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Plakatmotiv: Der letzte Wagen (1956)

In atemberaubender Natur behandelt der
Film existenzielle Fragen der Menschheit

Titel Der letzte Wagen
(The last Wagon)
Drehbuch James Edward Grant & Delmer Daves & Gwen Bagni
Regie Delmer Daves, USA 1956
Darsteller

Richard Widmark, Felicia Farr, Susan Kohner, Tommy Rettig, Stephanie Griffin, Ray Stricklyn, Nick Adams, Carl Benton Reid, Douglas Kennedy, George Mathews, James Drury, Ken Clark, John Barton, John Bose, Timothy Carey, Gene Coogan, Juney Ellis, Abel Fernandez u.a.

Genre Western
Filmlänge 98 Minuten
Deutschlandstart
16. November 1956
Inhalt

Arizona, 1873: Todd, ein Weißer, ist bei den Comanchen aufgewachsen. Auf Rachefeldzug erschießt er kaltblütig drei Brüdern des Sheriffs. Todd wird gefangen genommen, in Ketten gelegt und in einem Planwagen mit einer Kolonne zurück in den Osten geschickt.

Doch die Planwagen werden von den Apachen angegriffen. Nur eine Handvoll Kinder, Frauen und er selbst überleben den Überfall. Obwohl die Hinterbliebenen gegenüber Todd zunächst feindlich gesinnt sind, sehen sie sich gezwungen, ihm zu folgen. Denn nur er kennt sich in dieser gefährlichen Region aus. Sie befreien ihn aus seinen Ketten. Todd verbietet ihnen ihre Toten zu begraben, da das die Aufmerksamkeit der Apachen auf sich ziehen könnte. Nur widerwillig gehen die Kinder der Forderung nach und folgen ihm.

Bei ihrem Marsch durch den "Canyon des Todes" bewahrt Todd sie nicht nur vor weiteren Angriffen der Apachen, sondern rettet auch das Mädchen Valinda vor den tödlichen Folgen eines Schlangenbisses. Nach und nach wächst das Vertrauen gegenüber Todd, doch er ist immer noch ein gesuchter Mann, der drei Morde begangen hat …

Was zu sagen wäre

Ein Film über die Freiheit Amerikas, was sie bedeutet  und wo sie endet. Gleich in der ersten Szene erschießt an einem idyllischen Bergflüsschen ein Mann mit seinem Gewehr einen anderen Mann, der nichts ahnend sein Pferd an eben diesem Flüsschen tränken will. Ein klarer Mord, für den der Mann wenige Minuten später vom Sheriff verhaftet wird. Aber der Mann wird gespielt von Richard Widmark (Der Garten des Bösen – 1954; Okinawa – 1951). Trauen wir diesem Mann einen kaltblütigen Mord zu? Eher nicht. und Delmer Daves weiß unsere Erwartung für sich zu nutzen, weiß unsere Sympathie durchgängig bei dem vermeintlichen Killer im Lederwams mit Fransen, ohne dass der sich groß erklären müsste. Unangenehm, zweifelhaft sind die anderen, die mit ihren geordneten Planwagen, ihren sauberen Kleidchen und ihren kleinen Eifersüchteleien aus dem Osten kommen.

Daves' Geschichte spielt in der zerklüfteten, kargen Felslandschaft Arizonas im atemberaubenden Panorama des Colorado Plateaus, von dem die Augen nicht lassen wollen. Die Natur erstrahlt in Orange, Gelb, Braun, Grün, Rot und Blau. Es ist ein Sehnsuchtsort. In deren Zentrum steht Todd, der mutmaßliche Mörder im Fransenlook, ein Mann aus der Wildnis, der 20 Jahre bei den Comanchen gelebt hat, draußen in Wigwams. Er trifft auf einen Siedlertreck, von dem bald nur noch eine Handvoll junger Frauen und ein paar kaum erwachsene Jungs übrig sind. Plakatmotiv (US): The last Wagon (1956) Es sind brave, von der Zivilisation genormte Menschen, die nach Gesetzen leben, die von einem Sheriff verteidigt werden und nach einem Recht, das von einem Richter überwacht und gesprochen wird. Aber was heißt das hier draußen? Wo es keinen Sheriff und keinen Richter gibt. Wo Weiße eine Indianerin und deren zwei Söhne zu Tode foltern? Wird schon einen Grund gegeben haben. Die Indianer sind doch auf dem Kriegspfad gegen die Weißen.

