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Plakatmotiv: Betty und ihre Schwestern (1994)

Ein literarischer Klassiker
als elegantes Wohlfühlkino

Titel Betty und ihre Schwestern
(Little Women)
Drehbuch Louisa May Alcott & Robin Swicord
Regie Gillian Armstrong, USA, Kanada 1994
Darsteller

Winona Ryder, Gabriel Byrne, Trini Alvarado, Samantha Mathis, Kirsten Dunst, Claire Danes, Susan Sarandon, Christian Bale, Eric Stoltz, John Neville, Mary Wickes, Florence Paterson, Robin Collins, Corrie Clark, Rebecca Toolan, Curt Willington, Billie Pleffer, Louella Pleffer, Janne Mortil, Sarah Strange, Anne Boyce, Michele Goodger, Marco Roy, A.J. Unger, Janie Woods-Morris, Patricia Leith, Christine Lippa, Kristina West, Nicole Babuick, Jenna Percy, Alan Robertson, mar Andersons, Cameron Sabine, Matthew Walker u.a.

Genre Drama, Biografie
Filmlänge 107 Minuten
Deutschlandstart
18. Mai 1995
Inhalt

Im amerikanischen Bürgerkrieg kämpft Vater March an der Front gegen die Südstaaten, Mutter March zu Hause in Concord, Massachusetts, gegen die Wirren des Erwachsenwerdens ihrer vier Töchter. Meg bereitet sich auf ihren Debütantinnenball vor; sie ist die Älteste, aber nicht immer die Vernünftigste. Die unbefangene Jo träumt von einer Karriere als Schriftstellerin und erfindet die wildesten Geschichten, die schüchterne Betty spielt gerne Klavier und zankt sich mit dem vorwitzigen Nesthäkchen Amy, die irgendwann mal einen reichen Mann heiraten möchte. Alles nicht so einfach in dieser Zeit und danach.
Glück und Leid, Liebe und Trauer, Hochzeit und Trennung – die Mädchen erleben alles. Und da ist noch der Nachbarsjunge aus reichem Hause: Laurie, ein Freund für alle Fälle – und vielleicht die große Liebe? Im Nordosten der USA werden die Schwestern erwachsen und reifen an ihren unterschiedlichen Erfahrungen …

Was zu sagen wäre

Wenn man die Leute in Hollywood ihre Arbeit machen lässt, also die Künstler – Regie, Drehbuch, Schauspiel –, dann kommen Filme in die Kinos, denen kann man sich im Kinosessel kaum erwehren. So gerne man dann KITSCH! rufen möchte, so empört weist man diesen Anwurf dann mit dem Ausdruck aufrechter Liebe zurück. "Betty und ihre Schwestern" ist so ein Film. Dass der im von Männern dominierten US-amerikanischen Filmgeschäft die Geschichte vom Erwachsenwerden vierer Schwestern erzählt, ursprünglich geschrieben von einer Frau, für die Leinwand adaptiert von einer Frau und auf dem Regiestuhl verfilmt von einer Frau, ist eine irgendwie augenzwinkernde, fette Fußnote.

"Little Women", wie das Stück im Original heißt, ist ein sure thing in Hollywood, eine sichere Bank. Louisa May Alcotts Roman, den sie 1868 veröffentlichte und der in der Folge zu einem der erfolgreichsten Jugendromane der englischsprachigen Literatur avancierte und in über dreißig Sprachen übersetzt wurde, ist schon sieben Mal für das Fernsehen und jetzt zum vierten Mal für die Kinoleinwand adaptiert worden. Das passiert ja nicht, weil Produzenten, Autoren und Verleiher gerade nichts anderes zu tun haben, sondern weil der zugrundeliegende Stoff gut ist, aus sich selbst heraus spricht.

Wir erleben vier giggelnde, charmante junge Damen Mitte des 19. Jahrhunderts an der US-Ostküste (was uns hier in Europa weniger sagt, als den US-Kinogängern, für die die Ostküste im Gegensatz zum Westen für bodenständige, konservative europäische Tradition steht), die erwachsen werden, und weil Louisa May Alcott mehr-oder-weniger-biografisch erzählt hat – zu dem "Little Women"-Kosmos zählen in ihrem Gesamtwerk noch die ebenso mehr-oder-weniger-biografischen Romane "Good Wives", "Little Men" und "Jo's Boys" – bekommen wir einen tiefen Einblick in das gesellschaftliche Leben in jener Zeit. Das darf man nicht verwechseln mit Jane Austens Gesellschaftsportraits, die in gehobenen britischen Kreisen und rund 70 Jahre früher spielen, und die auch gerne mit Erfolg verfilmt werden.

