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Kinoplakat: Ich – Einfach unverbesserlich 3
Süße Minions, smarte Bilder
und die wahnsinnigen 80er
Titel Ich – Einfach unverbesserlich 3
(Despicable Me 3)
Drehbuch Cinco Paul + Ken Daurio
Regie Kyle Balda + Pierre Coffin + Eric Guillon, USA 2017
Stimmen

Steve Carell, Oliver Rohrbeck, Kristen Wiig, Martina Hill, Miranda Cosgrove, Marie Christin Morgenstern, Dana Gaier, Zalina Sanchez, Nev Scharell, Hannah Kunze, Steve Coogan, Thomas Danneberg, Trey Parker, Joko Winterscheidt, Andy Nyman, Julien Bam, Julie Andrews, Kerstin Sanders-Dornseif, Steve Coogan, Marco Rima u.a.

aufgeführt sind Sprecher der Original- sowie der deutschen Version

Genre Animation
Filmlänge 90 Minuten
Deutschlandstart
6. Juli 2017
Inhalt

Gru und Lucy versuchen Balthazar Bratt – einen ehemaligen Kinderstar einer in den 1980er Jahren erfolgreichen Fernsehsendung – aufzuhalten, einen riesigen rosafarbenen Diamanten zu stehlen.

Balthazar hasst die Welt und vor allem Hollywood dafür, dass seine Spielfilmserie „Bösewicht Bratt“ abgesetzt wurde. Daraufhin hat er sich einen finsteren Plan ausgedacht, der Hollywood, seinen Bossen, den eitlen Promis und den kleinkrämerischen Rechnungsprüfern ein für alle mal zeigen soll, wo der Hammer hängt! Gru und Lucy hätten Balthazar beinahe gehabt, aber dann hängt Gru am Ende nackt in einer rosa Kaugummiblase am Himmel zwischen den gläsernen Wolkenkratzern Manhattans – zwar mit Diamant, aber ohne Balthazar. Das kostet ihn und Lucy den Job bei der Anti-Verbrecher-Liga (AVL). Während also Agnes, die jüngste der drei Gru‘schen Ziehtöchter umgehend beginnt, ihre Stofftiere zu verkaufen, um Geld in die Kasse der arbeitslosen Eltern zu bekommen, klaut Balthazar auch noch den riesigen Diamanten. Das Leben kann so ungerecht sein. Aber es berietet auch unglaubliche Zufälle,

Gru findet sich mit seinem Zwillingsbruder Dru, dessen Existenz seine Mutter verheimlichen wollte, zusammen. Im Gegensatz zu Gru in früheren Zeiten und ihren Vorfahren ist Dru ein miserabler Schurke, dem es aber nicht an Geld mangelt. Nach einem Kennenlerntag kann Gru dessen Angebot, mit ihm zusammen einen letztes großes Ding zu drehen, trotz seines mittlerweile ja eigentlich gesetzestreuen Lebenswandels, nicht ausschlagen. Gemeinsam wollen sie Balthazar Bratt den Diamanten wieder entwenden. Gru allerdings verheimlicht seinem Bruder lieber mal, dass er den Diamanten benutzen will, um seinen und Lucys Job bei der AVL zurückzukriegen.

Gleichzeit haben sich die Minions von ihrem alten Herrn im Zorn verabschiedet; dessen gesetzestreue Arbeitslosigkeit missfällt den genialen Konstrukteuren total, also suchen sie einen neuen Crime Lord. Aber die wachsen halt nicht auf Bäumen und so landen die Minions im Hochsichdrheitsgefängnis. Was sie nicht beunruhigt: Binnen weniger Stunden haben sie die harten Kerle unter ihrer Kontrolle und hecken einen Plan aus …

Was zu sagen wäre

Warum noch mal haben genau die 80er Jahre geendet? War das nötig? Damals war doch alles besser – das Leben, die Musik, die Schulterpolster, die allgemeine Anything Goes-Stimmung, die sogar Frisuren erlaubte, die man VoKuHiLa (Vorne Kurz Hinten Lang) nannte, inklusive blanker Platte auf dem Schädel; alles möglich, deshalb war Balthazar Bratt ein Star. Aus heutiger Sicht mag der scheiße aussehen. Das ändert aber nichts daran, dass Bratt noch heute, im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert, der größte Schurke aller Zeiten ist. Seine Waffe: ein Umhäng-Keybord, auf dem er mit Michael Jacksons „Bad“, Nenas „99 Luftballions“, Van Halens „Jump“ oder a-ha's „Take on me“ sogar die schärfsten Agenten der AVL klein kriegt. Die gewinnen erst wieder Oberwasser, als sie mit Dire Straits‘ „Money for nothing“ antworten.