Es ist nicht so klar mit Recht und Gesetz hier draußen. Das müssen die halbwüchsigen Frauen und Männer aus dem Osten in harter Lektion lernen. Gleichzeitig macht sie frei, diese Freiheit, die "The last Wagon" feiert, während er in diesen Landschaften badet und das Leben in freier Natur besingt, das dem in der Zivilisation, wo man „in Häusern lebt, deren Fußboden knarrt“, wo „die Fenster klappern, dass man nicht schlafen kann“ immer vorzuziehen ist: „Da stürzen tausend Wasserfälle von den Spitzen der Berge und machen Musik“, schwärmt Todd der schönen Witwe Jenny vor. „Und wenn das Gras wild wird, dann singt es im Wind das Lied der Prairie.“ „Ja, das muss wunderbar sein, aber …“ „Es gibt Wigwams, die sind schöner als jedes Haus. Und über dem Eingang hängen Glocken, die leise im Nachtwind läuten.“ Dazu seufzen aus dem Off Violinen sehnsuchtsvoll ihre Weisen, damit wir gar nicht erst auf den Gedanken kommen, wieso einen im Nachtwind klingende Glocken weniger wach halten sollen als klappernde Fenster bei Nacht. Aber Jenny hält noch an ihrem Traum mit dem ihr unbekannten Mann in der Stadt im fernen Westen fest, der ihr und Sohn Billy ein neues Zuhause verspricht: „Billy soll doch in die Schule gehen.“ „Er lernt von der Natur mehr als aus Büchern. Und schönere Dinge. Die Bedeutung der Jahreszeiten. Der Sonne. Des Mondes. Der Freundschaft. Der Unendlichkeit.“ Das unterscheidet die im Westen von denen im Osten.

Die Filmstudios im Westen haben immer mit Misstrauen auf die Menschen zurückgeschaut, die im Osten geblieben sind, wo die Bankiers und Geldgeber für die Projekte der Studios im Westen sitzen. Diese Rivalität ist in vielen der großen Western mit Händen zu greifen. Die im Osten können zwar komplizierte Texte schreiben und sogar Rechenaufgaben lösen, haben aber keine Ahnung vom wahren Leben, davon, wie man ein Pferd zureitet, wie man einen Schlangenbiss kuriert. Das lernt man nur unter freiem Himmel. Und auch die Menschen hier sorgen für Recht und Gesetz – auf ihre Weise. Der Film feiert diese Freiheit. In den wild zerklüfteten Landschaften befriedigt Delmer Daves ("Der einsame Adler" – 1954; Der gebrochene Pfeil – 1950; Die schwarze Natter – 1947; "Pride of the Marines" – 1945) den Freiheitsdrang der amerikanischen Gesellschaft zehn Jahre nach dem Weltkrieg, während sich das Land noch vom Koreakrieg erholt, der gerade drei Jahre zurückliegt, befriedigt die Sehnsucht nach klaren Regeln und Männern, die für sie einstehen.

Was macht es da, dass dieser Comanchen Todd eine Indianerin geheiratet hat, die erst 15 Jahre alt war? „Das ist sehr jung“, sagt die Witwe. „Je früher man Ponys und Mädchen zähmt, desto besser. Später werden sie leicht wild.“ Der Mann ist halt bei Comanchen, vulgo: Indianern aufgewachsen. Und die Indianer haben in diesem Westerndrama den Part der Schurken, genauer: die Apachen haben den, denen sogar die Comanchen grausamste Tötungsarten vorwerfen. Visuell bleiben die Ureinwohner Amerikas aber lediglich Beiwerk. Ein paar Übereifrige werden niedergerungen, die große Versammlung aller Apachen aber bleibt lediglich eine stete Drohung gegen die Passage durch den "Canyon des Todes" – wahrscheinlich, um eine Bedrohung der Hauptfiguren zu haben, deren von unterschiedlichen Moralvorstellungen und Vorurteilen geprägter Streit sich im Laufe des Films durch gegenseitiges Kennenlernen erledigt.

In einem leidenschaftlichen Schlussplädoyer, mit dem der Film im Finale hart an der Grenze zum Schmalz entlang glitscht, machen Todd, Jenny und die übrigen mittlerweile ebenfalls überzeugten Halbwüchsigen dem Richter, vor dem der mutmaßliche Mörder Todd letztlich gelandet ist, klar, dass Todd mit seinen Morden dem Gesetz und dem Recht genauso genüge getan hat, wie die Justiz, die einen überführten Mörder im Gerichtssaal nach den Buchstaben des Gesetzes zum Tode verurteilt. Todd hat es halt auf seine Weise gemacht. Hier draußen in der wilden Freiheit.

Delmer Daves behandelt große Gesellschaftsfragen in großen Bildern einer noch viel größeren Szenerie.

Wertung: 6 von 7 D-Mark
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