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Plakatmotiv: Birds of Prey – The Emancipation of Harley Quinn (2020)

Bunter Anarcho-Comic
mit Spaß und Freude

Titel Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn
(Birds of Prey: And the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn)
Drehbuch Christina Hodson
nach der DC-Comicreihe "Birds of Grey"
Regie Cathy Yan, USA, UK 2020
Darsteller

Margot Robbie, Rosie Perez, Mary Elizabeth Winstead, Jurnee Smollett-Bell, Ewan McGregor, Ella Jay Basco, Chris Messina, Ali Wong, David Ury, Sara Montez, Isabel Pakzad, Daniel Bernhardt, Kc Strubbe, Jacky Shu, Paloma Rabinov u.a.

Genre Comic-Verfilmung
Filmlänge 109 Minuten
Deutschlandstart
6. Februar 2020
Inhalt

Und ist die Liebe noch so groß – irgendwann ist Schluss. Diese Erfahrung hat Harley Quinn gerade gemacht: Ihr geliebter Joker hat sich von ihr getrennt – endgültig. Nach vielen Tagen der Trauer mit Käsebällchen und jeder Menge Whiskey beschließt sie, eigene Fußspuren in Gotham zu setzen.

Als erstes jagt sie Ace Chemical in die Luft, die Chemiefabrik, in der ihre Liebe zu Joker ihren Anfang nahm. Ihr Pech: Sie hat den Anschlag nicht zu Ende gedacht; jetzt weiß ganz Gotham, dass Harley Quinn nicht mehr Jokers Schützling ist und prompt ist die gesamte Unterwelt der Stadt hinter ihr her. Viele haben eine Rechnung mit ihr offen, andere wollen nur ihr München kühlen.

Über die Nachtclubsängerin Dinah Lance, die Harley aus einer Bredouille raushaut, gerät sie dem mächtigen Unterweltboss Roman Sionis in die Quere. Der ist gerade dabei, konkurrierende Clans aus dem Verkehr schießen – und schneiden – zu lassen, um die volle Kontrolle über die Unterwelt zu bekommen. Dazu braucht er aber einen bestimmten Diamanten, in den sämtliche Kontodaten, Passwörter und was sonst noch wichtig ist, um an Geld, Waffen und gekaufte Cops zu kommen, eingearbeitet sind und der der ehemals mächtigen – jetzt ausgelöschten – Mafiafamilie Bertinelli gehört hat. Dieser Diamant hat  über Umwege einen Platz im Verdauungstrakt des Waisenmädchens Cassandra Cain gefunden, die gerade wegen mehrfachen Taschendiebstahls im Gefängnis des Gotham City Police Departements sitzt.

Harley Quinn ist unterdessen Roman Sionis derart störend in die Quere gekommen, das der sie gerade töten lassen will, sie ihm in letzter Sekunde versichert, ihm, Sionis, den Diamanten besorgen zu können – bis Mitternacht sollte das zu schaffen sein. Binnen weniger Stunden ist die halbe Unterwelt ebenfalls hinter Cassandra Cain und dem Diamanten her, ist die Polizistin Renee Montoya, die augenscheinlich die einzige im GCPD ist, die nicht geschmiert wurde, einem heißen Fall auf der Spur, taucht eine geheimnisvolle Rächerin mit Armbrust in der Stadt auf, die Unterweltgrößen umbringt und erweist sich Cassandra Cain als hartes Früchten, das nicht nur einen Diamant im Magen-Darm-Trakt hat, sondern Harley Quinn auch mit allerlei Tricks und Kniffen erst auf den Nerv und bald zur Hand geht …

Was zu sagen wäre

Seit dem Wonder Woman-Schock 2017 tut sich was in der Kinocomicwelt. Das Studio Warner Bros. lernte damals, dass auch Frauen das bis dato durch Jungs geprägte Genre der Comicverfilmung beherrschen, Wonder Woman erwies sich als erster echter Hit im DC Extended Universe. Nachdem im Jahr zuvor die schrill zusammengewürfelte DC-Killertruppe Suicide Squad um den Joker noch blamabel gescheitert war, beschloss man nun, ganz auf Frauen Power zu setzen, was nicht zuletzt an Margot Robbie liegt, die nicht nur Harley Quinn mit viel Lust auf schrille Auftritte spielt, sondern auch produziert und Drehbuch und Regie in Frauenhände gab. Selten genug, dass für eine Comicverfilmung eine Autorin ausreicht, wo sich in der Besetzungsliste sonst ein ganzer Stab auflisten lässt.