Der zweite Aufguss der „Despicable me“-Reihe ist, nachdem der erste Aufguss jene Betriebstemperatur erreichte, die das Original noch knapp verpasst hatte, eigentlich gefährlich überflüssig. Nochmal süße Kinder? Hatten die Minions nicht ihren eigenen Kinofilm längst? Wer will denn ernsthaft als Background jetzt nochmal Gru, Lucy und diese Agentenstory sehen? Niemand! Deshalb ist der Kniff mit Balthazar Bratt – jedenfalls aus Sicht des Gewinn-fixierten Hollywoodbetriebs – genial.

Spielzeugregal-Figuren für die Kleinen – Nena für die Eltern

„Despicable me 3“ bietet zuverlässig alles, was Kinder 90 Minuten lang bannt: drei Nebenfiguren in ihrem jeweiligen Alter, die lustigen Minions, die ungestraft all das machen, was ihnen die blöden Eltern daheim immer verbieten, ein veritables Einhorn (2017 die Killer-Application), ein buntes Oversize-Abenteuer, das sich nicht um physikalische Grenzen schert und jede Menge Family Values – wer in seinen Drehbüchern die Family Values beherrscht, steht in Hollywood vor lauter sperrangelweit geöffneten Türen von Produzentenbüros.

Bezahlen allerdings müssen die acht Euro für die Kinokarte zuzüglich Popcorn, Cola, Nachos (und Bier) die Mütter und Väter (deshalb das Bier) dieser Kinder – und die Eltern dieser (aktuellen) Kinder wurden in den 80er Jahren sozialisiert – zum Beispiel mit Michael Jackson, Van Halen, a-ha, Nena und Dire Straits. Die Autoren wildern bei ihrer Dramaturgie ein wenig bei Pixars Die Unglaublichen (2004) und bei Dreamworks‘ „Megamind“ (2010), erinnern aber auch daran, dass die 80er Jahre das letzte Jahrzehnt waren, in dem handmade Music so populär war, dass sie im Popwellen-Radio lief – also keine am Computer abgemischte Musik, sondern echte Hände, die über echte Gitarrenseiten klampften. Dieses „Echte“ und „Handgemachte“ ist die Killer-Application, mit denen die heutigen Mütter und Väter ihre geschmacklichen Verirrungen aus der Adoleszenz verbissen verteidigen. Und die Minions, jene in Latzhosen steckenden gelben Figuren, die an Tic Tacs erinnnern, geben ihnen recht.

Gelbe Tic-Tacs werden zum Sehnsuchts-Ideal der Erwachsenen

Ihre Kinder mögen in diesen Gelblingen lustige Typen erkennen. Die Eltern sehen in ihnen ihre Sehnsucht verkörpert: Diese Figuren mit den Schweißerbrillen machen einfach, worauf sie Bock haben – und das beherrschen sie perfekt. Warum basteln sie an Wunderwaffen wie Furzkanone oder Vergletscherungsbeamer? Naja, sie haben einfach Lust auf so einen Quatsch. Jetzt, wo Gru, ihr Boss, so gesetzestreu, vulgo: erwachsen, geworden ist und sich mit diskussionswürdigen Suppenrezepten seiner Kleinen auseinandersetzen muss – „Ich liebe die Kombination aus Gummibärchen und Fleisch!“; welche Eltern kennen das nicht? – langweilen sie sich, zeigen ihm ihr blankes Hinterteil und machen sich von dannen. Weil sie aber als Amöbenhafte, Einzellerartige Figuren komplett impulsgesteuert bleiben, landen sie da, wo impulsgesteuerte Wesen, die nicht weiter als bis zur nächsten Fußgängerampel denken, eben landen – in einer Castingshow, in der sie das Publikum mitreißen, aber dennoch verhaftet werden; eine der zynischsten Szenen dieses sehr lustigen Films.

Von der Handlung des eigentlichen Films haben sich die kleinen Gelben da längst emanzipiert. Seit sie mutmaßlich ihre eigenen Marketingverträge haben, sind sie in den „Despicable Me“-Filmen eher so etwas wie Gaststars, die das ansonsten (für Erwachsene) eher überraschungsarme Abenteuer auflockern sollen. Die Kinder nämlich beschäftigt derweil – weil Gru seinen Zwillingsbruder Dru kennenlernt – die pädagogisch durchaus wertvolle Kinderzimmerproblematik des Zusammenlebens mit so etwas wie einem Bruder, also die Frage, wen mag Papa lieber, wer ist Mamis Herzchen? Mit diesen Fragen haben ja die Eltern im Kinosaal (na gut, die meisten Eltern) abgeschlossen.

Der Rest ist dann purer Slapstick, der Laurel & Hardy, Buster Keaton und Harold Lloyd zitiert – nur in quitschbunt und laut statt Schwarz-Weiß und Stumm. Apropos laut: Das Intro zum Endgegner-Besieger-Song „Money for nothing“ hätte – also jedenfalls für Menschen, die in den 1980er Jahren sozialisiert wurden – durchaus ein paar Takte länger rocken dürfen in dieser heimlichen Hymne auf ein vergangenes Jahrzehnt.

Wertung: 6 von 8 €uro
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