Die beiden Ex-Sträflinge Perry Smith und Richard Hickock planen einen Überfall auf die vierköpfige Familie Clutter. Bei der Ausführung der Tat müssen sie jedoch feststellen, dass im Haus der Clutters kaum Geld oder Wertsachen zu finden sind.
Smith und Hickock geraten in Panik und ermorden die Eltern sowie die beiden Kinder, um anschließend mit ihrer mageren Beute zu flüchten. Schon nach wenigen Tagen, die sie nervös und verzweifelt verbringen, werden die beiden verhaftet.
Ein Gericht spricht die Todesstrafe aus, die sechs Jahre später vollzogen wird …
„Was ist jetzt dabei herausgekommen?“, fragt der Deputy, als der zweite Delinquent hoch geht zum Galgen, den Journalisten, der den Fall eng verfolgt hat. „Vier Unschuldige und zwei Schuldige wurden ermordet. Drei Familien zerstört. Die Zeitungen haben ihre Auflagen erhöht. Politiker werden über die Todesstrafe debattieren. Polizei und Entlassungsbehörden werden die alten Vorwürfe hören. Neue Gesetze wird es geben und jedermann schiebt die Verantwortung auf den anderen. Und dann, nächsten Monat, nächstes Jahr, wird genau dasselbe passieren.“ „Vielleicht wird dieser Fall doch zu einer Änderung führen.“ „Hat's noch nie getan!“ In diesem Dialog steckt das ganze Drama dieses spektakulär unspektakulären Falls.
Eine Familie – Vater, Mutter, Tochter, Sohn – im Speckgürtel von Kansas City wird überfallen und erschossen. Die Täter sind zwei junge Typen, die … und da fängt das eigentliche Drama an: die in dieser Gesellschaft eigentlich nur ihr eigenes Glück suchen. Nur ist der eine Spross einer dysfunktionalen Familienkonstellation mit trinkendem Vater und einer Mutter, die deshalb in anderer Männer Arme flüchtet und der andere Sohn eines krebskranken Alleinerziehenden ohne Geld für die ärztliche Betreuung. Ja, ich kann die beiden Täter in ihrer ursprünglichen Motivation – Teilhabe am American Dream – verstehen.
Der Film von Richard Brooks ("Süßer Vogel Jugend" – 1962; Die Katze auf dem heißen Blechdach – 1958; "Die Brüder Karamasov" – 1958) basiert auf dem gleichnamigen Tatsachenroman von Truman Capote, der diesen tatsächlich stattgefunden Überfall auf eine unbescholtene Farmersfamilie minutiös in einer neuen Art journalistischer Reportage dokumentiert hat. Capotes Buch ist ein Klassiker des New Journalism. Und Richard Brooks bemüht sich, den Geist dieses Buches auf die Leinwand zu übertragen. Er dreht seinen Film vorwiegend an Originalschauplätzen in Kansas, heißt: Er dreht im Originalhaus der Clutters und auch im gleichen Gerichtssaal. Sechs der damaligen Geschworenen wirken auch als Geschworene beim Film mit. Die Familienfotos im Haus sind Originalbilder der Clutter-Familie.
Die zwei Paar Augen auf den Filmpostern sind die der realen Mörder.
Das macht den Film dramaturgisch unangreifbar. Brooks zwingt uns, die Perspektive der Killer zu übernehmen, der Underdogs, denen das Leben keinen Kuchen schenkt, die keine Chance haben, den American Dream zu leben. Gleichzeitig erleben wir die Familie Clutter, die dann ausgelöscht wird, als klassische All American Family, in der sich die Familienmitglieder all die Freiheiten nehmen, die wir aus den großen Hollywood-Dramen kennen – der Sohn raucht heimlich im Keller, der Vater weiß das, lässt seinem Sohn aber einen Ausweg; die Tochter liebt Pferde und die Tochter des Pferdestallbesitzers. Da zeichnet Brooks mit wenigen Pinselstrichen eine lebendige Familienkonstellation, die uns sofort nahe ist; dies aber nur, damit wir deren Verlust im Kinosessel umso schmerzhafter empfinden. Der heimliche Raucher, die heimlich Liebenden sind nicht die Story, sie sind die Opfer, deren inhaltliches Volumen wir in wenigen Szenen verstanden haben, weil sie Luxusprobleme leben, aber keine existenziellen. Solche leben die beiden Täter, denen die Chance auf Teilhabe schon in der wiege verbaut war und also zugreifen, wo sie es können. Robert Blake und Scott Wilson, den tatsächlichen Mordbuben überraschend ähnlich, spielen streng entlang dem Capote-Text: neurotische, infantile, gewalttätige Kinder Amerikas, die sich unter dem Galgen entschuldigen möchten – "aber bei wem?"
Brooks inszeniert knochentrocken, ohne Kamerasperenzchen, ohne dramatisch jaulenden Score. Quincy Jones bläst leise Jazztöne zwischen harte, schwarz-weiße Schlagschatten, die unterstreichen, dass wir Zeuge eines Unausweichlichen sind. Einen wichtigen Part hat Peter Zinner, der Cutter des Films. In der ersten Stunde, als Opfer und Täter noch keinen Bezug zueinander haben, ist er es, der aus den beiden parallel laufenden Erzählungen ein Suspense-Drama montiert. Da macht in einer Szene der frisch aus dem Knast entlassene Perry das Licht aus und im Schnitt stolpert dann das künftige Opfer, Daddy Clutter, durch sein dunkles Haus ins Bett. Dazu liefert Conrad L. Hall, der Director of Photography, Bilder in kontrastscharfem Schwarz-Weiß.
Wenn dann die beiden "kaltblütigen" Mörder unter dem Galgen stehen, eine Sequenz, die Brooks – für uns im Kinosessel – brutal in die Länge dehnt, ahnen wir, dass sie, weil sie getan haben, was ihnen vorgeworfen wird, genau da hin gehören. Gleichzeitig streiten wir uns mit uns, welchen Sinn die Todesstrafe macht, die solche Verbrechen nicht verhindert. Wer Hunger hat, tut alles, um etwas zu essen zu finden – das ist die Message der beiden Killer. Oder können wir satt im Kinosessel sitzend akzeptieren, dass die Hungernden sich im American way of Life halt einen Hungerleiderjob angeln müssen, der ihnen zwar keine Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen wird, aber ein Überleben mit Bohnensuppe? Das werden Leute wie Perry und Richard niemals tun. Und wir im Kinosessel verstehen auch, warum – wenn wir ehrlich sind!
Was Truman Capote mit seinem innovativen New Jouranlism erreicht, erreicht Richard Brooks mit der Verfilmung des Capote-Buches. Insofern: eine großartige Buchverfilmung.