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Plakatmotiv: Auf der Kugel stand kein Name (1959)

Eine giftige Gesellschaftsstudie
in einem philosophischen Western

Titel Auf der Kugel stand kein Name
(No Name on the Bullet)
Drehbuch Gene L. Coon & Howard Amacker
Regie Jack Arnold, USA 1959
Darsteller

Audie Murphy, Charles Drake, Joan Evans, Virginia Grey, Warren Stevens, R.G. Armstrong, Willis Bouchey, Edgar Stehli, Simon Scott, Karl Swenson, Whit Bissell, Charles Watts, John Alderson, Jerry Paris, Russ Bender, James Hyland, Emile Avery, Fern Barry u.a.

Genre Western
Filmlänge 77 Minuten
Deutschlandstart
28. August 1959
Inhalt

John Gant ist ein gedungener Mörder. Wenn er in einer Stadt auftaucht, bedeutet das, dass dort jemand zum Tode verurteilt ist. Am Ende wird Gant aber immer in Notwehr töten.
Seine Ankunft in Lordsburg setzt eine bösartige Kettenreaktion in Gang. Fast jeder hat ein dunkles Geheimnis. So glauben auch der Bankier Thad Pierce und der Güterbahnhofsbetreiber Earl Stricker, dass Gant gekommen ist, um sie zu töten, weil sie Ben Chaffee eine Mine gestohlen haben. Einzig der Arzt Dr. Luke Canfield bewahrt die Ruhe. Pierce entzieht sich der Angst durch Selbstmord. Doch Gant hatte es nicht auf ihn abgesehen.
Nach einem Kräftemessen des Sheriffs mit Gant erkennt Dr. Canfield, dass Gant ganz Lordsburg in Panik versetzt. Er bespricht sich mit Anne Benson, seiner Verlobten, und ihrem Vater, dem alten, kränkelnden Richter Benson. Letzterer schlägt eine Bürgerwehr vor, die sich mit Gant befassen soll.
In der Zwischenzeit steigt die Spannung in der Gemeinde. Einen eilig aufgestellten Mob hält Gant leicht in Schach. Dessen Anführer stirbt in dem darauffolgenden Kampf mit Chaffee. Doch noch immer bleibt Gant in der Stadt. Noch immer ahnt niemand, auf wen Gant es abgesehen hat …

Was zu sagen wäre

Aus der weiten Ebene nähert sich ein Fremder einer kleinen Farm und fragt nach dem Weg. Das Farmersleute wirken in ihrer steifen Haltung wie Untote, oder Roboter; und sie sprechen auch wie solche, als sie dem Fremden den Weg in die Stadt weisen. Der Score orchestert basslastig über der Szene. Kurz erwarten wir ein erstes Erschrecken.

Aber das Erschrecken folgt nicht. Es liegt nur nahe, das zu vermuten. Nicht nur, weil Jack Arnold auf dem Regiestuhl sitzt, der große Meister des Creature-Features (Der Schrecken schleicht durch die Nacht – 1958; Die unglaubliche Geschichte des Mr. C – 1957; Tarantula – 1955; Der Schrecken vom Amazonas – 1954). Sondern auch, weil die Universal Studios, die diesen Film produziert haben, ihre Komponisten Herman Stein und Irving Gertz eingespannt haben, die für viele der genannten Filme und einige weitere Klassiker des Kreaturen-Horrors ("The Thing That Couldn't Die" – 1958; Das Geheimnis des steinernen Monsters – 1957; Das todbringende Ungeheuer – 1957) die Musik geliefert haben. Sie haben ihren Stil und schließt man kurz die Augen, könnte über die weite, weich gewellte Hügellandschaft auch gleich eine gigantische Vogelspinne gekrabbelt kommen.

Tatsächlich kommt ein für Menschen viel gefährlicheres Wesen in die kleine Stadt Lordsburg – eine Art Schwarzer Spiegel für einen Großteil der Bevölkerung. Ihr schlechtes Gewissen. Der Mann ist bekannt als bezahlter Killer, der seine Aufträge immer zur Zufriedenheit des jeweils gut zahlenden Auftraggebers ausführt. Tagelang bleiben die aufgescheuchten Geschäftsleute der Stadt im Unklaren darüber, wen dieser Fremde denn nun umbringen will, einer ist so verzweifelt, dass er sich in Panik vor seinem gewaltsamen Tod selbst erschießt. Nach und nach werden die Wortführer in der Stadt nervöser, belauern sich gegenseitig, weil sie glauben, einer der anderen habe den Fremden auf sie selbst gehetzt. Also überfallen sie sich gegenseitig, weil sie sich größere Chancen gegen ihresgleichen als gegen den Revolvermann ausrechnen. Ohne, dass der Fremde, der im Saloon sitzt und seinen Kaffee genießt, einen gewaltsamen Finger gekrümmt hätte, wird die Luft in der einst friedlichen Stadt – die augenscheinlich unter der gepflegten Decke so friedlich eben gar nicht war – bleihaltiger. Immer noch sitzt der Fremde friedlich im Saloon, aber jetzt will eine Bürgerwehr, die auf Recht und Gesetz pocht, den fremden Unruhestifter mit Gewalt aus der Stadt treiben.

