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Plakatmotiv: Das Leben stinkt (1991)

Aus der Zeit gefallene
naive Sozial-Romanze

Titel Das Leben stinkt
(Life stinks)
Drehbuch Mel Brooks & Ron Clark & Rudy De Luca & Steve Haberman
Regie Mel Brooks, USA 1991
Darsteller

Mel Brooks, Lesley Ann Warren, Jeffrey Tambor, Stuart Pankin, Howard Morris, Rudy De Luca, Teddy Wilson, Michael Ensign, Matthew Faison, Billy Barty, Brian Thompson, Raymond O'Connor, Carmine Caridi, Sammy Shore, Frank Roman u.a.

Genre Komödie, Drama
Filmlänge 92 Minuten
Deutschlandstart
15. August 1991
Inhalt

Goddard Bolt ist ein Kapitalist wie er im Buche steht. Für seine Milliarden-Gewinne ist ihm kein Geschäft zu skrupellos, persönliche Schicksale interessieren ihn nicht. Doch bei seinem neuesten Projekt ist ihm sein Konkurrent Vance Crasswell in die Quere gekommen.

Um ihre Streitigkeiten zu beseitigen, schließen die beiden Männer eine Wette: Goddard muss 30 Tage in einem Slum von L.A. hinter sich bringen, falls er dies ohne Zwischenfälle schafft, bekommt er das Gebiet überschrieben und kann dort wieder eines seiner Bau-Projekte durchführen. Er darf sich dabei jedoch nicht als reicher Mann zu erkennen geben und somit erlebt Goddard am eigenen Leib was es heißt, eine „arme Sau“ zu sein.

Doch das Dasein im Slum eröffnet ihm eine neue Sicht auf das Leben und womöglich ist seine Menschlichkeit noch nicht vollends entschwunden …

Was zu sagen wäre

Tatsächlich gibt der reichste Mann der Welt – oder lasst es der zweitreichste Mann der Welt sein – für 30 Tage die gesamte Kontrolle seines Vermögen in die Hände seiner drei dauernickenden Anwälte, die gerne betonen, dass geistige Wendemanöwer und Illoyalität zu ihrem Berufsbild gehören. Jetzt kann man sich im Kinosessel fragen, wie man der reichste Mann der Welt wird – oder der zweitreichste – ohne solche Anwälte in Schach zu halten; schließlich schreiben wir das Jahr 1991 und nicht irgendein Jahr in den 50er Jahren. Wir leben in Zeiten des rasenden Kapitalismus, des Anything Goes, in denen die Reichen flott reicher werden und die Armen vertrieben werden.

Aber das ist müßig.

Mel Brooks ist der große Naive des US-Kinos (Spaceballs – 1987; Die verrückte Geschichte der Welt – 1981; Höhenkoller – 1977; "Mel Brooks letzte Verrücktheit – Silent Movie" – 1976; Frankenstein Junior – 1974; Der wilde wilde Westen – 1974; "Zwölf Stühle" – 1970; Frühling für Hitler – 1967). Er kommt aus der Stand-Up-Comedy und machte sich als handwerklich begabter Filmemacher einen Namen mit Slapstick-Parodien auf Filme von prägenden Regisseuren (Frankenstein Junior, Höhenkoller, Spaceballs). Brooks ist ein Vertreter des schrillen Humors, in dem Schaufel-schlägt-Gesicht die Regel ist, filigraner, hintergründiger Humor erst auf den zweiten Blick vorkommt – immer aber verquickt mit einem Schuss romantischer, menschlicher Wärme – meist in Form einer Musical-Einlage. Plakatmotiv (US): Life stinks (1991) Seit er mit Frühling für Hitler – und erneut dann mit der Broadway-Version von "The Producers" – seinen Durchbruch hatte, schwebt er als unangreifbarer Komiker mit Freunden, die seine Filme finanzieren, durch die Welt der Filmemacher.

