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Plakatmotiv: Man spricht deutsh (1988)

Keine Erzählung, aber
eine geile Nummernrevue

Titel Man spricht deutsh
Drehbuch Hanns Christian Müller & Gerhard Polt
Regie Hanns Christian Müller, BRD 1988
Darsteller

Gerhard Polt, Gisela Schneeberger, Dieter Hildebrandt, Werner Schneyder, Michael Gahr, Enzo Cannavale, Siegfried Mahler, Elisabeth Welz, Isa Haller, Thomas Geier, Pamela Prati, Ambrogio Chirico, Giulio Marchetti, Luigi Tortora, Gottfried Drexler, Luigi Coppa, Andrea Castaldi, Ovidio Talto u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 84 Minuten
Deutschlandstart
18. Februar 1988
Inhalt

Die von deutschen Pauschaltouristen bevölkerte italienische Adria: Familie Löffler aus Bayern – die Eltern Erwin und Irmgard mit dem elfjährigen Sohn Heinz-Rüdiger – rüsten zum letzten Urlaubstag am sonnigen Strand. Das Auto ist schon gepackt und muss im Auge behalten werden, denn das Risiko ist groß, „wimmelt“ es doch überall von Italienern. Vater Erwin genießt sein Flaschenbier, Mutter Irmgard philosophiert über Sonnencremes, Sohn Heinz-Rüdiger erbettelt sich von erschöpften Genießern um jeden Preis ein Eis nach dem anderen.

Nach und nach gleitet das Ehepaar in der brütenden Hitze in diverse Tagträume von willigen Sexbomben wie Violetta und Fräulein Häberle und attraktiven Playboys in Gestalt wie Herrn Eigenbrodt oder Herrn von Bornstedt. Da diese Träume fast in Katastrophen enden, bedeutet das Aufwachen geradezu Errettung. Nach einem letzten Foto von der lädierten Idylle macht man sich auf die Reise gen Norden, auf dem "Chianti-Schnellweg", der seit Stunden verstopft ist …

Was zu sagen wäre

Wissen's. Des san einfach Mängel da herunten in Italien, mit denen muss man leben“, klagt Irmgard und meint die Grundlagen der Zivilisation. „Diese Italiener mit ihrem Weißbrot. Ich kann's nimmer sehen!“ Das Leben als deutscher Tourist im unterernährten Ausland ist ein Grauen. So schön haben sie es da. Und dann sind sie so unordentlich. Oder anders: Und dann haben sie so viele Italiener da. Das Gefühl, das sich "Man spricht deutsh" zunutze macht, ist dieses Schamgefühl des Deutschen, im europäischen Ausland auf Deutsche zu treffen. Denn die sind alle so, wie die Löfflers in diesem Film.

Und auch wir sind wie die Löfflers in diesem Film. Das macht das Grauen perfekt. Beinahe möchte man "Man spricht deutsh" zum besten Horrorfilm des Jahres ernennen: Erwin Löffler, der alles an Italien schätzt, bis auf die Italiener, die Staus am Brenner, die undeutsche Organisation und Strandhändler, grusliger als Freddy Krueger. Der pummelige Heinz Rüdiger, der angefressene Schweinsköpfe, auslaufende Ölfässchen und zerfledderte Fische an Land trägt – „Komma dön mit hoam nehma?“ – gnadenloser als Mike Meyers.

Im Kinosessel schaut man dem Treiben auf der Leinwand zu und weiß sich auf der richtigen Seite. Natürlich ist man nicht so wie die Löfflers und die anderen Figuren da oben. Aber natürlich ist man genau so! Auch, wenn man selbst noch nie eine menschliche Kackwurst in den Schnorchel gesogen hat, wie Erwin in diesem Film, der daraufhin so einen „öden Geschmack im Mund“ verspürt, kennt man dieses wolkige Gefühl, unter lauter freundlichen Nachbarn fremd zu sein. Weil man halt fremd ist!