Jack Arnolds Western ist eine durchtriebene Metapher auf die Angst vor dem Fremden, in dem wir glauben, das Böse zu erkennen. Und wie selbst in seinen Monsterfilmen sind es die Menschen selbst, die Böses tun und das Monster darüber heraufbeschwören – eine Riesentarantel durch wahnsinnige Wissenschaft (die Gutes will und das Monster schafft), ein neugieriger Kiemenmensch, der sich gegen aufdringliche Wissenschaftler zu Wehr setzt. Plakatmotiv (US): No Name on the Bullet (1959) Ein Mann in der Stadt sieht die Sache zumindest ein bisschen gelassener. Der Arzt Luke Canfield – und auch das passt in Jack Arnolds Welt, in der die Staatsmacht aus freundlichen älteren Herren mit Sheriffstern besteht, die Situation aber von beherzten Wissenschaftlern und ihren Assistentinnen gerettet werden muss. Dr. Canfield sucht das Gespräch mit dem Fremden, der ihn rasch in philosophische Verlegenheit diskutiert.

Arnold inszeniert den Fremden als entschlossenen Mann, der seine Art des Gelderwerbs nicht leugnet, aber anders betrachtet, als der Arzt, der schon aus Berufsehre Leben retten will. „Die gefährlichsten und bösartigsten Krankheiten sind für mich in den wenigsten Fällen physischer Art“, sagt also der Fremde. „Und mit diesen habe ich bestimmt mehr Erfahrung.“ Er suggeriert, dass er im Grunde nur eine andere Art von Mediziner sei, der eine Krankheit mit einer Kugel aus der Gesellschaft entfernt. Der Mann, der das Gesetz da in die eigene Hand nimmt, hat einen klaren Gewissenskompass: „Mein Preis ist hoch. Die Menschen, für die ich arbeite, investieren sehr viel. Es gibt wenige Männer, denen der Tod eines Unschuldigen so viel Wert ist.“ „Wollen Sie damit sagen, dass die Menschen, die sie erschossen haben, den Tod verdienten?“ „Sagen wir, die meisten von ihnen. (…) Nehmen Sie zwei Männer. sie haben geraubt und betrogen und wurden niemals bestraft. Ein Mann, der von einem der beiden ausgeraubt wurde, kommt zu mir und sagt, erschieß den Mann, er hat mich beraubt. Und ich tu's. Der andere Mann wird krank und wäre verloren. Aber ein Arzt kommt und macht ihn wieder gesund, um weiter zu rauben und zu lügen. Wer ist der Schurke in diesem Stück? Der Mörder oder der Arzt?“ Entsprechend dieser speziellen Form vorausschauender Selbstverteidigung erledigt der Mann seine Jobs nie mit Mord; er provoziert sein Opfer so lange, bis es zuerst zieht. Der Fremde schießt dann in Notwehr, gesetzeskonform. Es ist die perfide Logik der Selbstjustiz, die der Fremde mit großer Selbstsicherheit vertritt: Nicht lange fackeln! Draufschlagen! Das spiegelt die Verhaltensweisen der Kriegstreiber im Kalten Krieg auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs.

"No Name on the Bullet" sucht nicht die einfache Lösung in einem großspurigen Showdown. Er schickt seine Zuschauer mit einigem Unbehagen aus dem Kino. Der Fremde handelt nicht nach den Buchstaben des Gesetzes. Die Gesellschaft in der kleinen Stadt aber auch nicht, als sie ihn erst aus der Stadt werfen und, als das nicht klappt, lynchen möchte. Für die braven Bürger der Stadt ist die Selbstjustiz offenbar so lange ein strafbewehrtes Delikt, bis sie sie für sich selbst in Anspruch nimmt.

Als der Fremde seinen Auftrag schließlich – wenn auch nur indirekt – erledigt hat, hat er keinen davongekommenen Mörder bestraft, aber einen gewaltigen Wahlbetrug. Einerseits ist das vor der Gesellschaft nicht zu rechtfertigen. Andererseits kam der Mordauftrag vom durch Trickserei ins Amt gekommene Gouverneur, der eben diese Gesellschaft repräsentieren soll.

Für den Fremden findet Jack Arnold ein salomonisches Urteil, mit dem er ihn aus seinem großartigen Film entlässt.

Wertung: 7 von 7 D-Mark
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