Seltsam ist die verblüffende Ähnlichkeit des Barons von Münchhausen mit seinem Urahn, dessen Antlitz von einem 200 Jahre alten Ölgemälde herunterlächelt. Als Münchhausen eines seiner berühmten Feste feiert, gesteht ihm die blutjunge, romantisch veranlagte Sophie von Riedesel ihre Liebe.
Diese Offenbarung nimmt Münchhausen zum Anlass, am nächsten Tag eine wunderliche, absurde, abenteuerliche und überaus spannende Lebensbeichte abzulegen. Es ist sowohl seine Geschichte als auch die des Mannes, der da von dem Gemälde herunterlächelt.
Während Münchhausens Erzählfluss vermischen sich Vergangenheit und Gegenwart, Illusion und Realität zu einem rauschhaften Erlebnis. Da ist kaum eine Persönlichkeit, die Münchhausen nicht kennen gelernt, kein Abenteuer, das er nicht durchlebt hätte. Ob er nun die russische Kaiserin Katharina verführt, Potemkin im Zweikampf besiegt oder gegen die Türken ins Feld zieht – Münchhausens Leben gleicht einem einzigen großen Ritt auf der Kanonenkugel …
Ein großer Filmklassiker aus Nazi-Deutschand, Joseph Goebbels höchstselbst hat den Auftrag erteilt, zum 25. Firmenjubiläum der UfA-Filmstudios diesen entspannten, farbfreudigen, abenteuerlustigen Film zu produzieren, der mit internationalen Produktionen wie Der Zauberer von Oz (1939) und "Der Dieb von Bagdad" (1940) mithalten sollte. Sogar Erich Kästner wurde aus seinem Berufsverbot befreit, um das Drehbuch zu schreiben – wenn auch unter falschem Namen ("Berthold Bürger") und im Vorspann dann auch weder so noch so erwähnt wird.
Der vom Regime ungeliebte aber nun halt für diesen Prestigefilm dringend benötigte Kästner war nicht die einzige Personalie, die die Nazis gerne unter den Teppich kehren wollten. Neben Hans Albers, der eine Gage von 360.000 Reichsmark bekam, wurde eine Auswahl von Star-Schauspielern aufgeboten, bei denen man allerdings gewisse Eigenheiten tolerieren musste. Leo Slezak hatte eine jüdische Ehefrau, Hubert von Meyerinck und Wilhelm Bendow waren bekannt für ihre Homosexualität, und Brigitte Horney war eng mit dem kurz zuvor in den Selbstmord getriebenen Schauspieler Joachim Gottschalk befreundet.
Der Film erzählt die Lebensgeschichte des Lügenbarons Hieronymus von Münchhausen, teilweise basierend auf der literarischen Vorlage der bekannten Lügengeschichten von Gottfried August Bürger. Mit stechendem Blick und – aus heutiger Sicht – öligem Charme stolziert Hans Albers in der Titelrolle in bunten Kostümen durch phantastische Kulissen, alle Frauen liegen ihm zu Füßen, und schließlich landet er sogar auf dem Mond. Dass man bei seinem berühmten Ritt auf der Kanonenkugel seinen Schatten auf der den Himmel imitierenden Studiowand sieht, beim Ballonflug zum Mond den Bindfaden, der den Ballon in der Schwebe hält, muss dem damaligen Publikum, dem ob der aberwitzigen Geschichte und den dazu passenden Bildern der Mund offen gestanden haben muss, entgangen sein; heute sieht man das, was aber nicht lächerlich wirkt, sondern zeigt, mit welchem Enthusiasmus die Filmemacher damaliger Produktionen dennoch ans Werk gegangen sind: Dann sieht man es halt, wir können es (noch) nicht besser. Zunächst hielt sich das Publikumsinteresse an dem Film in Grenzen. Bis Ende 1944 hatte der Film jedoch 18,7 Millionen Zuschauer erreicht und war damit einer der erfolgreichsten Kinofilme der Zeit des Nationalsozialismus.
"Münchhausen" ist ein reiner Unterhaltungsfilm, nichts Politisches soll da angesprochen werden. Herrscher sind Herrscher – Zarinnen, Dogen, Barone – Diener Diener und Frauen Freiwild. Aber Kästner hat dennoch die ein oder andere Spitze gegen den Obrigkeitsstaat untergebracht, die in ersten Fassungen herausgeschnitten wurden, sich aber nach einer aufwändigen Restaurierung des Films durch die F.W.Murnau-Stiftung 2017 wieder im Film finden. Einmal sitzt Münchhausen mit dem Zauberer Cagliostro, einem Irgendwie-Freund zusammen, der von großen Putschplänen träumt. Münchhausen sinniert, Cagliostro wolle halt unbedingt herrschen, während er, Münchhausen, einfach leben wolle. In Venedig warnt Casanova Münchhausens Freundin, die Prinzessin, vor der Staatsinquisition, die habe „zehntausend Augen und Arme; und sie hat die Macht, Recht und Unrecht zu tun – ganz wie es ihr beliebt …“.
Jener Graf Cagliostro, der im Gegensatz zum idealistischen und abenteuerlustig-urwüchsigen Münchhausen die Prinzipien von Macht und Gerissenheit verkörpert und sich allerlei Schliche zur Durchsetzung seiner Pläne bedient, macht antisemitische Stereotype erkennbar; dies umso mehr, als die Rolle des Grafen mit Ferdinand Marian besetzt wurde, dessen Verkörperung des "Jud Süß" in Veit Harlans gleichnamigem Hetzfilm dem deutschen Publikum noch in frischer Erinnerung war.
Ende des 20. Jahrhunderts kann man "Münchhausen" nur noch akademisch gucken. Als Unterhaltung eignet er sich nur noch bedingt. Die Erzählung zäh, der Umgang der Figuren miteinander herablassend und sexistisch, die Effekte, nun ja, zeitgemäß. Aber akademisch gibt uns der Film sogar eine Ahnung für die Verheerungen der damaligen Zeit: Was muss das für eine furchtbare Zeit 1943 gewesen sein, in der ein Typ wie Hans Albers vor allem mit stechendem Blick zum Kinohelden taugte?