Tatsächlich ist "Birds of Prey" der bessere Suicide Squad. Das liegt auch daran, dass Quinn die Story aus dem Off kommentiert, zurückblendet, in der Zeit wieder vorspringt und damit einen lustvoll anarchischen just-another-day-in-the-office-Ton in die 08/15-Unterweltkrieg-Geschichte bringt, die ansonsten mit einem raumgreifende Personaltableau aufwartet, dessen Handlungsberechtigung anders als mit Off-Kommentaren wohl kaum in den Griff zu bekommen wäre; bis Erzählerin Quinn irgendwann selbst sagt, dass das gerade schlecht erzählt ist, sie nochmal an den Anfang der Geschichte müsse – dann muss es der Zuschauer ja nicht mehr tun. Das erinnert an die Deadpool-Filme aus dem Marvel-Universum, die nihilistisch und zynisch nirgendwo hinführen außer zu sich selbst und dabei über die Metaebene sehr witzig werden – jedenfalls für Zuschauer, die sich in der Superheldencomic-Ecke ein wenig auskennen. Auch "Birds of Prey" führt nirgendwo hin.

In angenehm kurze nicht mal zwei Filmstunden packt Regisseurin Cathy Yan genug Stoff für eine ganze Netflix-Serie, der man dann nachsagen würde, sie sei schrill und bunt und abwechslungsreich, aber zu lang geraten. Yan fasst sich kurz und so wirkt ihr Film, wie fröhlich ineinander geschachtelte Episoden, die am Ende brav im notwendigen Shootout gipfeln, aber keinen kohärenten Film ergeben. Das war schon das Problem so mancher DC-Verfilmungen, die dann in zweieinhalb Stunden religiös anmutende Heldenverehrung versanken. Dagegen wirkt "Birds of Prey" in seinem anarchischen Furor und der grotesken Überzeichnung seiner Figuren geradezu bodenständig.

Die im Titel erwähnte Emanzipation der Harley Quinn findet nicht wirklich statt, es sei denn, wir erlauben es schon als Emanzipation zu bezeichnen, wenn sich eine Frau von ihrem Mann trennt. Im Film sind dann zwar alle Männer schlecht – als Unterweltboss, grausamer Folterknecht, Killer, korrupter Cop, doofer Captain etc. – und nur die Frauen zu was zu gebrauchen; das bedeutet aber lediglich, dass die Frauen besser prügeln können als die Männer. Wie im klassischen Comic der 1960er Jahre nehmen die Figuren keine Entwicklung und haben keinerlei Bezug zu unserer Realität im Kinosessel. "Birds of Prey" ist darin auch mit seinen Texteinblendungen der 60er-Jahre-TV-Serie BATMAN weit näher als dem Joker, der vor einigen Monaten erst in die Kinos kam.

Margot Robbie hat Spaß an Rollen, in denen nicht ihre natürliche Blondhaarschönheit zählt; das zeigte sich schon in Suicide Squad, mehr noch aber in I, Tonya (2017). Mit viel Lust an Karikatur und Charge tobt Robbie sich aus und wirkt sogar überzeugend, wenn ihre Figur selbst Muskelbergmänner mit zwei, drei Schlägen ausknipst. Das Schwierige an ihrer Rolle steckt in ihr selbst, die gleichzeitig Schurkin und Sympathieträgerin sein muss. Man kann es machen wie in Joker, aber dann will man einen anderen Film, ein Sozialdrama statt einer schrillen Komödie. Also ist Harley Quinn zwar irgendwie böse, aber eher so wie ein Teenager in seiner pubertären Rebellion. Statt ihrer gibt es dann noch einen echt üblen Schurken, Roman Sionis, den Ewan McGregor mit großem Spaß spielt. Mit ganzem Körpereinsatz gibt McGregor sich dieser Figur hin, wenn die etwa ihren Gegnern die Gesichter abschneiden lässt; der ehemalige edle Jedi-Meister lebt als Sionis eine mangelnde Wutkontrolle aus und tobt so oft „Fuck! Fickscheiße! Fuck!“, wie wohl seit seligen Trainspottig-Zeiten nicht mehr.

Die titelgebenden Birds of Prey werden ganz zum Schluss eingeführt und spielen vorher als Einzelcharaktere ihre Rollen in kleinen Origin-Episoden. Ob sich aus diesen drei Frauen, zu denen nicht Harley Quinn zählt, aber eine kleine Birds-of-Prey-Kinoserie bauen lässt, muss bezweifelt werden. Dass Harley Quinn noch einen Film bekommt, ist hingegen durchaus im Bereich des Möglichen. In ein paar Jahren haben wir sicher mal wieder Lust auf ein bisschen bunten Anarchocomic auf der Leinwand. Und wo Warner Bros. die Frauen, die sich zum Glück für die Jungs im Kinosaal dann doch nicht so schrecklich emanzipieren, sondern einfach nur ein bisschen Spaß haben wollen, doch gerade erst entdeckt hat.

Wertung: 3 von 8 €uro
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