei der Familie Park als Lehrer für ihre Tochter Da-hye angestellt. Dort erfährt er, dass Da-Song, der Sohn der Familie, gerne malt und empfiehlt Frau Park eine Freundin namens Jessica, die in Illinois unter anderem Kunst studiert habe und dies nun hier unterrichtet.

Alsbald lernt Frau Park Jessica kennen; es ist Ki-woos Schwester Ki-jung, die Frau Park durch ihre Methoden und ihr Auftreten überzeugt.

Es dauert nur noch zwei kleine Intrigen, bis auch die Eltern Kim im Hause Park Jobs übernehmen – Vater Ki-taek als Nachfolger des eben geschassten Chauffeurs, Mutter Chung-sook als Nachfolgerin der eben geschassten Hausdame.

Nun hat die arme Familie Kim vier geregelte, im Rahmen der Tätigkeiten großzügig bemessene Einkommen in schöner Umgebung. Aber man soll ja den Tag nicht vor dem Abend feiern …

Was zu sagen wäre

Ein Zufall, aber bedeutende Parallelen: Vor einer Woche startete in den deutschen Kinos Todd Philipps Joker. Jetzt Bong Joon Hos "Parasite". Beide sind Festivalgewinner – Joker in Venedig 2019, "Parasite" in Cannes 2019 – und beide behandeln dasselbe Topic: die Konflikte durch die Klassengesellschaft, die Schere zwischen Arm und Reich. Aber beide verarbeiten es unterschiedlich.

Bong Joon Ho geht das Thema als schwarze Komödie an. Er braucht weder mahnenden Zeigefinger noch moralischen Sozialporno. Familie Kim, die unter, naja sagen wir, schwierigen Bedingungen lebt, jammert nicht; auch nicht, als die Nachbarin ihr W-Lan doch noch verschlüsselt und Familie Kim es nun nicht mehr anzapfen kann. Die Familie handelt. Irgendwo findet man man immer ein freies W-Lan. Und richtig: hinterm Klo unterm Fenster gibt's zwei Balken. Zum Abendessen gibt es Dosenbier und Chips. Und sonst schlägt man sich halt so durch. Dabei ist es den Kims egal, ob das immer legal ist oder moralisch zweifelhaft oder was auch immer – ein hungriger Bauch macht solche Unterscheidungen nicht.

Plakatmotiv: Parasite (2019)Als das hinreichend klar ist, nach etwa einer viertel Stunde, führt Bong John Ho ("Okja – 2017; Snowpiercer – 2013) den Sohn der Kim-Familie, Ki-woo, nach oben. Ganz nach oben. Vor eine hohe weiße Wand. Und dort öffnet sich ihm eine Welt, wie er sie noch nie gesehen hat. Weitläufige Rasenflächen, strahlender Sonnenschein, ein architektonisches Juwel aus Glas, Schiefer und Holz zum drin Wohnen mit Hausdame und eleganter, wenn auch etwas zerstreuter Dame des Hauses. Nach zwanzig Minuten sind die Gegensätze, die hier aufeinanderprallen, gesetzt. Und jetzt geht wahrscheinlich alles seinen geregelten Komödiengang. Arm und Reich lernen sich kennen, sich schätzen, Reich deckt den Betrug auf, es wird nochmal ein wenig düster und dann löst sich aber alles in Wohlgefallen auf.

Nein. Das tut es nicht.

Die Inhaltsangabe oben umfasst in etwa die erste Filmstunde. Der folgen noch 72 Minuten, die es in sich haben. Der Regisseur hat in den Interviews zum Film inständig gebeten, nicht zu viel zu verraten und das sollte man auch nicht tun, denn es handelt sich hier eben nicht um einen nachtschwarzen, verregneten Sozialporno, dessen Verlauf man vorhersagen könnte, sondern um eine schwarze Komödie mit trickreichen, verschlagenen Armen und freundlichen Reichen, die die Armut tatsächlich am Geruch erkennen, aber aus ihrer Wolkenkuckucksheim-Perspektive nicht erkennen, was um sie herum eigentlich los ist. Was eben auch für den weiteren Verlauf der Geschichte im Kopf der Zuschauer gilt.

Von einer sehr in die Länge gezogenen Szene ungefähr an dieser Nahtstelle – bei der man beinah soweit ist, mal auf die Uhr zu schielen – mal abgesehen ist das Problem die Synchronisation – wofür aber ernsthaft niemand was kann. Südkoreanische Temperamente und Lippenbewegungen sind mit ihren deutschen Äquivalenten halt nur schwer übereinanderzubringen. Wer also zufällig des Koreanischen mächtig ist, sollte sich das Original besorgen.

Bemerkenswert ist dann aber, dass die Armen sich hier weder fügen noch rebellieren, sondern sehr kreativ, also nach kapitalistischem Muster verfahren: Sie sehen eine Geldquelle und greifen sie zielbewusst an. Und da geht es in dieser traumschönen Villa hoch über der Stadt nicht immer um Unten gegen Oben. Die Betrügereien spielen sich nicht nur zwischen Herren und Knechten ab. Auch Knechte untereinander ringen in aller blutigen Härte um die Brotkrumen der Herren.

Die bedrückendste Szene spielt dann aber doch im nachtschwarzen, strömenden Regen. Da muss sich die Familie Kim nahezu fluchtartig aufmachen vom Haus der Parks zurück in ihre Souterrainwohnung. Da geht es steile Straßen abwärts, dann Treppen abwärts, dann wieder Straßen und schließlich eine elend lange Treppe tiefer und tiefer hinunter dorthin, wo die Kims herkommen und wo sie sich raus kämpfen wollen – oder muss ich sagen "raus tricksen"? Diese besonders bedrückende – und gleichzeitig tatsächlich befreiende Szene – steht beispielhaft für jedes Bild, das Bong Joon Hos Director of Photography Kyung-pyo Hong eingerichtet hat. Der Film ist ein ästhetischer Genuss: ruhige Kameraführung, klare Bilder, gerade Linien, elegante Dekors, glänzende Oberklasseautos und drei wohl gepflegte Hunde.

Die Armut rückt der Elite auf den Pelz. Mal mordend, wie im Joker. Mal trickreich, wie in "Parasite". Aber sie rückt vor. Der zeitnahe Start der beiden Filme Joker und "Parasite" ist weniger Zufall als viel eher ein Signal, dass das Kino sich wieder der Realität und dort den relevanten Themen annähert. Im vorliegenden Fall auf höchst unterhaltsame, abwechslungsreiche, überraschende Weise.

Wertung: 7 von 8 €uro
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