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VHS-Cover: Der Musterschüler
Der Thriller verreckt
auf halber Strecke
Titel Der Musterschüler
(Apt Pupil)
Drehbuch Brandon Boyce
nach der gleichnamigen Shortstory von Stephen King
Regie Bryan Singer, USA, Frankreich 1998
Darsteller
Brad Renfro, Ian McKellen, Joshua Jackson, Mickey Cottrell, Michael Reid MacKay, Ann Dowd, Bruce Davison, James Karen, Marjorie Lovett, David Cooley, Blake Anthony Tibbetts, Heather McComb, Katherine Malone, Grace Sinden, David Schwimmer u.a.
Genre Drama
Filmlänge 111 Minuten
Deutschlandstart
24. Juni 1999
Inhalt

Die Banalität des Bösen erschließt sich dem 16jährigen Todd Bowden erstmals, als er an seiner Schule einen Kurs über den Holocaust besucht. Vom Thema fasziniert, beginnt er, sich mit dem Grauen des Nationalsozialismus zu beschäftigen und stößt dabei auf ein Foto, auf dem er einen Bewohner seiner Heimatstadt als den ehemaligen KZ-Offizier Kurt Dussander erkennt.

Er droht, Dussander, der jetzt unter dem Namen Arthur Denker lebt, an die Polizei auszuliefern, sofern dieser nicht detailliert seine grausamen Taten in den Konzentrationslagern erzählt. Mit diesen Geschichten will Todd seine eigenen unterschwelligen Macht- und Gewaltphantasien befriedigen. Das klappt nicht. Statt dessen erleidet er davon Albträume und Visionen, in denen er sich selbst als Opfer in einer Gaskammer sieht. Gleichzeitig findet er Geschmack am faschistoiden Machtgebaren.

Kinoplakat (US): Apt PupilIm Laufe der Zeit entwickelt sich zwischen Todd und Denker eine komplizierte Beziehung wechselseitiger Macht- und Schamgefühle. Zunächst zwingt Todd Denker durch die Drohung ihn bei der Polizei anzuzeigen zum Erzählen, später will er zeitweise "abspringen", aber Denker erklärt ihm, dass es jetzt kein Zurück mehr gebe. Denker behauptet, er habe seinerseits ein belastendes Dossier über Todd erstellt; wer einen nationalsozialistischen Verbrecher decke, stehe genauso in der öffentlichen Verachtung wie derjenige, der die Tat selbst begangen hat.

Auch bringt ihm Denker bei, dass Todd noch nicht das "Zeug" zu einem SS-Mann habe. Hierzu gehöre die Lust am Töten von Menschen …

Was zu sagen wäre

Ein Junge öffnet die Büchse der Pandora und wird die Albe, die er rief, nicht mehr los. Was Stephen Kings Novelle „Apt Pupil“ so furios macht, ist deren Konsequenz – die Höllenfahrt des Büchsenöffners. Bryan Singer lässt den Jungen in der Filmversion von der Klinge springen. Das macht die Story beliebig. Dabei fängt der Film mit den beiden Hinguckern „Nazi-Gräuel“ und „Stephen King“ so angenehm unaufgeregt an.

Würde nicht Ian McKellen diesen Nazi-Schergen spielen, dann wäre der Film möglicherweise bald vergessen. Brad Renfro, der den Musterschüler spielt, setzt sehr auf den gänsehautigen Eindruck, den seine tot wirkenden Augen hervorrufen können. Er gibt sicher sein Bestes, aber er ist wohl noch nicht so weit, dass er glaubhaft spielen könnte, warum in drei Teufels Namen dieser Musterschüler das alles unbedingt wissen will. Überhaupt, was die Motivationen in dieser höchst motivierten Geschichte angeht, wirkt der Film schlampig.

Einen Moment lang denkt man noch über stell-Dir-vor-in-Deiner-Nachbarschaft nach und dann die Erotik des KZ-Grusels, aber dann fehlt dem Film jener Twist, der ihn unsterblich, der die Textvorlage zwingend macht. Und so bleibt es ein artiger Kleinstadt-Buben-Film. Aber der Kleinstadt-Buben-Film mit der Galavorstellung des Ian McKellen.

An diesem Grandseigneur kann man studieren, was Schauspielerei bedeutet – sich eins fühlen mit der Figur, die man spielt. Ich habe den ganzen Film über nicht den Eindruck, dass McKellen sich unwohl fühlt in seiner Rolle, im Gegenteil: Er versinkt darin, und diese Liebe zum Monster bekommt der Figur auf der Leinwand ausnehmend gut.

Wertung: 6 von 11 D-Mark
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