Schnitt: "Das Leben stinkt" ist keine Genreparodie, sondern eine nicht durch Film-Vorbilder beeinflusste Sozialromanze, eine Sozialkomödie, die Mel Brooks' Brachialhumor beinhaltet, aber – weil kein Filmklassiker-Vorbild vorliegt – versucht, aus der Realität des Alltags humoristische Funken zu schlagen. Da geht es um Massenarbeitslosigkeit, skrupellose Investmenthaie, Baulöwen und schnöselige Anwälte, die den Mensch gebliebenen Menschen (also jene, die nicht zu Anwälten mutiert sind) ihre Lebensgrundlage entziehen wollen. Das ist ziemlich altbacken. Brooks zeichnet die Arm-Reich-Schere mit dem bei ihm bekannten Slapstick nah am Fäkalhumor, erzählt aber im Grunde nichts, was John Landis nicht vor acht Jahren schon in seinen Glücksrittern erzählt hat: skrupellose, gelangweilte Reiche gegen engagierte bessere Menschen ohne Geld.

Aber es ist eben ein Mal-Brooks-Film, in dem dann auch die obligatorische Musical-Tanzeinlage nicht fehlt, diesmal zwischen Pappkartons voller schimmeliger Altkleider. Das verfolge ich im Kinosessel eher akademisch als dramaturgisch interessiert. Denn die erste wirklich berührende Szene spielt nach mehr als einer Stunde in der Notaufnahme, als zu viele Hilfsbedürftige auf zu wenige, aber überforderte Ärzte treffen und ein Arzt ohne zu gucken jedem Patienten immer „500 Milliliter Dorazin“ verschreibt, woran der gewesene Milliardär Goddard Bolt fast stirbt und erst wieder aufwacht, als ihm die Obdachlose Molly eine Liebeserklärung macht.

Wo sonst, als in Amerika, könnte ein armer, mittelloser Mann aus einem so schlimmen Viertel eines Tages zurückkehren, um es niederzureißen?“, fragt Goddards großer Konkurrent und bündelt damit Mel Brooks' klagenden Zeigefinger in diesem Film, bevor dann die geballte Macht der (obdachlosen) Straße über den Schurken her fällt.

Die Zeit, in denen solcher Art Filme die richtigen waren, ist vorbei. Der Film ist handwerklich okay, verliert aber mit seinem naiven Drehbuch. Dieser Goddard Bolt ist zu Beginn des Films unter den ganz schön reichen Superreichen das größte Arschloch, was Brooks mit plakativen Menschenverachtungsbildern belegt (reiche Limousine spritzt Obdachlose am Straßenrand nass / sein Modell eines Luxusviertels presst das Modell des real existierenden Slums platt …) und das, während im Radio katastrophale Meldungen vom Arbeitsmarkt verlesen werden. Die Gesellschaft steht vor dem Punkt, an dem sie kippt und Goddard Bolt hat keine Ahnung, was das heißt. Sein Vater hinterließ ihm fünf Millionen Dollar. Damit, glaubt Goddard, weiß er, was Armut heißt.

So eine Geschichte in den Händen eines Routiniers kann gar nicht anders, als ein paar herzenswarme Momente zu schaffen. Brooks ist aber ein Routinier des Kinos der 70er und 80er Jahre, der seine Sozial-Dramödie heute allen Ernstes damit enden lässt, dass der reichste Mann der Welt – oder ist er der zweitreichste Mann der Welt? – ein ganzes Stadtviertel für Obdachlose mit mietfreiem Wohnen baut. Das ist toll. Das ist echt schön. Ist aber mit der Realität, die wir draußen vor dem Kino tagtäglich erleben, nicht in Einklang zu bringen. In dieser Pointe offenbart sich die ganze Hilflosigkeit des Films: Was will mir Mel Brooks bloß damit sagen? Dass wir alle Milliardäre mal 30 Tage in die Pappkartons der Straße stecken sollten?

Die Idee hatte ich auch schon. Hat nicht funktioniert. Die Milliardäre wollten lieber weiter Geld machen.

Wertung: 4 von 10 D-Mark
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