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Plakatmotiv: Der wilde wilde Westen (1974)

Eine brachiale Parodie, die
keine Gefangenen macht

Titel Der wilde wilde Westen
(Blazing Saddles)
Drehbuch Mel Brooks & Norman Steinberg & Andrew Bergman
Regie Mel Brooks, USA 1974
Darsteller
Cleavon Little, Gene Wilder, Slim Pickens, Harvey Korman, Madeline Kahn, Mel Brooks, Burton Gilliam, Alex Karras, David Huddleston, Liam Dunn, John Hillerman, George Furth, Claude Ennis Starrett, Jr., Carol Arthur, Richard Collier, Charles McGregor, Robyn Hilton, Don Megowan, Dom DeLuise, Karl Lucas, Jack Starrett, Count Basie u.a.
Genre Komödie, Western
Filmlänge 93 Minuten
Deutschlandstart
20. Dezember 1974
Inhalt

Der Vizegouverneur und Staatsanwalt Hedley Lamarr will durch die malerische Wildweststadt Rock Ridge eine Eisenbahnstrecke bauen. Da die Bewohner ihre Stadt nicht verkaufen und verlassen wollen, will Lamarr die Leute mit ständigen Plünder- und Raubzügen von übelsten Banditen aus der Stadt treiben. Nach den ersten Beutezügen findet sich die Gemeinde zusammen, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Nachdem man sich darauf geeinigt hat, die Stadt nicht aufzugeben, verlangen die Bewohner nach einem neuen Sheriff. Lamarr heckt daraufhin den Plan aus, einen Sheriff einzusetzen: Er lässt Bart, einen schwarzen Eisenbahnarbeiter, zum neuen Gesetzeshüter ernennen.

Wie erwartet sorgt der schwarze Sheriff in der Stadt für einen Skandal. Nur der ehemalige Revolverheld Jim, früher auch bekannt als Kid the Kid, steht Bart zur Seite. Plakatmotiv (US): Blazing Saddles (1974)Als der Bandit Mongo wieder einmal die Stadt heimsucht und vom Sheriff besiegt wird, legt sich die Feindseligkeit der Bewohner.

Lamarr erfährt, dass Mongo nicht erfolgreich war, und setzt die teutonische Schönheit Lili auf den Sheriff an – sie soll ihm den Kopf verdrehen und ihn aus dem Weg räumen. Allerdings verliebt sich Lili in Bart und kann daher ihr Werk nicht zu Ende bringen. Lamarr und sein ständiger Begleiter Mr. Taggart beschließen eine Armee aufzustellen, die die schlimmsten Schurken der Welt vereinen soll: In dieser Armee finden sich neben Banditen und Ku-Klux-Klan-Mitgliedern auch deutsche Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg, Rockerbanden und andere stereotype Bösewichter. Bart alarmiert seine alten Freunde von der Bahngesellschaft …

Was zu sagen wäre

Mel Brooks nimmt kein Blatt vor den Mund ("Zwölf Stühle" – 1970; Frühling für Hitler – 1967). Der jüdische Autor und Regisseur nimmt sich den Western zur Brust und findet allerlei Seltsames daran. Seine Parodie ist harsch.

Der Film ist ohnehin kein Medium, das besonders gut zu Frauen wäre. Der Western aber ist unter den Männergenres das Machomännergenre. John Wayne, James Stewart, Randolph Scott, Robert Mitchum, Burt Lancaster, Richard Widmark, Franco Nero, Gregory Peck oder oder oder – für die Frauen bleibt selten mehr, als am Gartenzaun bangen Herzens auf die Rückkehr ihres Helden zu warten, der hinaus zieht und kleine Städte rettet; es sei denn, die Frauen arbeiten im Saloon. Dann stehen sie nicht am Gartenzaun.

Die einzige Frau, die in Mel Brooks' Western eine Rolle spielt, gehört zur zweiten Sorte. Lili Von Shtupp kommt aus Deutschland und singt wie Marlene Dietrich. Während sie im Saloon mit rauer Stimme singt, sie sei müde von den Männern, tanzen hinter ihr deutsche Soldaten mit Pickelhauben.Das Filmgenre des Western hat nur wenige, immer wiederkehrende Rahmen. Hier ist es einer mit Eisenbahn. Staatsanwalt Hedley Lamarr ist ein korrupter Sadist, der sich die lukrative Stadt unter den Nagel reißen will, weil dort bald die Eisenbahn durchgeht. Plakatmotiv (US): Blazing Saddles (1974)Der neue, farbige, Sheriff, eben noch Arbeiter bei der Eisenbahn, wird ihn daran hindern, an seiner Seite ein versoffener Ex-Pistolero, der durch die Cleverness des Sheriffs neue Lebenslust fasst. Howard Hawks' El Dorado ist eines der Kinovorbilder, die Brooks hier verarbeitet.

Im Saloon, im Sheriff's Office, auf den Pferden, überall sitzen ganze Kerle, die jederzeit die konservative Seele des weißen Mannes verteidigen. Bei Mel Brooks sind nicht Weiße jeder Hautfarbe gleich unbeliebt, das N-Wort ist in dem beschaulichen Städtchen ein geflügeltes, Behinderte werden beleidigt und in der Kantine isst Adolf Hitler ein Sandwich. Brooks erkennt im Genre des Western keine Erzählungen aus der amerikanischen Geschichte mehr. Bei ihm ist der Western reines Hollywoodprodukt. Und also bricht die Handlung des Western plötzlich ein in die moderne Welt unserer Tage durch die Mauern des Filmstudios der Warner Brothers. Reiten Männer durch die Prairie und die Musik schwillt an, reiten die Männer gleich an einem Orchester vorbei, das unter freiem Himmel musiziert. Hier hat Count Basie einen Kurzauftritt. Das Todernste des durchschnittlichen Western wird von Brooks durch den Wolf gedreht und als gehobener Nonsens wieder zusammengesetzt. Mel Brooks selbst taucht in zwei kleineren Rollen auf, unter anderem als Gouverneur mit beschränktem Geist, der von seiner Assistentin im roten BH in Dauerbeschlag genommen ist und davon träumt, demnächst Präsident der USA zu werden.

Neben Woody Allen (Der Schläfer – 1973; Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten – 1972; Mach’s noch einmal, Sam – 1972; Bananas – 1971; Woody, der Unglücksrabe – 1969) ist Mel Brooks momentan der einzige Komiker, der mit jüdischem Witz die Filmgenres brachial auseinandernimmt. Nichts und Niemand wird geschont. Weder die Kirche noch der Homosexuelle, weder die Afroamerikaner noch die Moral; lustvoll bringt ein Henker, bei dem die Delinquenten Schlange stehen, einen nach dem anderen unter seinen Galgen. Sogar ein Pferd wird gehenkt. Warum soll man Rücksicht nehmen? Auf was? Und warum? In Zeiten von Kennedy-Mord, Vietnamkrieg und Watergate: Wer bestimmt denn, was moralisch einwandfrei ist?

Mel Brooks modelliert die richtigen Fragen zur richtigen Zeit.

Wertung: 5 von 8 D-Mark
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