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Plakatmotiv: Mulan (2020)

Ein buntes Abenteuerspektakel,
bei dem Drama von außen kommt

Titel Mulan
(Mulan)
Drehbuch Rick Jaffa & Amanda Silver & Elizabeth Martin & Lauren Hynek
Regie Niki Caro, USA, Kanada, Hongkong 2020
Darsteller

Liu Yifei, Yoson An, Gong Li, Donnie Yen, Jason Scott, Ron Yuan, Jet Li, Tzi Ma, Jimmy Wong, Doua Moua, Chen Tang, Utkarsh Ambudkar, Chum Ehelepola, Xana Tang, Rosalind Chao, Pei-Pei Cheng, Jun Yu u.a.

Genre Abenteuer, Drama
Filmlänge 115 Minuten
Deutschlandstart
4. September 2020 (Premiere im Stream)
Inhalt

Um das Land vor Eindringlingen aus dem Norden zu schützen, errichtet der mächtige chinesische Kaiser eine gewaltige Armee. Ein Mann aus jeder chinesischen Familie soll für ihn in den Kampf ziehen – darunter auch der Vater der jungen Mulan, Zhou Hua, der dem Einberufungsbefehl selbst krank und geschwächt folgeleisten will. Seine Tochter ist sich jedoch sicher: Wenn er in den Krieg zieht, wird ihr Vater nicht überleben.

Kurzerhand beschließt Mulan, an ihrer Vater statt in die Schlacht zu ziehen. Verkleidet als Mann gibt sie sich fortan als Jun Hua aus und begibt sich auf eine gefährliche Reise durch China, um sich dem Militär anzuschließen und unter Kommandant Tung die knallharte Ausbildung zur Kriegerin zu absolvieren.

Denn nur so kann sie das Gefecht überstehen und nicht nur ihr Vaterland, sondern auch ihren Vater mit Stolz erfüllen …

Was zu sagen wäre

Dieser Film hat Geschichte geschrieben. Nicht wegen seiner inneren Werte, sondern wegen seiner äußeren Umstände. Die Realverfilmung des Zeichentrickklassikers von 1998 war geplant als eines der Disney-Zugpferde des Jahres 2020. Dann kam die Covid19-Pandemie, der Filmstart wurde mehrfach verschoben. Schließlich cancelten die Disney-Studios die Kinoauswertung und verkaufen ihn nun exklusiv über ihren Streaming-Dienst Disney+. Die durch die Pandemie ohnehin gebeutelten Kinounternehmen mussten wehrlos mitansehen, wie ein Filmstudio einen potenziellen Einnahme-Garanten einfach am klassischen Ausspielweg Kinoleinwand vorbei schleust. Die Frage im Spätsommer 2020 lautet: Bleibt das eine Ausnahme? Oder gerät da ein in Jahrzehnten erprobtes Geschäftsmodell ins Wanken? Und: Wenn das hauseigene Streamingangebot eines Filmstudios nur der Anfang einer neuen Verwertungskette ist, die Kinos mit ihren riesigen Leinwänden also keine Rolle mehr spielen, was heißt das für die Bildsprache der großen Abenteuer- und Actionfilme, die nur noch auf heimischen Flatscreens – und, machen wir uns nichts vor, damit auch auf dem Handydisplay – konsumiert werden?

Die Legende von Mulan beruht auf einem chinesischen Volksgedicht, das irgendwann rund ums fünfte Jahrhundert entstanden ist. Der Zeichentrickfilm, den die Disney-Studios aus dieser Ballade machten, nimmt sich inhaltlich viele Freiheiten. Nicht nur, weil jetzt gesungen wird, auch in der Konnotation der "Heldin", die im 5. Jahrhundert im fernen Osten anders besungen wird, als im 20. Jahrhundert im kommerziellen Westen. Die Realverfilmung ist in Bild und Ton dunkler als die Zeichentrickversion, lässt den Gesang weg. Auch das komische Element, der kleine Drache Mushu, ist gestrichen, ersetzt durch einen strahlend bunten Feuervogel, der ohne witzige One-Liner auskommt. Tiere sprechen nicht, darauf haben sich die Kreativen für diesen Film geeinigt. Das macht die Welt in dieser Realverfilmung glaubhafter, bringt aber die Story insStolpern. Humor und Gesang sind dem Drama genommen, reale, echte Menschen sind ihm gegeben. Aber die Erzählung bleibt die eines Zeichentrick-Märchens.

