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Plakatmotiv: Herr der Fliegen (1963)

Auch als Film eine
Gänsehaut-Parabel

Titel Herr der Fliegen
(Lord of the Flies)
Drehbuch William Golding
Regie Peter Brook, UK 1963
Darsteller James Aubrey, Tom Chapin, Hugh Edwards, Roger Elwin, Tom Gaman, Roger Allan, David Brunjes, Peter Davy, Kent Fletcher, Nicholas Hammond, Christopher Harris, Alan Heaps, Jonathan Heaps, Burnes Hollyman, Andrew Horne, Richard Horne, Timothy Horne, Peter Ksiezopolski, Anthony McCall-Judson u.a.
Genre Abenteuer, Drama
Filmlänge 92 Minuten
Deutschlandstart
16. Juni 1983 (TV-Premiere)
Inhalt

Nach einem Flugzeugabsturz stranden einige junge Militärkadetten auf einer einsamen Südseeinsel. Ohne Hoffnung auf schnelle Rettung, verzweifelt und voller Furcht halten die Jungs zunächst fest zusammen.

Doch je besser sie in ihrem Inselparadies zurecht kommen, desto stärker brechen Gegensätze und Machtkämpfe untereinander auf. Schließlich spalten sie sich in zwei Cliquen: Ralph, der Anführer der einen Gruppe, tritt für zivilisiertes Verhalten und Solidarität ein.

Plakatmotiv: Herr der Fliegen (1963)Jack hält davon gar nichts. Der ehemalige Chorleiter und Schulsprecher sammelt seine Chorsänger und Freiwillige um sich und baut eine Gruppe aus Jägern, die am Ende sogar einen Krieg gegen Ralph entfesseln …

Was zu sagen wäre

Der Firnis der Zivilisation ist dünn. Wenn das gesellschaftliche Umfeld wegfällt – Recht, Gewaltenteilung, Autoritätspersonen – gilt wieder das recht des Stärkeren. Ohne ordnende Hand bilden sich Cliquen, Grüppchen. Zivilisatorische Errungenschaften wie etwas das einander Zuhören, verfallen. William Goldings Erzählung ist eine Gänsehaut produzierende Parabel auf diese gesellschaftliche Selbsttäuschung. Peter Brook muss also gar nicht viel tun, um die Gänsehaut auf die Leinwand zu bringen.

Brooks' Trumpf sind die jungen Darsteller, die sich nicht um Starpower scheren, statt dessen häufig wriken, als erlebten sie den Sommer ihres Lebens – ein bezahltes Abenteuer an fernen gestaden inklusive wildem Schminken und cowboy und Indianer. Die Szenerie kennen wir aus den gängigen Abenteuerfilmen: dichter Dschungel, fremde Naturgeräusche, jederzeit könnte Tarzan durchs Bild schwingen, den auch die Jungen offenbar kennen, immer wieder imitieren sie dessen markanten Dschunbgelruf.

Plakatmotiv (UK): Herr der Fliegen (1963)Brook steigt mit Fotografien in den Film ein. Noble Collegegebäude wechseln sich ab mit Raketenarsenalen beidseits des Eisernen Vorhangs. Ein Flugzeugabsturz, ein schwimmendes -Wracks, schon sind wir auf der Insel. Es braucht augenscheinlich nicht viel, um dem Zuschauer zu sagen, wo es lang geht. Nach 20 Minuten haben sich die Jungs gefunden und es brechen erste Fronten heraus. Der Est ist Anschauungsmaterial für Jedermann, wie schnell eine Diktatur Formen annimmt.

Es kommt ein Gerücht auf, wonach sich ein Ungeheur auf der Insel herumtreibt. Später finden die Jungen einen abgestürzten Fallschirmspringer in einem Baum hängend; er trägt volle Montur und einen Helm mit geschlossenem Visier und weil die Jungen so etwas noch nicht kennen, rennen sie, bevor sie einen zweiten, klärenden Blick wagen, schreiend davon. Daraus wird bald ein äußerer Feind konstruiert – ein „Biest“ – und schon ist es besser, intern zusammenzuhalten und diejenigen zu verstoßen, die nicht bereit sind, die Gruppe gegen das Ungeheur zu verteidigen.

Die Frage, ob der film notwendig ist, wenn wir das Buch kennen, ist müßig. Der Film bebildert, was Golding aufgeschrieben hat. Dabei kommt der Film nicht so deutlich in die Seelenlage der Kinder, wie Goldings Text das schafft. Paradoxerweise Der Zuschauer im Kinosessel mss einige Vorstellungskraft mitbringen, um jede situative Volte zu verstehen. Ralph, der Widerpart des aggressiven Jack, flieht am Ende vor den Wilden, krabbelt wie ein waidwundes Tier auf allen Vieren über den Strand. Da haben die Jäger schon die halbe Insel in Brand gesetzt, sind die Kinder wieder zu wilden Tieren geworden.

Dann stehen zwei weißbestrumpfte beine im Sand der Insel, Sinnbild geordneter Verhältnisse. Die Zivilisation holt sich die Wilden zurück – die Zivilisation in der Uniform der Kriegsmarine; Schlachten sollen woanders geschlagen werden.

Wertung: 5 von 7 D-Mark
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