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Plakatmotiv: Searching (2018)
Das visuelle Medium Kino bebildert
die neue menschliche Alltags-Sprache
Titel Searching
(Searching)
Drehbuch Aneesh Chaganty + Sev Ohanian
Regie Aneesh Chaganty, Russland, USA 2018
Darsteller

John Cho, Debra Messing, Michelle La, Sara Sohn, Alex Jayne Go, Megan Liu, Kya Dawn Lau, Joseph Lee, Dominic Hoffman, Sylvia Minassian, Melissa Disney, Connor McRaith, Colin Woodell, Joseph John Schirle, Ashley Edner u.a.

Genre Drama, Thriller, Mystery
Filmlänge 102 Minuten
Deutschlandstart
20. September 2018
Inhalt

David Kim hat ein gutes Verhältnis zu seiner 16-jährigen Tochter Margot, die noch zur Schule geht. Sie leben im Silicon Valley, 24/7-ist hier Routine, die beiden kommunizieren also viel über Laptops, sei es via Skype oder im Chat.

Aber dann ist Margot verschwunden. Sie hat eines Nachts noch dreimal versucht, Dad via Telofon und Facetime zu erreichen, aber dann ist sie weg, beim Rückruf am nächsten Morgen ist sie „für facetime nicht verfügbar“. Spurlos. Erste Nachforschungen ergeben, dass das Mädchen womöglich in die Berge zum Zelten gefahren ist, doch die Spur reicht dem Vater nicht. Er konsultiert die Polizei.

Der Fall wird Detective Rosemary Vick übertragen, die allerdings keine Hinweise entdecken kann. Als es nach 37 Stunden immer noch keine Spur von Margot gibt, geht David an den Laptop des Mädchens und sucht nach Hinweisen über ihren Verbleib.

Es stellt sich heraus, dass Margot seit sechs Monaten nicht mehr den Klavierunterricht besucht hat und das Geld an ein inzwischen gelöschten Venmo-Account überwiesen hat. David kontaktiert sämtliche Facebook-Freunde von Margot …

Was zu sagen wäre

Die Welt da draußen ist im Kino fortan nicht mehr das Universum hinterm Jupiter, nicht mehr die Steppe jenseits des letzten Wells-Fargo-Postens. Die Welt da draußen, das undiscovered Country ist das World Wide Web. Das klingt wie eine blöde Binse aus dem 2,99-Euro-Elternratgeber. Aber es ist so.

Klar: Es gab schon viele Filme, die mit der Sprechblasenoptik von Apple-Kommunikationswerkzeugen spielten, in denen weiche Textblasen in die Actionszene poppten, wenn Teens miteinander modern kommunizieren sollten. Das ist ein mal mehr, mal weniger gelungenes Gimmick moderner Filmsprache. Aber einen ganzen Film auf der großen Cinemascope-Leinwand über den Screen des heimischen PC oder iMac zu erzählen, das ist neu, erstmalig (soweit ich weiß). Früher gab es häufiger das filmische Experiment, einen trotz aller Beschränkung kassentauglichen Film auf möglichst engem Raum zu erzählen; Alfred Hitchcock hat das mit Lifeboat und mit Rope probiert, Joel Schumacher mit Phone Booth.

Plakatmotiv (US): Searching (2018)Aneesh Chaganty steht vor der Aufgabe, seinen Ein-Mädchen-ist-verschwunden-Thriller ausschließlich über die modernen Kommunikatonswege des Internet zu bebildern. Selbst, wenn er also Life Action draußen dreht, ist das Bild eingebunden in Webvideos lokaler Nachrichtensender. Er stolpert, um das vorweg zu sagen, wenn der zunehmend verzweifelte Vater Kim mit seinem Handy telefoniert. Das sehen wir in der Facetimeoptik, die dort streng genommen nicht zu sehen sein dürfte; aber das ist Nerd-Quatsch. Tatsächlich baut diese Erzählform große Spannung auf.

Weil Chaganty konsequent in der Perspektive des verzweifelten Vaters bleibt, zieht er uns in eine Art Komplizenschaft: Eben noch haben wir „unsere“ Tochter per iMessage fröhlich ermahnt, das nächste Mal aber wirklich den Müll rauszubringen, da bemerken wir Stunden später auf dem Beweisfoto, auf dem die noch volle Mülltonne unter der Spüle zu sehen ist, dass die Tochter auch ihr Laptop dort hat liegen lassen. Und schon haben auch wir im Kinosessel keinen Zugriff mehr auf das Geschehen. Der Moment, in dem unsere Welt fragil scheint und gleich darauf auseinanderbricht, wird sehr fühlbar.

Auch entblöst der Film die irrige Annahme (wahrscheinlich) aller Eltern, ihre Kinder zu kennen. Was im richtigen Leben selten bis nie der Fall ist, im Thriller aber die Spannung erhöht, wenn man beispielweise plötzlich davon ausgehen muss, der eigene Bruder habe Sex mit der eigenen Tochter. Die elterliche Unkenntnis gibt dem Thriller seine emotionale Tiefe, in der die Nicht-Kommunikation in der analogen Welt zum eigentlichen Problem führt. Margot erwartet voin ihrem Vater emotinale Unterstützung nach dem Tod der Mutter. Der Vater geht dem Thema aus dem Weg, in dem er sich einredet, seine Tochter mit dem Thema nicht dauernd belasten zu wollen. So driften beide auseinander und ko mmunizieren nur noch schriftlich über Messagedienste.

Aneesh Chaganty findet eine durchgehend neue Filmsprache, die, weil wir im Kinosessel diese Optik selbst tagtäglich vor Augen haben und bedienen, einen albtraumhaften Sog in die  künstliche Realität, oder die reale Künstlichkeit erzeugt. Dieser Film zeigt, wie Menschen im 21. Jahrhundert hingucken und sprechen.

Wertung: 8 von 8 €uro
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