Neben der Wandlung Mushus in einen eleganten Phönix gibt es eine weitere Tier-Wandlung. Schon der schurkische Zeichentrick-Hunne Böri Khan hatte einen Adler auf der Schulter. Der war einfach nur ein Adler. Der Adler in der 2020er-Version ist – eine Hexe. Eine Frau, die einst aus der Männerwelt Chinas verbannt worden war und nun von der Gunst Böri Khans abhängt. Die Hexe und die Kriegerin treffen aufeinander – die Ausgestoßene und die Frau, die unbedingt im ehrbaren Althergebrachten akzeptiert werden will. Die Hexe versucht, Maul auf ihre Seite zu ziehen, sagt, als Frau werde sie niemals eine Kriegerin sein können, werde sie niemals als gleichberechtigt erachtet. Mulan denkt darüber 3 Sekunden nach und entscheidet sich für Familie, Männer und Kaiser. Im Zeichentrickfilm nimmt man sowas hin. Aber mit der Entsendung realer Menschen in diesen Film erwarte ich reale Herausforderungen, echte Gefühle – müsste Mulan nicht eigentlich vor Zorn platzen über die Borniertheit der Männer? Stattdessen rettet sie mit Klugheit und Einfühlungsvermögen ihre Kompanie vor dem sicheren Untergang und lässt sich von eben dieser Kompanie dann entehrt verbannen. Ein innerer Konflikt findet bei der Heldin, die so ungerecht beurteilt wird, nicht statt. Da kommt mir Christopher Nolan in den Sinn, der in den Nuller-Jahren aus Batman einen echten Menschen machte. Die Real-Film-Mulan bleibt eine Märchenfigur ohne zweite Ebene.

Im Bild stehen lauter Figuren in einem bunten Abenteuerfilm, die, außer, dass sie dick, dünn, klein, groß sind, alle gleich sind, austauschbar – lauter Figuren, die sich gegenseitig retten und ehrbare Drehbuchsätze aufsagen. Okay: Mulan entwickelt sich. Und das weltweit vermarktende Disney-Imperium gleich mit. Disney-Filme bleiben natürlich immer Disney-Filme, heißt: Die Familie ist das Wichtigste und die Hauptfigur muss lernen, an sich zu glauben. Das ist auch in Disneys Fernem Real-Verfilmungs-Osten nicht anders. Nach erfolgreicher Heldentat legt die Heldin das Angebot des dankbaren Kaisers, eine Heerführerin in seiner Garde zu werden, zugunsten der Familienehre ab, die sie glaubt, in ihrer Eigenschaft als Mädchen besudelt zu haben.

Die Kriegerin Mulan war schon 1998 die Heldin der Emanzipation im Disney-Universum, neben Pocahontas und Belle. Jetzt streitet sie sogar für #MeToo: Denn auch die Liebesgeschichte aus der 1998-Version ist gestrichen. 1998 stand am Ende der Kompanieführer vor Mulans Tür und bettelte um ihre Hand. Dieses berufliche Gefälle – der männliche Chef will die weibliche Untergebene daten – ist heute nicht mehr opportun und also bahnt sich – ganz leicht nur – etwas mit einem freundlichen Kameraden an, was aber vielleicht auch gar nicht weiter geht, denn die neue Disney-Heldin kommt auch ohne Mann aus.

Aber sie kommt nicht ohne die Leinwand aus. "Mulan 2020" ist nicht fürs Pantoffelkino gedreht, auch nicht für eines mit einer Bildschirmdiagonale von 1,80 Meter. Die Inszenierung spielt mit Totalen, weiten Landschaften, Lawinenabgängen, angreifenden Horden – Szenen, die im Kinosessel den Eindruck eines raumgreifenden Erlebnisses zum anfassen erzeugen. Auf dem heimischen Monitor verschwimmen diese Cinemascope-Bilder selbst bei 4K-auflösung zur Briefmarke. Deshalb die spannendere Frage, die im Spätsommer 2020 die Frage, wie der Mulan-Film nun eigentlich ist, übertönt, diese: Wenn die Wanderung großer Cinemascope-Filme ohne Umweg in die Streamingangebote die Norm wird, die große Leinwand also ausstirbt, werden dann die Bilder leerer? Egaler? Talking Heads und Feuerwerk?

Wertung: 6 von 8 €uro
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