Taschenbuchcover: Und dann kam Ute (2013)

Ein überlanger Atze-Schröder-Auftritt
mit fröhlich-romantischer Note dazwischen

Titel Und dann kam Ute
Autor Atze Schröder (und Till Hoheneder), Deutschland 2013
Verlag Rowohlt
Ausgabe Taschenbuch, 286 Seiten
Genre Comedy
Inhalt

Ich sach ma, dat is Liebe.“ 

Feuchtfröhliche Männerrunden, amouröse Abenteuer und der Porsche vor der Tür – Atze genießt sein Single-Leben.

Bis Ute in die Wohnung unter ihm einzieht. Für Atze ein Wesen von einem anderen Stern. Denn Ute ist Waldorf-Pädagogin. Ute ist Vegetarierin. Und Ute ist schwanger. Mit so einer im Haus – das kann nicht gut gehen!

Aber bald merkt Atze: Er mag Ute. Sie ist klug. Und nicht nur das – er findet sie sogar attraktiv. Sein testosterongestähltes Herz klopft, wenn er sie sieht. Das kann doch nicht gesund sein. Oder ist das etwa Liebe?

Doch die Unterschiede zwischen den beiden scheinen unüberbrückbar. Kann Atze nur mit Testosteron, großer Klappe und Siegerlächeln Utes Herz erobern?

aus dem Klappentext

Was zu sagen wäre
Und dann kam Ute

Das geht ja gleich gut und erwartungsgemäß – für einen Atze-Schröder-Text – „auf dem Kilimandscharo der göttlichen Lust“ mit Nippeln an der „Venushügel Nordwand“ auf der Housewarmingparty von Ute los und endet in Halle Berrys Hotelbett nach einer "Wetten dass …"-Show in Bremen.

Dazwischen blickt Atze ein paar Wochen (Monate?) zurück und wir lernen Ute bei ihrem Einzug in Helgas ehemalige Wohnung kennen und zwar, indem Atze deren Freunde und Helfer beschreibt: „Vor unserem Haus stand mitten auf der Straße ein verbeulter Europcar-Sprinter, aus dem unter viel Getöse und Gestöhne Möbel und Umzugskisten gehievt wurden. Fasziniert blieb ich stehen und schaute zu. Das war vielleicht eine schräge Truppe! Vollbärtige Latzhosenträger und kaum besser rasierte Frauen in topmodischen Jutta-Ditfurth-Gedächtnisblusen mühten sich redlich, schwere Massivholzschränke in Helgas Marlborohöhle zu schleppen. (…) Der ganze Umzug wirkte , wie die misslungene Hausbesetzung durch den Männerstrickclub "Rastafari Freies Wendland". Überall bemühte Sozialpädagogen, die schon mit dem Transport einer Yuccapalme von A nach B völlig überfordert waren. Ein Haufen linkshändiger Bananenbieger, die die Praxis nur aus der Theorie kannten.

Ich habe den Sprachduktus der Kunstfigur Atze Schröder schon auf den ersten Seiten gleich im Ohr, verfeinert und offenbar ein wenig in dramaturgische Finessen versetzt von seinem Co-Autor Till Hoheneder. Der Ich-Erzähler ist Atze Schröder, ein Comedian aus dem deutschen Fernsehen; nicht zu verwechseln mit Atze Schröder, dem Comedian, den wir regelmäßig auf den Privatkanälen des deutschen Fernsehens sehen können. Das macht eine "Gebrauchsanweisung" gleich zu Beginn des Buches klar: „Dieses Buch ist ein satirischer Episodenroman, der von Gefühlen, Liebe, Sex, Räuberpistolen und Freundschaft handelt. Vieles ist frei erfunden, manches nicht. Auch die Namen, Schauplätze und Erlebnisse wurden willkürlich gewählt. Allerdings haben alle Geschichten einen wahren Kern.

So lesen wir also Atze, der nicht Atze ist, hinterher. Und nach, na ja, etwa 50 Seiten beginnt einem dieses dauernde Metapherngehubere und Sprüchegeklopfe des Stand-Up-Comedians, der keinen deutschen Satz ohne Pointe formulieren mag, auf die Nerven zu gehen. Manchmal könnte man ja auch einfach nur mal einen Satz schreiben, der mich von einem Erlebnis zum nächsten Erlebnis bringt; wie etwa beim Kinderwagen-Kauf auf der Kö in Düsseldorf: „Untermalt von gedämpfter Mozart-Musik schwebte eine blondierte Fachverkäuferin auf uns zu. Perlenkette, Mitte 50, verbindliches Gutsfrauenlächeln. Arisches Blauauge, leichte Segelbräune. Der berühmte Stock im Arsch schien bei ihr durch eine tiefgefrorene Lachsforelle ausgetauscht worden zu sein, denn sie begrüßte uns unterkühlt.“ Ja, bildstark! Aber nicht zielführend. Der Essener Bub will die Schnösel auf der Düsseldorfer Kö vorführen und bleibt dabei jede Überraschung schuldig. Statt dessen macht Schröder aus allem eine Rainer Brandt-Nummer.

