Ein Job ist ein Job. Und wenn Du Schauspieler bist und sie suchen eine Frau, dann verwandelst Du Dich eben in eine Frau. Kurzerhand wird aus Alexander, dem arbeits– und glücklosen Schauspieler, Alexandra, Darstellerin in einem Big-Budget-US-Movie über Nazis.
Jetzt stellt sich bloß die Frage, wie lange Alexander das durchhält. Anfangs waren zwei Drehtage geplant – zur Freude seiner drei Brüder, mit denen er eine Wohngemeinschaft der Glück- und Erfolglosen bildet. Aber dann ist der US-Regisseur derart begeistert von Alexandra, dass er deren Rolle ausweitet und seinen Kriegsfilm in ein Lesben-Drama in Nazi Deutschland verwandelt.
Im Film verlieben soll sich „Alexandra” ausgerechnet in Sarah Voss, den Superstar, mit dem Alex vor ein paar Tagen zufällig in die Kiste gestolpert ist und in die er sich – rubbeldiekatz, wie sein älterer Bruder Jürgen sagen würde – verliebt hat. Aber Sarah Voss darf natürlich nicht merken, dass Alexandra in Wirklichkeit Alexander ist. Also erkennt sie auch Ihren One-Night-Stand aus dem Hotel nicht wieder, findet aber Alexandra als beste Freundin zunehmend klasse.
Alex' Ex- und On-Off-Freundin flippt zwischendrin aus, der ursprüngliche Hauptdarsteller und Oscar-Preisträger ist beleidigt, weil seine Rolle immer kleiner wird und seine Brüder sind auch keine echte Hilfe.
Und jetzt will sein Regisseur Alexandra auch noch für ein Female-Werewolf-Projekt in die USA locken. Alex hat ein echtes Problem …
Dieser Film ist Mist! Und dann heißen die vier Brüder auch noch Honk mit Nachnamen. Wie in Voll-Honk. Nomen est Omen. Und das soll dann lustig sein.
In den ersten 40 Minuten stimmt nichts. Kein Timing. Keine Handlung. Keine Charaktere. Aber jede Menge Nummernrevue. Dann geht wenigstens die Arbeit am Filmset los. Ab da wird es eine Nummernrevue dieser Film-in-Film-behind-the-scenes-Klischees mit affektierten Starlets, geilen Schlaffis mit Pomade und schwulen Kostümbildnern. Und Schweighöfer wandelt sich in den Frauenversteher, ohne Sprache, Mimik und Gestik zu ändern. Aber da ist es dem Zuschauer längst egal, was ihm geschieht. Außer einem kleinen, weiblichen Publikumskreis vielleicht, für die dieser Film offenbar produziert worden ist. Schweighöfer ist halt zurzeit en vogue.
Runter gerasselte Dialoge, als wolle er früher Feierabend machen
Produzenten glauben, Mädchen wollten Schweighöfer sehen, also wird er fleißig besetzt – vielleicht wegen seines süßen blonden Wuschelkopfes oder seiner knabenhaften Figur. Nicht jedenfalls wegen seiner Kunst. Entweder kann Schweighöfer nicht schauspielern – dafür spricht vieles. Oder er wird weder von der Regie noch vom Drehbuch gefordert. Dafür spricht auch vieles. Er variiert zwei Gesichtsausdrücke und rasselt Dialoge runter, als wolle er früher Feierabend haben. Davon lässt sich auch Alexandra Maria Lara runterziehen. Aber bei ihr habe dann wenigstens auch ich was zum Gucken.
Wenn nicht Sunnyi Melles einen formidablen Gastauftritt als PR-Lady hinlegen würde und wenn nicht die selten besetzte Susanne Bormann als On– Off–Freundin ein paar Glanzlichter setzen würde, wäre ich komplett verzweifelt. Es ist ja doch immerhin ein Film von Detlev Buck („Hände weg von Mississippi“ – 2007; „Knallhart“ – 2006; „LiebesLuder“ – 2000; Männerpension– 1996).