Italien ist das Sehnsuchtsland der Deutschen. Seit die ersten VW Käfer vom Band gelaufen sind, gilt das Land im Stiefel als bester Freund der Touristen. Allerdings handelt es sich dabei um das Land, das die Deutschen sich erträumen, nicht um das, das die italienischen Eingeborenen verwalten. Und so wundern sich die italienischen Kioskbesitzer über sogar im Urlaub hektische Deutsche, die ihren Espresso lieblos in den Rachen kippen, freuen sich aber auch über den dreifachen Preis, den diese Nordländer dann klaglos dafür bezahlen. Und die 90 Mark für die Poseidonplatte am letzten Urlaubstag – „Alles frish!“ – die nur aus Fisch oder unkaputtbaren Hummern besteht, nehmen sie hin. Sie wollten es halt nochmal krachen lassen.

Und dazwischen klingeln immer wieder die Bayern-3-Verkehrsnachrichten aus dem Transistorradio der fränkischen Strandnachbarn, die über die Urlaubswochen ein ausgeklügeltes Kühlsystem für ihr von daheim mitgebrachtes Bier entwickelt haben. Merke: Der Urlaub ist erst ein guter Urlaub, wenn man neben einhundert Prozent Sonnentagen auch eine staufreie Hin- und Rückreise referieren kann.

Was dem Film, der über maximal unentspannte deutsche Pauschalurlauber berichtet, fehlt, ist eine Geschichte. Wir lernen Familie Löffler – Erwin, Irmgard, Heinz-Rüdiger – mit ihrem latenten Italiener-Misstrauen kennen und wir erleben allerlei Situationen oder im brütend heißen Sonnenmilchnebel erträumte Romanzen, die mal mehr, mal weniger lustig sind. Die aber nirgendwo hinführen. Entkernt man das Drehbuch von allen Bildern, die die Ausstatter für die Kamera ersonnen haben, bleibt Kabarett. Nichts gegen Kabarett. Aber Kabarett ist nicht Kino.

Kino ist mehr als hinterfotzige Menschen auf der Bühne.

Hanns Christian Müller nimmt den letzten Urlaubstag einer deutschen Familie, um mit seinem Co-Autor Gerhard Polt plakativ die deutsche Urlauberseele zu entblößen. Und da packen die beiden dann alles rein, was für sie Humorpotenzial hat. Man mag es beinah entlarvend nennen, aber selbst als unsere Parade-Deutschen in sonnenmilchvernebelte, erotische Tagträume versinken, wissen sie immer, dass sie am selben Abend im Auto gen Heimat sitzen müssen. Weil ja ihre Frau wartet, sie gegen den Stau gewinnen und dem heimischen Chef pünktlich gegenübersitzen wollen.

Aber all diese Elemente führen halt nirgendwo hin. Man könnte sagen: Die Erzählzeit ist gleich 84 Minuten. Die erzählte Zeit gleich Null. Wir erleben eine Nummernrevue, die von großartigen Künstlern befüllt wird. Gerhard Polt (Kehraus – 1983) ist als gefühlsabstinenter Urlaubsabarbeiter wunderbar. Ebenso Gisela Schneeberger (Kehraus – 1983) als Durchschnittsspießerin. Zu ihnen gesellen sich Dieter Hildebrand und Werner Schneyder, die in ihren jeweiligen Traumsequenzen aber kaum mehr verulken, als das, was sie in zurückliegenden Filmen ohnehin schon gezeigt haben.

Am Ende stehe ich wieder vor dem Kino und stelle fest, dass Kehraus vor fünf Jahren noch eine Geschichte aus dem kalten, verschneiten München erzählt hat, in die viele Episoden eingewoben waren. Das Drama des Menschen war offensichtlich.

Am Ende von "Man spricht deutsch" ist das Drama nicht offensichtlich, aber eine geile Nummernrevue.

Wertung: 5 von 10 D-Mark
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