Rainer Brandt war in den 1970er und 80er Jahren ein viel gefragter Regisseur (und Stimme) für Synchronarbeiten bei Film und Fernsehen (Jean Paul Belmondo, Franco Nero, Tony Curtis usw.). Brandt wurde berühmt, als er aus der mittelmäßigen englischen Krimiserie "The Persuaders!" mit Roger Moore und Tony Curtis die deutsche Synchronversion "Die 2" machte, in der die beiden Hauptfiguren sich schillernd funkelnde, Pointenreiche Dialogschlachten lieferten, die die Zuschauer mit Begeisterung Woche um Woche einschalteten.

So ähnlich wirkt das in diesem Buch. Auf zehn Buchseiten erzählt Schröder Stoff für zwei Seiten. Genau genommen passiert nichts. Aber das mit lauter ausufernden Beschreibungen: „Wer am wirklichen wahren Leben teilnehmen möchte und was zum Kuscheln klarmachen möchte, der schaut sich am besten in einem gut sortierten Supermarkt um. Es ist wie in der Werbung: 'Real! Einmal hin, alles drin!' Also erst mal hin.
Braun gebrannt, in bester körperlicher Verfassung und bereit, den Pfeilen Amors die richtige Richtung zu geben, schob ich meinen Einkaufswagen aufreizend lässig an der Obsttheke vorbei. Plötzlich Alarmstufe Rot! Sehrohr an Brücke: 'Blondes Fabelwesen, sehr hart backbord voraus, kein Geleitzug, unbewacht – alles fertig machen zum entern!' Da stand sie zwischen struppigen Steckrüben und saftigen Dattelpflaumen: Miss März, ca. 31 Jahre, 1,72 groß, vom Bündnis 90-60-90/Die Blonden. Feinstes Stöckelwild, eine Hormonoase für meine von Dürre geplagte Testosteron-Savanne.

Atzes Kumpel, Gomera-Gerd, „die vielleicht faulste Sau des Planeten“, würde vielleicht sagen: „Heftig, Alter!“ Wir Fußball-Bildungsbürger kommen da über ein Un'? Weidä? nicht hinaus. Immer wieder schweift Schröder in seinem episodenhaften Erzählstil ab, verliert Ute aus den Augen, manchmal inhaltlich begründet, wenn ihn die Eifersucht plagt und er also dummes Zeug angestellt hat, was sie zur Weißglut und Flüche treibt; manchmal aber auch einfach so. Da tigert er zwischen Gran Canaria und Deutschland hin und her, trifft prominente Fernsehnasen wie Promikoch Steffen Henssler oder ZDF-Moderator Markus Lanz, mit denen er feuchtfröhliche Männerabende verbringt.Nicht fehlen dürfen immer wieder blonde, junge Frauen, die umgehend seinem Minipli-Charme verfallen.

Und Charme hat diese Kunstfigur Atze Schröder ja. Wenn man diese zwanghaft erotischen Zwischenstationen mal weg lässt, malt der Autor in einfacher Sprache einen Kumpeltyp, den man gerne als Nachbar nebenan wohnen hätte: witzig, immer hilfsbereit und – eben – eigentlich gar nicht so eklig ölig, wie er im Fernsehen bisweilen rüberkommt. Was es eigentlich ist, was den Ich-Erzähler und Ute zueinander treibt, bleibt offen. Am tiefsten geht Schröder mit dieser Erklärung: „Sie lachte – und ihr Lachen ging mir durch Mark und Bein. Diese Frau hatte irgendetwas an sich, das mich tief berührte. Bei ihr dachte ich nie an 'Wham, bam, thank you, Mam', sondern an … an … an … was anderes eben!Was anderes eben. Das muss als Gefühlsbeschreibung in diesem Roman reichen.

Im letzten Drittel ist die Romanfigur sogar selbst von ihren Inneren Werten überrascht, überrascht zu entdecken, dass er mit Mitte Vierzig wohl doch zu alt für das alte „Wham, bam, thank you, Mam“-Spiel ist. Zwischen bemühten Albernheiten, frotzelnd fröhlichen Sprüchen, die in Männerohren wahrscheinlich harmloser klingen als in Frauenohren und tatsächlich manchmal laut lachen lassen, entfaltet sich ein romantisches Rührstück auf ZDF-Herzkino-Niveau, mit dem die Autoren es nicht in den Kanon deutscher Dichter-und-Denker-Literatur schaffen. Aber für Tage, in denen Verabredungen platzen, weil draußen Sommergewitter toben, liefert das Buch ein paar schöne Stunden. Das Buch ist 2013 erschienen, vier Jahre, bevor die #MeToo-Debatten das Miteinander von Frauen und Männern veränderte. Als ich Schröders Buch schließlich lese, erkenne ich einen typischen Vertreter von "Männerliteratur" Prä-MeToo, die heute so eher nicht mehr in die Buchläden käme.

Ich habe "Und dann kam Ute" am 2. und 3. Juni 2025 in Mainz gelesen.