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Plakatmotiv: Scream (2022)

Die Angst der Filmemacher vor den Fans:
Die Morde von Ghostface werden brutaler

Titel Scream
(Scream)
Drehbuch James Vanderbilt & Guy Busick
mit Charakteren von Kevin Williamson
Regie Matt Bettinelli-Olpin + Tyler Gillett, USA 2011
Darsteller

Neve Campbell, Courteney Cox, David Arquette, Emma Roberts, Hayden Panettiere, Nico Tortorella, Marielle Jaffe, Rory Culkin, Alison Brie, Adam Brody, Erik Knudsen, Marley Shelton, Mary McDonnell, Anthony Anderson, Brittany Robertson, Aimee Teegarden, Shenae Grimes, Lucy Hale, Anna Paquin, Kristen Bell, Roger Jackson, Dane Farwell u.a.

Genre Horror
Filmlänge 116 Minuten
Deutschlandstart
13. Januar 2022
Website screammovie.com
Inhalt

Der Killer mit der Ghostface-Maske kehrt zurück nach Woodsboro! Diesmal hat es der psychopathische Mörder auf eine Gruppe junger Menschen abgesehen, die in einer Verbindung zu den Opfern und Überlebenden der vorherigen Woodsboro-Attentate stehen.

Ein Teenager nach dem anderen wird niedergemetzelt und die Geheimnisse der Kleinstadt rücken immer mehr ins Zentrum der Öffentlichkeit. Für die Überlebenden Sidney Prescott, Journalistin Gale Weathers und Ex-Sheriff Dewey ist die Rückkehr des Killers ein Auseinandersetzen mit der Vergangenheit. Ihnen bleibt keine andere Wahl, als wieder miteinander in Kontakt zu treten und weitere Morde zu verhindern.

Ob die Regeln zum Überleben, die ihnen zuvor das Leben gerettet haben, noch weiterhin gültig sind, müssen Sidney und ihre Freunde bald am eigenen Leib erfahren …

Was zu sagen wäre

Wenn man ihnen nicht in den Kopf schießt, stehen sie immer wieder auf. Einer der Protagonisten in diesem Film weiß das, geht nochmal zurück. Und hat Recht behalten. Ein letztes Mal. 2011 kam mit Scream 4 eine Version des selbstreferentiellen, überraschend unterhaltsamen Scream-Franchis, das in den 1990er Jahren seine Wurzeln hat, in die Kinos, das dem Herz der Serie mit den damals neu aufkommenden Social-Media-Auswüchsen zu Leibe rückte. Der Film war kein Kassenhit, dennoch dachte man an weitere Fortsetzungen. Dann starb Wes Craven, der Kopf des Franchise, und mit ihm alle weitere Pläne.

Aber manchmal reicht nicht einmal ein Schuss in den Kopf. Sie kommen auch dann noch wieder. Auch Miramax, die pleite gegangene Firma von Bob und Harvey Weinstein, der wegen sexueller Übergriffe im Gefängnis sitzt, hat mit dem Franchise nichts mehr zu tun. Frische Köpfe haben sich mit der Serie auseinandergesetzt. Haben eine Fortsetzung und gleichzeitig eine Art Neuverfilmung konzipiert, was im Film ein Requel genannt wird. Bald reden die Teenager im Film wieder über die unumstößlichen Regeln, die einzuhalten sind, wenn man den Kreisen eines wilden Slashers entgehen möchte. Sie nehmen dabei natürlich Bezug auf die "Stab"-Filme, die nach den Mordserien von Woodsboro als Horrorfilme entstanden sind und schon in Scream 2 und Scream 3 für viel frisches Blut sorgten. Teil 8 der Horrorfilmserie "Stab" kam vor allem aber bei den Fans nicht gut an und einer der Teenager im neuen "Scream"-Film mutmaßt nun, dass der neue Ghostface an einem „Requel“ arbeite, also einer Neuauflage des ersten "Stab"-Films, in dem bekannte Charaktere als „legacy actors“ auftreten.

Der neue Ghostface morde, um einen neuen Teil 8 zu kreieren, der sich wieder ins Universum der frühen "Stab"-Filmen einfüge. Während dieser Erkenntnis hatten im "Scream"-Film, den ich mir gerade im Kinosessel anschaue, eben die legacy actors Sidney Prescott, Gale Weathers und Dewey Riley ihre ersten Auftritte. Erinnert man sich an den heiligen Zorn der Hard-Core-Fans, die mit dem Finale von "Game of Thrones" oder mit Episode VIII von Star Wars unzufrieden waren und jeweils eine Neuproduktion forderten, klingt das Motiv, dass die Teenager hier zu erkennen glauben, gar nicht mehr grotesk. Die neuen Kreativen hinter diesem fünften Film der "Scream"-Serie, der keine Ziffer im Filmtitel trägt, ermahnen sich quasi selbst, ihre Fortsetzung des modernen Klassikers "Scream" in dessen Geist zu gestalten – bloß nicht irgendwie experimentell, was die wahren Fans verärgern könnte – und gehen mit Respekt an die Serie ran, ziehen grandiose Schleifen zwischen Sein, Schein, Film und Film-im-Film, zitieren Filmklassiker und die eigenen Vorgänger, jetzt aber auch die "Stab"-Filme, die ja schon eine Selbstreferentialität auf die "Scream"-Filme darstellen, und hier längst zum Leben der Teenager dazugehören wie leicht gruselige Haustiere.

