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Plakatmotiv: Das siebente Siegel (1957)

Ingmar Bergmann
entzaubert den Tod

Titel Das siebente Siegel
(Det sjunde inseglet)
Drehbuch Ingmar Bergman
Regie Ingmar Bergman, Schweden 1957
Darsteller

Max von Sydow, Bengt Ekerot, Nils Poppe, Gunnar Björnstrand, Bibi Andersson, Åke Fridell, Inga Gill, Erik Strandmark, Inga Landgré, Gunnel Lindblom, Bertil Anderberg, Maud Hansson, Anders Ek, Gunnar Olsson u.a.

Genre Drama
Filmlänge 96 Minuten
Deutschlandstart
14. Februar 1962
Inhalt

Der Ritter Antonius Block kehrt mit seinem treuen Knappen Jöns nach einem zehnjährigen Kreuzzug vollkommen desillusioniert in seine Heimat zurück. Wie kann er noch an Gott glauben, wenn dieser kein Zeichen seiner Existenz gibt und die Menschheit, die unter der Pest leidet und sich in endlosen Kriegen selbst dezimiert, so allein lässt?

Da taucht der personifizierte Tod auf, um ihn zu holen. Doch Block will wenigstens noch eine gute Tat in seinem Leben verbringen, etwas, das ihm beweisen soll, dass die menschliche Existenz einen Sinn hat. Für die Dauer einer Schachpartie gewährt der Tod ihm eine Gnadenfrist. In deren Verlauf versucht Block, sein Leben zu retten und den Glauben an Gott zu finden …

Was zu sagen wäre

Die Suche nach Gott beginnt, wenn es unerträglich wird. Er hat Männer, die die Anbetung zu einem blutleeren Ritual hatten verkommen lassen, auf grausame Kreuzzüge geschickt, auf dass ihnen Gott wieder als jene allmächtige Entität erscheine. Aber was die Kreuzzügler fanden, waren Tod und Teufel. Und als Antonius Block, der Ritter, nach zehn Jahren aus diesen Kreuzzügen zurückkehrt, hat er nicht den Glauben an Gott, aber Gott verloren. Und er findet seine Heimat vom Schwarzen Tod verwüstet vor.

Dies ist ein Film über einen Mann, dessen Zweifel an Gott übermächtig werden, als er sieht, dass die Welt, die er kennt, in Trümmern, Blut und Pestillenz versinkt. Und wo ist Gott? Der geht nicht ans Telefon. Und der Tod? Welche Antworten hat der? Der Tod sagt, er wisse nicht, warum es ihn gebe, er sei „ein Unwissender“.

Ritter Antonius Block verliert seinen Glauben, den er nie hinterfragte, sondern einfach hinnahm. Aber wenn es den Glauben nicht gibt, sind Leben und Tod für ihn bedeutungslos. Dieser Ritter hat nichts gemein mit den Kollegen aus den bunten Ritterfilmen der 50er Jahre, die aus Hollywood kamen, Ivanhoe (1952) etwa oder Die Ritter der Tafelrunde (1953) – keine bunten Rüstungen, keine edlen Burgfräuleins in edlem Gewand, keine Burgen und keine Turniere. Bergmann inszeniert ein langsames Roadmovie durch das pestverseuchte Schweden quer durch Trostlosigkeit und Elend. Leinwandbreit schwarz-weiße Dramatik und Düsternis. Zu Fuß, mit Pferd und Wagen zuckeln die Protagonisten durch ein Land, in dem der Tod regiert. Am Wegesrand liegen Tote, die niemand bestattet. Die Angst vor dem unsichtbaren Feind beherrscht eine Welt, „in der es vor Lumpen, Schurken und Mördern wimmelt“, so der Knappe Jöns, der angesichts des Elends gerne von Völlerei und Vielweiberei redet.

1957, als der Film in die Kinos kam, stand Europa noch unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges und dem aufgekommenen Kalten Krieg mit der Angst vor atomarer Verwüstung durch die Bombe. Bergman hat diese Weltuntergangsstimmung ins mittelalterliche Schweden verlegt; ein Gleichnis der allgegenwärtigen Atomangst.

Der Ritter Antonius verheddert sich in den Fallstricken zwischen Religion und Intellekt. Bergmann stellt dem Ritter einen Gegenpol zur Seite, seinen Knappen Jöns, für den kein Gott existiert und das Universum absurd ist. Jöns greift zu, schlägt zu, fragt nicht lange, zweifelt nicht. Plakatmotiv: Das siebente Siegel (1957) Aber so, wie der Ritter durch seinen Glauben begrenzt ist, hat Jöns seine Beschränkungen: Sein Zynismus hindert ihn, die Existenz von Dingen außerhalb der sichtbaren Welt wahrzunehmen.

Da rückt die Vorstellung von einem gütigen Gott in ganz weite Ferne. Die Menschen, die in Antonius Bocks Umgebung überleben, tun dies, weil sie sich gegenseitig helfen, unterstützen – aber nicht, weil Gott im richtigen Moment einen Baum gefällt, einen Graben überflutet, oder eine Feuerwand errichtet hätte, um die Schergen zu bremsen.

Bergmanns Mysterienspiel ist eine kalte Abrechnung mit der Religion: Die Pest wütet. Aber anstatt zu helfen, reiben sich selbsternannte Mönche, Prediger und Kirchenobere die Hände über den Zulauf der Ängstlichen, die es in Angst zu halten gilt, damit die Taler im Klingelbeutel klimpern. Sie ziehen als Flagellanten durchs Land, peitschen sich und andere und behaupten, das werde Gott und den schwarzen Tod besänftigen, und alle erstarren in Ehrfurcht vor der höheren Macht. Die indes immer nur Behauptung bleibt.

Die einzige sichtbare übermenschliche Realität in Bergmanns Film ist der Tod, der sich stets beizeiten offenbart, nämlich dann, wenn er seinen jüngsten Gast abholt. Der aus den Kreuzzügen desillusioniert heimgekehrte Ritter erkennt am Ende, dass es Gott nicht gibt und wirft alles in die Waagschale, um wenigstens einer jungen Familie, die mit Vater, Mutter, Kind gemeinsam im Planwagen nicht zufällig an die heilige Familie erinnert, eine Chance auf das Leben zu ermöglichen.

Und die Moral von der Geschicht: Wenn es keinen Gott, keine Heilige Dreifaltigkeit und keinen Teufel gibt, dann ist der Tod nur ein normaler Gegner, den man zwar nicht besiegen, den man aber überlisten kann. Ingmar Bergmans Mysterienspiel ist ein kluger, vielschichtiger Film.

Wertung: 5 von 7 D-Mark
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