Um noch vor dem Schiller-Gymnasium zum Aushängeschild des Bundesbildungsministeriums zu werden, entwickelt Direktorin Gerster den verwegenen Plan, dass eine Klasse der Goethe Schule nach Thailand fährt, um vor Ort deren Partnerschule abzuwerben. Und wer wäre für diesen Job besser geeignet, als Herr Müller und Frau Schnabelstedt, die ihre pädagogischen Fähigkeiten bei den Problemkindern der Schule bereits mehr als eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben?
Doch nicht genug dass Danger, Chantal und die anderen Chaoten der Schule im fernen Asien erst richtig die Sau raus lassen, zu allem Überfluss steckt Zeki, zwischen Beziehungsproblemchen und dem Leistungsdruck seines neuen Jobs, mitten in einer Sinnkrise. Für die versnobten Schüler der Konkurrenzschule unter Führung des Vorzeigepädagogen Wölki scheint gerade jetzt die Gelegenheit günstig, um Zeki und Lisi und ihre gesamte Klasse zu diskreditieren …
Also jetzt mal ehrlich: Brauchen wir noch einen Film, der uns Dummheit als den wahren Charme verkauft? Einen Film, der uns weiß macht, dass mangelnde Muttersprach-Kenntnisse und die Vorstellung „Ich-muss-nicht-studieren-super-jetzt-mache-ich-richtig-Karriere-bei-Jutjup“ ausreichen, um das Leben zu meistern? Einen Film, der alle sozial engagierten Gruppen als egomanische, menschenverachtende Typen diskreditiert, die über KIN-DER-AR-BEIT gehen? Natürlich nicht. Das hat Tom Gerhardt in den 1990er Jahren mit Voll Normaaal oder Ballerman 6 eindrucksvoll ausgereizt.
Aber so einfach ist die Sache natürlich nicht. Es bleibt dabei: Wer in diesen Film geht, der guckt sich kein Kino-Kunstwerk an; der will sich aber wohl auch kein Kino-Kunstwerk ansehen. Die einen wollen Elyas M'Bareks entblösten tätowierten Body unter tropischer Sonne lachen sehen, andere wollen die strunzdoofe Chantal als Beweis dafür erleben, dass sie selbst doch nicht die dümmsten Menschen auf der Welt sind, wieder andere finden Jella Haase atemberaubend gut als jene Chantal. Viele lassen sich wahrscheinlich auch von dem Boah-Ey-Super-Ey-Humor blenden. Die allermeisten aber – und das darf man bei weit mehr als 7,6 Millionen zahlenden Besuchern innerhalb von drei Monaten mal voraussetzen – hatten Lust auf einen charmanten Elyas M'Barek und eine Geschichte, die Chancen feiert, anstatt immer nur zu sagen, Alles ist Mist, das deutsche Bildungssystem steckt in einer Sackgasse.
Vielleicht, und das Gegenteil ist ja nicht bewiesen, steckt genau in dem kleinkriminellen Typen namens Herr Müller ja der Lösungsansatz gegen die grassierende Bildungsferne in Deutschland. Und vielleicht wissen die 7,6 Millionen zahlenden Zuschauer auch, dass dies die Lösung im Alltag nicht ist, aber dann werden sie doch wenigstens noch träumen dürfen – Star Wars schaut sich auch (fast) niemand an, weil er die Unterdrückung der Sandleute beklagt, sondern weil er seine Hoffnung auf eine bessere Welt in Bildern gerahmt sehen möchte. Jedenfalls: Dass die praktizierte Bildungspolitik den Hering nicht vom Teller zieht, scheint Konsens in der mit Bildung befassten, von Bildung betroffenen Gesellschaft.
Das ist Ihnen zu viel Meta-Ebene? Mag sein. Wenn ich länger darüber nachdenke, wie ich diesen Film bewerten soll, der mir vor allem Spaß gemacht hat (ohne filmkünstlerisch irgendwie herauszuragen), dann stolpere ich in der Tat über die Schwarz-Weiß-Malerei. Der Kriminelle ist der Beste Pädagoge, der Blöde ist der eigentliche Held, die Sozial Engagierten sind raffgierige Spinner. Ich könnte es mir jetzt ganz einfach machen und sagen: Ja und? Das Gegenteil mit hochbezahlten Bankern, intellektuellen Bescheidwissern und einflussreichen Alternativlosen geht ja gerade nicht so recht voran – Sackgasse? Aber ich kann auch – eben auf dieser Meta-Ebene – die Figuren als Codes entschlüsseln; und dann hat dieser augenscheinlich flache Film ganz viele Zwischentöne.
Eltern trinken, statt sich um ihre Kinder zu kümmern? Eltern parken die Brut vor der Playstation, statt sich um sie zu kümmern? Teenager im Jahr 2015 müssen Faust-Verse interpretieren, die nur mit ganz viel Mühe (und bei diesem Thema gibt sich der Film wirklich sehr charmante Mühe) irgendwas mit ihrem Alltag zu tun haben? Gibt es alles. Wird regelmäßig im deutschen Spielfilm thematisiert – Montag, 20.15 im ZDF, Mittwoch, 20.15 im Ersten. Das sehen ein paar Millionen und haben es im Suff am nächsten Tag vergessen. Das mag bei "Fack Ju Göhte 2" auch so sein – aber da haben sich die Zuschauer wenigstens gut unterhalten. Huch: Und sie benutzen dazu sogar Witze … flache Witze!
Witzig, hintergründig, platt. Und charmant. *najaunddasssozialarbeitermitkindernnichtimmersoumgehenwiewirunsdaswünschenistjaaucheingessellschaftlichrelevantesthema*
Die Schüler der Goethe Gesamtschule im Kino
- Fack ju Göhte (2013)
- Fack ju Göhte 2 (2015)
- Fack ju Göhte 3 (2017)
- Chantal im Märchenland (2024)