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Plakatmotiv: Paper Moon (1973)

Ein bezauberndes Leinwand-Duo
in der Verfilmung der US-Seele

Titel Paper Moon
(Paper Moon)
Drehbuch Alvin Sargent
nach dem Roman "Addie Pray" von Joe David Brown
Regie Peter Bogdanovich, USA 1973
Darsteller

Ryan O'Neal, Tatum O'Neal, Madeline Kahn, John Hillerman, P.J. Johnson, Jessie Lee Fulton, James N. Harrell, Lila Waters, Noble Willingham, Bob Young, Jack Saunders, Jody Wilbur, Liz Ross, Yvonne Harrison, Ed Reed u.a.

Genre Komödie, Drama
Filmlänge 102 Minuten
Deutschlandstart
20. Dezember 1973
Inhalt

Kansas während der Großen Depression 1935: Der umherreisende Trickbetrüger Moses Pray wohnt der Beerdigung einer Frau bei und wird anschließend von den Gästen überredet, die kleine Tochter der Verstorbenen, Addie Loggins auf der Reise zu ihren verbliebenen Verwandten zu begleiten. Moses erklärt sich nur widerwillig dazu bereit, das Mädchen nach St. Joseph zu bringen.

Noch auf der Beerdigung erpresst Moses den Mann, dessen Sohn schuld am Tod von Addies Mutter ist, um 200 Dollar. Addie hört das Gespräch heimlich mit an und fordert das ihr zustehende Geld ein. Außerdem hat Addie die ganze Zeit den Verdacht, Moses könnte ihr Vater sein. Als die beiden ihre Reise antreten, merkt das kleine Mädchen schon bald, dass Moses ein Trickbetrüger ist und schließt sich seinen Geschäften an. Moses merkt dagegen, dass die kleine Addie sich für ihr Alter sehr erwachsen verhält.

Sie raucht und muss immer ihren eigenen Kopf durchsetzen. Während sie ihre Ankunft in St. Joseph immer weiter nach hinten schieben, freundet sich das unfreiwillig zusammengewürfelte Paar mehr und mehr an und erleben ein Abenteuer, auf dem sie nicht nur auf einem Jahrmarkt einer Tänzerin namens Trixie begegnen, sondern auch vor der Polizei flüchten müssen …

Was zu sagen wäre

Peter Bogdanovich (Is' was, Doc? – 1972; Die letzte Vorstellung – 1971) verfilmt die US-amerikanische Seele. Sein Film spielt in der tiefsten Wirtschaftskrise, die die USA bis dato durchlebt haben. Arbeitsplätze sind rar, Geld knapp, jeder versucht durchzukommen – Leben von der Hand in den Mund. Aber aufgeben gilt nicht. Keiner jammert in diesem Film, nicht einmal die Witwen, über allem liegt ein nicht in Frage zu stellender Optimismus. Und wo Menschen am tag ein paar Cent verdienen, gibt es andere, die versuchen, sich davon einen Teil zu holen.

Plakatmotiv: Paper Moon (1973)Die Hauptfiguren sind ein Moses, ein Trickbetrüger, und Addie, ein 9-jähriges Mädchen, das Talent für Moses' Profession hat. Ob sie Vater und Tochter sind, lässt der Film bis nach dem Abspann offen. Im realen Leben jenseits des Kinos sind sie es. Ryan O'Neal (Is' was, Doc? – 1972; "Love Story" – 1970) ist der Trickbetrüger mit dem schief rasierten Schnauzer, der wirkt wie einer, für den das Leben meist Zitronen bereit gehalten hat und der daraufhin Beschluss, Limonade daraus zu machen. Seine Tochter Taut O'Neal spielt Addie, das 9-jährige Gaunertalent. Und sie spielt ihren Daddy, jedenfalls nach dem, was wir sehen, locker an die Wand. Bogdanovich dreht viele Szenen in einer Einstellung, was den Menschen vor der Kamera hohe Konzentration abverlangt; für ein 9-jähriges Mädchen – Tatum ist Jahrgang 1963 – ist das eine beachtliche Leistung, sich nicht nur ihren Text zu merken sondern dabei auch noch glaubwürdig zu spielen. Ihre Addie ist ein entzückendes Mädchen. Und beide zusammen ein bezauberndes Leinwand-Duo: „Ich habe auch Skrupel, verstehst Du!? Weißt Du, was das ist?“ „Keine Ahnung, aber wenn Du sie hast, kann man sicher sein, dass sie einem anderen gehören.

Wir wissen nicht, wie sich Moses vorher durchgeschlagen hat, aber seit Addie in seinem Auto sitzt, laufen die Betrügereien, wie am Schnürchen, die Kasse füllt sich, bald kann man sich ein größeres Auto leisten, bessere Hotels, einen guten Anzug. Wenn man nicht gerade Sheriff in einer Kleinstadt ist, scheint der Job als Betrüger der einzig lukrative zu sein in diesem schwarzweiß gefilmten Amerika. Wobei "Betrüger" es eigentlich nicht trifft: Moses zwingt niemanden zu nichts, die Menschen müssen seine Bibeln nicht kaufen. Sie tun es natürlich, aus einem schlechten Gewissen heraus, aus moralischer Gründen. Auf diese Ethik ist Amerika gebaut, glaubt man dem Film: Erlaubt ist, was nicht verboten ist. Und wer sich über Ohr hauen lässt, war nur zu dumm, genau hinzugucken. Man könnte auch sagen: Moses und Addie haben sich geschäftlich konsequent nach oben gearbeitet. Bis sie sich beim letzten Geschäft übernommen haben. Egal: Scheitern ist in den USA kein Makel. Rückschläge gehören im American Way of Life zu Lebensprinzip.

Am Ende sind Moses und Addie – richtiger müsste es heißen: Addie und Moses, denn es ist die Perspektive des Mädchens, die der Film einnimmt – keinen Schritt weiter: Das Geld, das sie im Laufe der Geschichte ergaunert haben, ist weg, weil auch sie einmal nicht genau hingeguckt haben und dem Bruder des Sheriffs dessen eigenen Whisky verkauft haben, und der Sheriff daraufhin zu drakonischen Maßnahmen gegriffen hat. Aber sie fahren – wenn auch mit einem Fahrzeug, das noch Schrottiger ist als das, was Moses zu Beginn gefahren hat – auf langer gerader Straße einem sonnigen Horizont entgegen. Addie bleibt natürlich nicht bei dieser Tante, zu der Moses sich bereit erklärt hat, sie zu bringen. Die beiden bleiben ein Paar und werden sicher bald wieder genug Geld in Addie Zigarrenkiste haben, um in den besseren Hotels abzusteigen. Das ist schließlich Amerika. Hier darf jeder alles versuchen, um reich und/oder glücklich zu werden. Das mit dem Recht auf glücklich werden ("Pursuit of Happiness") steht hier sogar in der Verfassung.

Wertung: 6 von 8 D-Mark
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