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Plakatmotiv: Wir (2019)

Ein Film, der raffiniert wirken
will und zur Enttäuschung wird

Titel Wir
(Us)
Drehbuch Jordan Peele
Regie Jordan Peele, USA, China, Jap. 2019
Darsteller

Lupita Nyong'o, Winston Duke, Elisabeth Moss, Tim Heidecker, Shahadi Wright Joseph, Evan Alex, Yahya Abdul-Mateen II, Anna Diop, Cali Sheldon, Noelle Sheldon, Madison Curry, Ashley McKoy, Napiera Groves, Lon Gowan, Alan Frazier, Duke Nicholson, Dustin Ybarra, Nathan Harrington u.a.

Genre Horror, Thriller
Filmlänge 116 Minuten
Deutschlandstart
21. März 2019
Website www.uphe.com/us
Inhalt

Adelaide und Gabe Wilson sind auf dem Weg zu einem Ferienhaus im kalifornischen Santa Cruz, in dem sie mit ihren Kindern Zora und Jason ihren Sommerurlaub verbringen wollen. Gabe und die Kids freuen sich schon auf ein paar schöne Tage am Meer, doch Adelaide kehrt aufgrund von Ereignissen in ihrer Kindheit nur widerwillig an diesen Ort zurück.

Schon auf der Fahrt häufen sich seltsame Ereignisse und düstere Zeichen. Dann stehen eines Nachts vier Gestalten in der Einfahrt, die versuchen, gewaltsam in das Haus der Wilsons einzudringen. Es sind mörderische Doppelgänger ihrer selbst, die lange auf den Tag gewartet haben, die gesamte Familie kaltblütig auszulöschen …

Was zu sagen wäre

Der Mensch ist des Menschen Wolf. Oder: Der schlimmste Feind des Menschen ist der Mensch. Oder: Jeder Mensch hat auch eine andere Seite. Die Bösen eine gute, die Guten eine böse. Was klingt, wie ein etwas angegriffener Kalenderspruch, ist das, woraus Jordan Peele hier einen ganzen Film macht.

Der Mann, der mit seinem Debütfilm Get Out (2017) dem Horrorkino eine neue Note hinzufügte, schickt jetzt Doppelgänger in roten Overalls und mit langer Schere bewaffnet gegen brave Bürger und verrät lange nicht, warum. Ein leichter Horror liegt von Anfang an über der Szenerie. Erst, weil man bei diesen neuen Regisseuren ja nie weiß, ob sie nicht gleich mal eine Überraschung auspacken. Aber sowas, wie hinter Ecken hervorspringen Tiere oder plötzliche Angriffe seltsamer Wesen leben aus. Die Sonne scheint, eine gut situierte Familie fährt mit ihrem teuer ausgestatteten Mercedes in den Urlaub an die Küste. Die Kinder sind wohl geraten und nicht über Gebühr rebellisch, der Vater ist ein freundlicher Riese mit Übergewicht. Nur die Mutter ist still und in sich gekehrt. Der Film springt dann immer wieder in die Vergangenheit. Da sitzt ein junges Mädchen in einem Zimmer und beobachtet, wie draußen seine Eltern mit einem Arzt sprechen. Das Mädchen eine viertel Stunde lang verschwunden und es dauert eine ganze Weile, bis wir erkennen, dass es sich bei dem Mädchen nicht um die Tochter des Mercedes fahrenden Paares handelt, die jetzt im Fond des Wagens sitzt, sondern um die Mutter selbst, die vor vielen Jahren eine kurze Zeit verschwunden war und danach lange nicht mehr sprach. Plakatmotiv (US): Us (2019) Ein Geheimnis schält sich in den Film, das es aufzulösen gilt, das der sonnigen Urlaubsszenerie eine latente Spannung bringt. Weiter passiert lange zeit nichts.

Dann greifen die Doppelgänger im roten Overall an und wie sich herausstellen wird, greifen im ganzen Küstengebiet Doppelgänger an. Anders als in Get Out inszeniert Peele in seinem neuen Horror eine Schlachtplatte. Es fließt ordentlich Blut. Und die Mutter der Familie schlägt zurück, greift zum Schürhaken und schlägt und sticht zu. Nachdem der bullige Ehemann früh verletzt als Mitstreiter ausfällt, mutiert Lupita Nyong'o zum ihre Brut verteidigenden Muttertier (Black Panther – 2018; Star Wars – Episode VIII: Die letzten Jedi – 2017; Star Wars – Episode VII: Das Erwachen der Macht – 2015; Non-Stop – 2014; 12 Years a Slave – 2013). Sie schart den humpelnden Gatten und die beiden verängstigten Kinder um sich, schnappt sich ein herrenloses Auto und will über die Grenze nach Mexiko. Der Grund für das Ziel ist unklar: Immer noch haben wir keinen Hinweis, wer oder was diese Doppelgänger sind. Auf Fernsehbildern bilden sie einmal eine unendlich lange Menschenkette, die an eine andere Art von Zombieapokalypse denken lässt. Wird das in Mexiko nicht genau so sein?

Die Lösung des Geheimnisses ist dann von berückender Schlichtheit. Es ist von einem abgebrochenen Projekt die Rede, dessen Einzelheiten hier nichts zur Sache tun, das aber mehr Fragen aufwirft als beantwortet, bis hin zu einem finalen Twist, dessen Überraschung sich in Grenzen hält, wenn man während des Films nicht stur dem blutigen Gemetzel folgt, sondern sich die ein oder andere Frage stellt. Dazu lädt der Film, der sich bemüht, raffiniert zu wirken, ein. Er ist nämlich nicht raffiniert. Er lässt sich nur sehr viel Zeit. Und lässt zwischendurch weiße Kaninchen durchs Bild hoppeln, um uns mit Alice-im-Wunderland-Anleihen in die Irre zu führen. "Wir" hat Gänsehautmomente, aber dass es von jedem Menschen eine andere, eine negative Seite, einen dunklen Zwilling gibt, ist in der Kunst eine Binse, die schon im Mittelalter Bildnisse und Schreckensgeschichten bevölkerte. Peel mischt noch ein wenig Sozialkritik unter, indem er die Doppelgänger, die „Verketteten“ als Ausgestoßene inszeniert, die das „Leben im Licht“ ihrer Zwillinge nach jahrzehntelanger Unterdrückung übernehmen wollen. Diesem Gedanken in die Tiefe folgt Peele aber nicht.

Der Film bietet Stückwerk in einer Geschichte, die auch in einer Vorabendserie des Privatfernsehens erzählt werden könnte: Eine Familie fährt in Urlaub und gerät in die Auswirkungen verrückter Irgendwasse. Im Horrorkino der 1950er Jahre waren das meistens Außerirdische. Heute Zwillinge. Mehr ist nicht.

Wertung: 2 von 8 €uro
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