Der Schwarzhaarige unter seinen blonden Brüdern
Buck zeigt uns vier Brüder (einen spielt er gleich selber). Drei Blonde und ein südländisch-Schwarzhaariger – was kaum erwähnenswert wäre, wenn der Film diese augenfällige Fehlbesetzung in eine nette Erklärung, eine Nebenhandlung gießen würde. Aber auch an dieser Chance geht Buck vorbei – Denis Moschitto, der den Jan Honk gibt, hatte wohl einfach gerade Zeit. Da gerinnt der Film zu einer Art Bauerntheater, dem man noch den letzten Funken Realität ausgetrieben hat.
1982 machte Sydney Pollack Dustin Hoffman zu „Tootsie“ – ein arbeitsloser Schauspieler verkleidet sich als Frau und hat plötzlich als „Dorothy“ Erfolg. Die Handlung war im Groben dieselbe wie hier. Auch vor 30 Jahren verliebten sich Hauptdarstellerin und vermeintliche Hauptdarstellerin ineinander. Und Dustin Hoffmann gab glaubwürdig die Diva in reifem Alter.
Filmstoff klauen, Ideen übernehmen und anders verfilmen ist okay. Das machen alle, am Ende gleicht es sich aus und der Erstling bleibt als Klassiker in Erinnerung, während die meisten Epigonen verblassen – aber womöglich wenigstens Geld eingespielt haben. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die halbe Filmstunde, die Buck sich aus Notting Hill zusammengeklaut hat, erträglich.
Ein Männer-in-Frauenkleidern-Klischee am anderen
Natürlich gibt es diese typischen Frauengespräche am Tresen, die sich um süße Jungs und missverstandene Girls drehen; es gibt die Liebeserklärung an die Angebetete, die diese aber nicht erkennt, weil sie ja von einer guten Freundin zu kommen scheint. Und natürlich muss Alexandra/Alexander allerlei peinliche Sachen im Stripshop und in der Garderobe erleben. Und natürlich kommt irgendwann der Satz aus Saras Mund an Alexanders Adresse: „Du bist eine tolle Frau. Durch Dich bin ich eine ganz andere Frau geworden.“ Und die verkleidete Frau mit den strammen Waden im vorliegenden Film, die statt Dorothy „Alexandra“ heißt, finden ausnehmend alle scharf! Und das genau, weil ..? Weil sie niemand als Mann erkennt und alle Männer notgeile Stecher sind, die jede nehmen? Halt, Stopp: Der – natürlich schwule – Garderobenmann erkennt sie/ihn … natürlich!
Jede Menge Ansätze, alle versemmelt. Buck spielt eine gute Type. Die vier Brüder geben einen Fundus an guten Ideen … alle werden verpasst. Susanne Bormann gibt eine smarte Gastrolle. Alexandra Maria Lara ist wunderschön, wird dann aber von der Regie nicht geführt. Die Kamera liefert wunderbare Stimmungsbilder, die schon im Schwenk zerstört werden. Und dazwischen stolpert TV-Comedien Max Giermann in seiner aus „Switch reloaded“ bekannten Hitler-Persiflage durchs Bild – was beim dritten Mal dann auch anstrengend wird.
Senioren stehen in der Kulisse herum und keiner kann was mit ihnen anfangen
Und dann, als es endlich auf den erlösenden Kuss mit dem bitte zu erwartenden Geigenfinale zusteuert, stehen vier Senioren herum, die sich zu Beginn des Films als ziemlich nervige Dauerfans mit Autogrammwünschen und Lehrsprüchen für Alexanders Leben herausgestellt haben und nun rein gar nichts mit sich und ihrer Rolle anzufangen wissen. Und da wird dann das ganze Drama offenbar: Es ist ja nicht so, dass ich hohe deutsche Filmkunst erwarte von einem Film mit dem Titel „Rubbeldiekatz“. Aber solide kommerziell ordentlich durchstrukturierte Unterhaltung bitte schon; schließlich wollen die Produzenten ja Geld für die Kinokarte. Also Kommerzkino à la Hollywood. Die Filmprofis dort hätten den Senioren eine Nebengeschichte gegeben, die sich in diesem Finale herzerhitzend mit auflöst, ebenso wie der dunkelhaarige Bruder eine Nebenhandlung bekommen hätte, die sich herzerhitzend aufgelöst hätte. Detlev Buck und seine Mitautorin Anika Decker denken gar nicht dran.
Dieser Film reicht nicht mal für ein Sat-1-Movie am Donnerstagabend.