Ghostface ist brutaler geworden. Seine Morde sind blutig, der Killer scheint vor Zorn zu beben. Die Opfer stehen in der Tradition der Serie in familiärem und nachbarschaftlichen Bezug zu den Ereignissen der früheren Filme. Der Mörder trifft auf eine Jugend ohne Ideale. Träumten sie vor zehn Jahren noch davon, irgendwie als Influencer reich und berühmt berühmt zu werden, haben sie heute keine Träume mehr, fühlen sich abgeschnitten, ausgegrenzt, übersehen. Und suchen andere Möglichkeiten, sich zu verwirklichen und auf sich aufmerksam zu machen. Manche arbeiten auch mit Gewalt daran, sich ihre Welt so zu gestalten, wie sie sie für richtig halten. In der sarkastischen Bestandsaufnahme einer von Medien umflorten und manipulierten Generation stehen die Autoren in der Tradition des Franchise. Was realistische Settings angeht, tun sie das eher nicht.

Ein langes Kapitel spielt diesmal im Krankenhaus von Woodsboro, in dem, seit die Morde wieder begonnen haben, Alarmstimmung herrschen sollte. Wenn nur jemand da wäre. Bis auf eine nicht näher erklärte Leiche mit aufgeschlitzter Kehle, die im Flur liegt, ist das ganze Krankenhaus verwaist. Über mehrere Minuten kann Ghostface sein Unwesen treiben, auch schrille Schreie und Pistolenschüsse rufen keine Ärztinnen oder Pfleger aus irgendwelchen Bereitschaftsräumen herbei. Ähnlich sediert wirkt das Leben in Woodsboro, von dem man im Kinosessel doch meinen würde, dass auch nur der Hauch eines Ghostface-Auftrittes für Alarmstimmung, Schlagzeilen und Panik sorgen würde. Die Regisseure Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett blenden die Welt, die nicht direkt mit den Protagonisten zu tun hat, offenbar bewusst aus. Ins Bild springende, selbstlose Helfer, die dann ebenfalls abgestochen werden müssten, lenken nur ab, helfen der Erzählung aber nicht weiter.

Der Fokus auf das Wesentliche hilft der Spannung. Denn "Scream" ist ja, wie uns anhand von "Stab" immer wieder erklärt wird, kein gesellschaftskritischer, intelligenter Horror, sondern „Slasher-Horror! Nichts sonst!“ Und also sitzt Mindy nach einer Hausparty auf dem Sofa, schaut "Stab 1" und freut sich über die Dummheit des Typen auf dem Bildschirm, der Popcorn futternd einen Film schaut und Ghostface mit dem Messer hinter sich nicht bemerkt. Während Mindy nicht bemerkt, dass Ghostface mit dem Messer hinter ihr steht.

In einer den Scream-Kennern wohl bekannten Küche wird es dann noch einmal sehr blutig. Das Brutalste an dem Finale aber ist nicht die Schlacht, sondern das Motiv für die Morde. Die an anderer Stelle schon besungene Jugend ohne Gott holt sich ihre Götter zurück. Melancholisch geht der Blick im Kinosessel zurück nach 1996, als ich in Scream – Schrei! saß, mit Mitte 30 schon damals viel älter als die Teenager da auf der Leinwand. Aber ich konnte das Motiv für die Mordserie sehr gut nachvollziehen. So war das im Kino damals oft: Jemand hatte festgestellt, dass sein Vater/Mutter nicht die leibliche Mutter/Vater war und/oder Geschwister bevorzugte. Das reichte, um zum blutrünstigen Psychopathen zu werden. Ein viertel Jahrhundert später hat sich an der Idee, mit dieser ikonischen Maske in Woodsboro zu morden, nichts geändert. Aber es gibt ganz neue Teenager als Hauptfiguren. Sidney, Gale und Dewey sind jetzt die Alten von früher, mehr oder weniger Gaststars in der eigenen Serie, die einem im Kinosessel klar machen, dass ein halbes Leben auch mit einem selbst verstrichen ist.

Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett haben einen sauberen, Genrekonventionen auf den Kopf drehenden, popkulturelle Zitate sammelnden Fingernägelbeißer inszeniert, der die Alten nach dem Kino entspannt in die Kneipe schickt: Mit dieser Jugend von heute mit ihren Ängsten und Vorbildern will ich dann auch nicht mehr tauschen.

Wertung: 6 von 8 €uro
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