Europa – oder was davon noch übrig ist – etwa eintausend Jahre nach dem 60-Minuten-Krieg, der alles zerstört hat: die Ressourcen sind knapp und gefragt, so sehr wie Old Tech, Technologie aus der Zeit vor dem 60-Minuten-Krieg. Wer Rohstoffe oder Old Tech besitzt, läuft Gefahr getötet zu werden. Wer sie nicht hat, tötet. Wer sie hat, rüstet also hoch. Die am höchsten Gerüsteten sind ehemalige Städte, die zu auf Panzerketten das Land zerpflügenden Burgen hochgerüstet wurden. Die mächtigste dieser Städte ist London.
Solche Raubstädte jagen und zerlegen kleinere Städte und Handelsposten, um sich die wertvollen Rohstoffe zu eigen zu machen. Doch dieses auf einer Ideologie namens "Städtedarwinismus" basierende System gerät an seine Grenzen, da die riesige Stadt durch die immer seltener werdende Beute kurz vor dem eigenen Ende steht. Ein Ausweg könnten die Ressourcen einer in Asien gelegenen Zivilisation fester Siedlungen sein. Diese sind als Anti-Traktionisten-Liga im Kampf gegen die Raubstädte vereint und durch eine große Mauer geschützt, an der bereits andere fahrende Städte gescheitert sind.
Der Archäologie-Lehrling Tom Natsworthy lebt auf London. Er verhindert den Mordanschlag der maskierten jungen Frau Hester Shaw am Leiter der Archäologengilde Thaddeus Valentine. Der verhinderten Mörderin gelingt die Flucht aus der Stadt, nicht ohne Tom den Grund für ihr Handeln anzudeuten. Daraufhin wird Tom von Thaddeus aus Angst vor diesem Wissen von Bord geworfen. Thaddeus hat Hestern Mutter ermordet, um an eine gewaltige Waffe zu gelangen.
Mit dieser Waffe steuert er London zum großen Wall, um diesen zu zerstören. Die anfängliche Zweckgemeinschaft Hester und Tom findet den Kontakt zu den Bewohnern hinter der Mauer und versucht, den Angriff abzuwehren, bei dem die militärischen Einsatzkräfte der Verteidiger bereits vernichtet wurden. Ein Deaktivierungscode für die zerstörerische Waffe, den Hester von ihrer sterbenden Mutter bekommen hat, soll die Raubstadt aufhalten. In einem Himmelfahrtskommando dringen sie in London ein …
Dass der Bürgermeister von London City es eine furchtbare Idee nennt, jemals nach Europa gekommen zu sein mit seiner Stadt, ist eine nette Spitze in diesen aufgewühlten Brexit-Zeiten (die Romanvorlage stammt aus dem jahr 2001, da war von Brexit noch nicht die Rede, aber mögen taten die Engländer die EU auch damals schon nicht – und das Drehbuch zum Film immerhin entstand zur besten Brexit-Zeit). Aber wenn wir schon im Realitäten-Vergleich stecken, sollten wir fragen: Wieso erzählen Dystopien immer vom Untergang unserer Zivilisation und davon, dass nur die fernöstliche Zivilisation Heil bringen kann? „Wie kann eine so fortschrittliche Gesellschaft so dumm sein?“ „Nicht dümmer als heute. Sie hatten nur schlimmere Waffen und viel komplizietere Bediensysteme.“
Rollende Raubstädte also – das ist so unendlich weit hergeholt, dass es erzählbar ist. Aber warum sollte man mit Städten den Bodenschätzen hinterfahren, wenn allein dieses Fahren so viel Energie verbrauchen würde, dass die Stadt in einer Welt ohne Rohstoffe keinen Kiometer weit käme? Und als dann die Technologie für effiziennte Energiegewinnung gefunden ist, freut sich Thaddeus Valentine nicht etwa für seine Heimatstadt, sondern nutzt sie, um eine große Waffe zur Welteroberung zu bauen. Da darf man nicht allzu viel nachfragen, sondern es einfach als das nehmen, was es ist: Überwältigungskino, in dem auch noch die Minions aus dem Trickfilm Ich, einfach unverbesserlich als „amerikanische Gottheiten“ im ehrwürdigen London Museum bestaunt werden. Peter Jackson, Herr der Ringe, hat produziert, hat mit seiner Frau Fran Walsh und Philippa Boyens das Drehbuch geschrieben und seinem alten Special-Effects-Meister Christian Rivers die Regie übergeben. Rivers zeigt, was er gelernt hat.




Als Schurke im Mittelpunkt steht kein königlicher Berater, kein Militär-Oberst. Der Schurke ist ein Archäologe, dessen Zunft in dieser fernen Zukunft weit oben in der Hierarchie steht, weil Archäologen die einzigen sind, die die wertvollen technischen Artefakte der Damaligen verstehen. Thaddeus Valentine, Chef-Archäologe Londons, hat unter der alten Technik seine Superwaffe gefunden und strebt nun nach der Weltherrschaft. Und weil der Film sich nicht in erster Linie an Erwachsene richtet, sondern an Teenager, geht es auch in „Mortal Engines“ darum, dass sehr junge Menschen die Erde vor solchen Finsterlingen schützen müssen und sich am besten auch gleich ineinander verlieben. Sie schließen sich eimner versprengten Rebellengruppe an, den Anti-Traktionisten, die außerhalb der Städte im kargen Ödland leben und darauf aus sind, die Städte zu zerstören, weil die „nicht nachhaltig arbeiten“.
Unsere Jugend geht gerade auf die Straße, streikt für Maßnahmen gegen den Klimawandel und schreibt Geschichten, die uns Alte echt Scheiße aussehen lassen. Das konnten die Produzenten des Films – schon gar nicht Philip Reeve (Jahrgang 1966), Autor der Romanvorlage – nicht unbedingt ahnen. Dennoch haben sie offenbar einen Nerv getroffen. Der lautet: Der Westen ist Scheiße und der Mensch als solcher ist im Grunde genommen auch Scheiße.
Die zentrale Herzensfigur ist eine Maschine mit leuchtend grünen Augen namens Shrike, die als wahnsinniger Killer eingeführt wird und als menschlicher-als-alle-Menschen (sprich: als Bettvorleger) landet. Und die Erfüllung finden die durch das Ödland marodierenden Menschen mit ihren Big-Cities im fernen Osten, wo die Menschen eindeutig asiatisch wirken. Klar: Auch Filme, die mit Geld aus Neuseeland und den USA produziert wordenb sind, brauchen asiatischen Markt.
Visueller Overkill, erzählerisch nicht übermäßig Überraschendes und am Ende ein veritables Todesstern-Finale. Okay. Aber gibt es zum Thema Der Mensch nochmal was Neues zu sagen – unabhängig von West-Ost-Klischees?