Weil ihre Mutter endlich einmal mit ihrem Liebhaber ungestört sein möchte, soll die zehnjährige Zazie das Wochenende bei ihrem Onkel Gabriel in Paris verbringen. Zazies größter Wunsch ist es, , einmal mit der Métro zu fahren. Doch leider streiken die öffentlichen Verkehrsmittel.
Am Morgen nach der Ankunft in Paris reißt Zazie aus, um die Umgebung auf eigene Faust zu erkunden, aber der Polizist Trouscaillon – der später als Sittenstrolch entlarvt wird – bringt sie zum Onkel zurück. Auch auf weiteren Streifzügen durch Paris mit ihrem Onkel und dem Taxifahrer Charles erlebt das pubertierende Mädchen die groteske Welt der Erwachsenen, zumal sie auf zunehmend schrillen Charakteren wie der nymphomanen Witwe Mouaque trifft.
Als ihre Mutter sie am Bahnhof wieder in die Arme nimmt, weiß Zazie als Antwort auf die Frage, was sie das Wochenende über getan habe, nur zu sagen: „Ich bin älter geworden.“ Ist sie tatsächlich: zwei Tage älter nämlich. Entwickelt hat sie sich nicht, ist die Mischung aus kleinem, unschuldigen Mädchen und altkluger Göre geblieben. Das gilt auch für das übrige, sehr bunte Personal an diesem wilden Wochenende von Paris. Alle sind mal albern, mal altklug.
Bis auf Albertine, Onkel Gabriels Frau, die den ganzen Film über eine Porzellan-Schönheit mit sanftem Wesen ist – und am Ende gekleidet und frisiert ist wie ein Mann, was insofern nicht überrascht, als Gabriels Frau sich in der Buchvorlage am Ende tatsächlich als ein Mann, Marcel, entpuppt; von einer homosexuellen Beschreibung Gabriels (wie im Buch) haben Regisseur Louis Malle und sein Co-Autor Jean-Paul Rappeneau lieber die Finger gelassen. Die deutsche Synchronisation geht noch einen Schritt weiter: Zazie erkämpft sich ihren Platz auf den Pariser Straßen mit wüsten Schimpfwörtern. Dazu ist der Film reich an sexuellen Anspielungen. Prompt hat die FSK die Jugendfreigabe des Films verweigert. Also wurde die deutsche Synchronfassung umgestaltet, manche sagen zensiert, und dann konnte der Film in den deutschen Kinos laufen – allerdings mit der FSK-Freigabe "ab 18".
"Zazie" ist ein schwieriger Film. Ein lustiger Film. Ein bunter Film. Eine anarchische Reise durch die Wunder der Großstadt. Der allerdings keine Handlung im altertümlichen Sinne hat. Zeitlich ist er festgelegt, Zazie ist für ein Wochenende in Paris, also von Freitagabend bis Sonntag. Aber alles andere folgt dem ungeschriebenen Gesetz des Slapsticks. Darin bleibt Louis Malle aber nahe an der Buchvorlage von Raymond Queneau, die 1959 erschienen ist, also ein Jahr vor dem Film. Queneau gehört zu den wichtigsten französischen Autoren der 1950er Jahre.
Der Film wirkt, als habe Louis Malle eine große Leinwand aufgestellt, dann Tuben mit allen Farben, die es gibt, auf dem Boden ausgebreitet, sie aufgeschraubt und sei dann hemmungsfrei auf ihnen herumgesprungen, auf dass sie wilde Farbmuster auf der Leinwand erzeugen.
Ins filmische übersetzt heißt das: Malle tobt sich mit den frühen Stilmitteln des Kinos aus, als es noch keine Regeln oder gar Konventionen für die vernünftige Bildfolge gab und die Filmemacher einfach ausprobierten – Zeitlupe, Zeitraffer, Wiederholungen einzelner Szenen, Bildsprünge, Raum und Zeit sind nicht mehr klar positioniert, Wortwitz und physical Comedy. Der Film ist ein verspielter, surrealer Trip durch verschiedenen Orten der französischen Hauptstadt. Mit dem Höhepunkt, natürlich, an Place Pigalle.
Die Bilder machen den Film für Filmliebhaber zum Ereignis. Gedreht in den vollen Straßen des von Streik geplagten Paris, manchmal sieht man sogar einen Kameramann im Bild, von dem nicht klar ist, ob er ein TV-Nachrichtenmann ist oder einer von der "Zazie"-Crew, sind Bilder entstanden, die auf der großen Leinwand große Pracht entfalten (Eiffelturm, Place Franz-Liszt, die Galerie Vivienne) und französische Gemütlichkeit und Lebendigkeit (Bistros und Nachtclubs); und alles ist nicht im Studio aufgebaut – oder doch nur die wiederkehrenden Innenräume – sondern real in den Straßen gedreht. Das entwickelt einen Sog, den die Geschichte als solche nicht bekommt.
Wenn man in diesen Film geht, sollte man auf einen wilden Bilderzauber vorbereitet sein, der nicht erzählt, nichts will und den zentralen Wortwitz der Romanvorlage nicht erreicht.