Den Frauen in den USA 70 Jahre nach Jane Austen ging es allerdings kaum besser: „„Mr. Davis sagt, es wäre ebenso sinnvoll, einer Frau eine Ausbildung zu ermöglichen, wie einer Kuh.“ Immer noch sind sie, sofern sie finanziell abgesichert leben wollen, von der Betrachtung der Männer abhängig: „Die einzige Hoffnung für Deine Familie ist, Margaret gut zu verheiraten“, sagt die alte Tante March, stößt dabei allerdings bei Marmee March, der Mutter der vier Töchter, auf Augenrollen. Während ihr Mann im Sezessionskrieg das Überleben übt, versucht sie, vier Töchter durch die Unbilden der Pubertät zu bringen, die vor 150 Jahren offenbar keine anderen waren als heute. Ihre, Mutters, Haltung ist: „Ich dulde nicht, dass meine Mädchen sich wegen Jungs albern aufführen!Plakatmotiv: Betty und ihre Schwestern (1994) Deswegen entwickeln drei dieser Töchter, während die vierte an Scharlach stirbt, ein sehr eigensinniges, ja, selbst bestimmtes Leben. Okay, die jüngste, Amy, die sich in der Malerei verwirklichen will, versteht unter "selbstbestimmt" vor allem eben diesen wohlhabenden Mann, der sie absichert. Meg, die älteste, fand immer schon Bildung und Anstand super und wird mit einem vergleichsweise mittellosen Lehrer glücklich: „Also, mir ist lieber, Meg heiratet aus Liebe und wird die Frau eines armen Mannes“, sagt Marmee March, „als sie heiratet für Geld und verliert ihre Selbstachtung.“ „Dann stört's Dich nicht, dass John arm ist?“ „Nein! Aber mir wäre lieber, er hätte ein Haus.

Und Jo, die im Zentrum der Erzählung steht, weil sie das Alter Ego von Louisa May Alcott ist? Ist hinreißend! Winona Ryder spielt sie (Reality Bites – Voll das Leben – 1994; Das Geisterhaus – 1993; Zeit der Unschuld – 1993; Bram Stokers Dracula – 1992; "Night on Earth" – 1991; Meerjungfrauen küssen besser – 1990; Edward mit den Scherenhänden – 1990; Great Balls of Fire – 1989; Beetlejuice – 1988). Ihre Jo ist ein kreativer Vulkan. Dauernd spuckt sie neue Geschichten aus, fabuliert von Musketieren, Vampiren und Prinzessinnen, während in ihren braunen Augen, die Regisseurin Gillian Armstrong immer wieder in Großaufnahmen feiert, die Sehnsucht nach der Anerkennung für ihre Arbeit glüht. Die lässt allerdings, während wir im Kinosessel auf eine nachvollziehbare Odyssee zwischen den in Frage kommenden Galans, die die junge Schönheit ehelichen wollen, geschickt werden, auf sich warten.

Am Ende macht das Rennen jener deutsche Professor, der Jo schon in der Buchvorlage sehr nahe gelegt hat, lieber über ihr eigenes Leben zu schreiben, als über Blutsauger und Königsgarden, die nur aus Klischees bestehen. Dass es dann Gabriel Byrne in dieser Rolle sein musste, ist hinderlich. Byrne ist in vielen Rollen der Richtige ("Codename – Nina" – 1993; "Cool World" – 1992; Miller's Crossing – 1990; "Siesta" – 1987; Excalibur – 1981). Hier nicht. Zu steif. Zu What-the-fuck-You-want?

Kein Film funktioniert, wenn die Möbel nicht stimmen. Hier stimmt, unter der Prämisse, dass der Redakteur dieser Seiten kein Architekturstudium vollendet hat, soweit alles. Regisseurin Gillian Armstrong hat die Welt von vor 140 Jahren glaubhaft zusammengestellt. Ebenso glaubhaft, wie die handelnden Personen. Da ist Christian Bale, den wir eben noch in Erinnerung haben aus Steven Spielbergs Das Reich der Sonne (1987) – aber da war er noch ein kleiner Junge. Jetzt spielt er Laurie, den erwachsenen, also interessanten Sohn aus dem vermögenden Nachbarhaus. Eine weitere Hollywood-Hoffnung, Kirsten Dunst ("Interview mit einem Vampir" – 1994; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990), spielt Amy, die gerne malen, aber auch einen reichen Mann heiraten möchte.

Der Film erlaubt diesen schon erwähnten Blick zurück in eine Zeit, in der Frauen nicht viel zu melden hatten, es sei denn, sie machten sich an allen männlichen Hindernissen vorbei, zur erfolgreichen Autorin.

Regisseurin Armstrong inszeniert den Buchklassiker als sensibles Coming-of-Age-Drama. Die Geschichte der vier heranwachsenden Töchter aus einer Kleinstadt Freundschaft, Liebe, Tod und viele Alltagssorgen erleben und durchstehen, beschwört die Kraft der Familienbande und weiblichen Unabhängigkeit.
Ein bemerkenswerter Ausstattungsfilm mit beeindruckenden Schauspielleistungen, 1995 für drei Oscars nominiert (Beste Hauptdarstellerin: Winona Ryder, Bestes Kostümdesign: Colleen Atwood, Beste Musik: Thomas Newman) und mit nationalen wie internationalen Preisen ausgezeichnet.

Wertung: 9 von 10 D-Mark
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