Jeder Mensch hat einen Traum. Wehe nur, wenn der sich erfüllt: Dann kennt das Schicksal kein Pardon! Peter Schlönzke lebt mit seiner energischen Mutter, der weinerlichen Oma und dem grantigen Opa irgendwo im Ruhrgebiet. Sein Vater hat frühzeitig das Weite gesucht.
Den größten Teil seiner Kindheit hat Peter vor dem Fernseher verbracht. Groß geworden ist er mit der Sendung „Witzigkeit kennt keine Grenzen“, dessen Moderator Heinz Wäscher so eine Art Volksheld ist. Einmal im Jahr sucht Heinz Wäscher im Rahmen seiner Show das Talent des Jahres. Mutter Schlönzke weiß, dass Peter insgeheim von einer Karriere beim Fernsehen träumt. Kurzerhand - und ohne sein Wissen - meldet sie ihren Sohn an.
Schließlich nimmt Peter – auf Drängen seiner Familie – an dem Talentwettbewerb teil, sein Auftritt wird allerdings ein Fiasko. Aus Angst vor der Blamage lässt er seine Familie in dem Glauben, er hätte den Wettbewerb gewonnen. Doch als sich die Ereignisse überschlagen, platzt Peter der Kragen …
TV-Komiker Hans Peter Kerkeling, der sich künstlerisch verkürzt Hape Kerkeling nennt, demaskiert die Fröhlichkeit des Fernsehens: Der fröhliche Showmaster, dem die Samstagnachmittag-Legende Heinz Schenk („Zum Blauen Bock“) ein zum Fürchten bösartiges Gesicht gibt, ist ein Busen-grapschender Schleimscheißer, die Ansagerin der TV-Show ein Evelyn-Hamann-liest-die-Zusammenfassung-der-britischen-Krimiserie-Klon, der sich jedem Statisten in den Schritt wirft und die TV-Show-zuschauende Republik ein ruhrpöttlerischer Schnittchen-vertilgungs-Organismus der sein Herz auf der Zunge trägt.
Eiche furniert, Hosenträger, miese Busengrapscher
Es ist die Mittelstandswelt aus Eiche furniert, Hosenträgern und Sitzgarnitur in tannengrün, die Kerkeling uns zeigt – eine Welt, die sich zu gerne auf die Segnungen des Showbiz-TV einlässt, um dann festzustellen, dass der schöne Schein nur ein Schein ist: „Heinz Wäscher ist nicht der liebe Onkel aus dem Fernsehen. Der ist ein MIESER BUSENGRAPSCHER!!!“ Kerkeling liefert eine bittere Komödie, die zum Zitier-Schatz werden wird. Die TV-Legende Heinz Schenk, reduziert auf „Isch kann so net arbeide“, demontiert sein eigenes Blauer-Bock-Denkmal derart lustvoll, dass spätere Generationen das Phänomen Heinz Schenk noch einmal ganz neu werden denken müssen. Dämonisch, wie der fröhliche Schenk zwei schüchtern devote Reporter einer Schülerzeitung abkanzelt. Realistisch gnadenlos sind die Produktionsabläufe der ach so fröhlichen, in Wirklichkeit ganz und gar unfröhlichen Liveshow mit dem alternden, eitlen Showstar – „Isch sing des bescheuerte Lied …“


Das Unterhaltungsmonster
Der Rest ist ein böses Märchen, garniert mit dem Immergrün aus dem Ich-bin-beim-Fernsehen-und-möchte-endlich-sagen-wie-es-wirklich-ist-Kasten: „Ich bin doch nur noch ein Unterhaltungsmonster", jammert der Showregisseur, „das Fernsehen könnte viel menschlicher sein. Viel wahrer. Viel wärmer. Ich wollte etwas verändern und jetzt … was bin ich für ein Mensch? Es ist alles so leer … ein gequirlter Mist eine einzige große Lüge …“ Das funktioniert, weil Kurt Weinzierl diesem Regisseur alles Klamottenhafte nimmt, jede Stanze wie wahres Leben aussehen lässt. Maren Kroymann gibt die im Job stumpf gewordene Redakteurin, die tatsächlich den Irrsinn, der sie umgibt für das reale Leben hält.
Kerkeling führt uns vor Augen, wie das Fernsehen uns verdirbt, unseren Charakter einnordet und der Realität entfremdet. Eine Szene beschreibt die Qualität der Komödie. Der Regisseur teilt dem Isch-mache-des-seit-draisisch-Jahren-Showmaster dessen Entlassung mit und dann bleiben im Bild nur ein sich ans Herz fassender Ex-Showmaster in gelb getünchtem Keller-Gang und eine Putzfrau – kein Glamour, keine Fanfare, einfach der-König-ist-tot-es-lebe-der-König-fuck-off. Parallel eröffnet der ehemalige lusdische Glückshase seiner Freundin-in-spe, dass er jetzt einen Moderatoren-Vertrag in der Tasche habe und entlarvt die Einstellungskriterien, die ein TV-Sender wirklich (anstatt des Hochschulstudiums, dreier Voluntariate und Berufserfahrung) voraussetzt – „Ich bin unverbraucht, frisch, spontan … und ich habe viel Zeit“; da steckt das Scheitern schon drin. Und da ist auch der bessere Teil des Films dann vorbei.
Gelungene Parade von Kerkeling-Gags aus seiner TV-Zeit
Ein Jahr später ist Peter Schlönzke der neue Showmaster auf der alten Showtreppe und da fällt dem Film nicht mehr viel ein; schmerzlich wird klar, welches Gewicht der großartige Heinz Schenk dem Film gibt, der nun leider nict mehr auftaucht. Das Showteam um Schlönzke fabuliert, man wolle mal was wirklich Neues machen, um ganz beim alten zu bleiben, Schlönzke kanzelt Kollegen und Sketchpartner noch etwas böser ab und muss gehen, als die Quoten sinken. Dieses letzte Drittel des Films hat wenig Zwingendes, ist aber eine gelungene Parade von Kerkeling-Gags. Darin der Höhepunkt ist eine „Das ist Ihr Leben“-artige Show, in der Schlönzkes Omma und Oppa zu gast sitzen und ihren Star-Enkel völlig entblößen.
Hape Kerkeling beweist mit „Kein Pardon“, dass er mehr kann, als bloße Klamotte – seine Szenen haben Tiefe. Dass er, kaum selbst auf der Showtreppe, zum eitlen Arroganzling mutiert, liegt in der Natur der Sache.
Und bevor ich‘s vergesse: Käffchen?