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Plakatmotiv: Die Känguru-Chroniken (2020)

Eine Komödie auf dem 70er-Jahre-Niveau
von "Buddy haut den Lukas" und "Klimbim"

Titel Die Känguru-Chroniken
Drehbuch Marc-Uwe Kling
nach seinem gleichnamigen Roman
Regie Dani Levy, Deutschland 2020
Darsteller

Marc-Uwe Kling, Dimitrij Schaad, Rosalie Thomass, Adnan Maral, Tim Seyfi, Carmen-Maja Antoni, Bettina Lamprecht, Henry Hübchen, Oskar Strohecker, Daniel Zillmann, Moritz Katzmair, Fred Aaron Blake, Janina Agnes Schröder, Paulus Manker, Lena Dörrie, Katrin Pollitt, Nils Dörgeloh, Axel Werner u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 92 Minuten
Deutschlandstart
5. März 2020
Inhalt

Wie reagiert man, wenn plötzlich ein Känguru ungefragt bei einem einzieht? Kleinkünstler Marc-Uwe gibt resigniert nach und versucht, sich auf den energiegeladenen Mitbewohner einzulassen. Doch nicht nur das Känguru bringt Trubel in sein Leben. Der Immobilienhai Jörg Dwigs möchte ausgerechnet in Marc-Uwes Kiez, mitten in Kreuzberg, ein gigantisches Monument errichten – und dafür das halbe Viertel abreißen.

Das wollen sich Marc-Uwe und das Känguru nicht gefallen lassen. Mithilfe der cleveren Nachbarin Maria, dem türkischen Kioskbesitzer Friedrich-Wilhelm und anderen Kiezbewohnern führen sie einen Kleinkrieg gegen Dwigs' Schergen. Der reiche Geschäftsmann, der zugleich Vorsitzender der rechtspopulistischen Partei AZD ist, kämpft mit unfairen Mitteln.

Doch der Kleinkünstler und das Känguru haben nicht nur äußerst kreative Einfälle, sondern sind auch im Besitz von Dwigs' glücksbringender Hasenpfote …

Was zu sagen wäre

Die Aufregung in der Fangemeinde war gewaltig: Die "Känguru-Chroniken" werden verfilmt, die Texte und Radiogeschichten von Marc-Uwe Kling. Und weil auch die Fangemeinde gewaltig ist, konnten die Produzenten von einem sicheren Hit ausgehen, den sie da vor die Kamera holen.

Und dann kam Corona, kaum dass der film gestartet war. Seinen Siegeszug konnte das aber nicht mehr aufhalten. Nach vier Tagen im Kino hatten den Film schon 375.000 Menschen gesehen – eine gewaltige Zahl für eine deutsche Komödie. Fans sind treuherzig und geduldig. Sie lieben ihr Känguru und also kaufen sie eine Kinokarte. Für einen Film mit einem tatsächlich knuffigen Titelhelden. Das animierte Känguru ist ein fröhlicher Sparringspartner für seinen Mitbewohner Marc-Uwe.

Ein kommunistisches Känguru zieht bei einem sich als Anarchisten gebenden Kleinkünstler ein. Der schläft bis mittags, bekommt nichts auf die Reihe, verdient folglich kein Geld, lebt aber in einer großen Kreuzberger Wohnung. Die soll abgerissen von einem Porsche fahrenden Bauherrn, der gleichzeitig Chef einer rechtsextremistischen Partei ist. Plakatmotiv: Die Känguru-Chroniken (2020) Dann füllen noch ein paar Baseballschläger schwingende, unsmarte, schwabbelige Neonazis die Leinwand, der Rest ist Slapstick und gehobener Wortwitz, Marc-Uwe Klings Wortwitz aus der literarischen Vorlage.

„Es ist ein ewiger Kampf“, raunt das Kinoplakat. Man fragt sich nur, wogegen. Oder wofür? Gegen ein gutes Drehbuch? Für Stereotype? Wer unbeleckt, also die Vorlage nicht kennend, im Kinosessel sitzt und auch die Begeisterung vor allem in deutschen Familien mit schulpflichtigen Kindern über die Känguru-Chroniken nicht mitbekommen hat, fühlt sich in einen Film aus den 1970er Jahren zurückversetzt. Überzeichnete Figuren führen Klischeefiguren vor – betrügerische Bauunternehmer, künstlerische Verlierer, karrieregeile Frauen, tumbe Nazis, freundliche Nachbarinnen, die mit ihrem Laptop jeden Computer knacken, intrigante Rechtspolitiker, dazwischen ein Fantasiewesen, das von allen als Teil des Geschehens akzeptiert ist, in einer Geschichte, die auf der großen Leinwand keinen Hund hinter dem Ofen hervorlockt. Wir schreiben das Jahr 2020 und immer noch kämpfen idealistische Hobby-Anarchisten im Bademantel gegen böse Kapitalisten aus dem Kinderprogramm, die mit Betrügereien aus der Mottenkiste durchkommen? Neben dem Känguru selbst macht da Henry Hübchen als besagter Bauunternehmer noch die beste Figur; der hat augenscheinlich Spaß an seiner Rolle unter hoch toupierter Blondhaar-Perücke. Ob Dani Levy Spaß auf dem Regiestuhl hatte, ist nicht zu erkennen.

Levy ist einer von denen, die das Känguru und den Hype darum vorher nicht kannten, sagt er in einem RBB-Interview, es seien seine Kinder gewesen, die ihn zu dem Regieposten überredet hätten. Die Arbeit am Film, aus den anekdotisch angelegten Vorlagen eine stringente Geschichte zu zimmern, sei eine für ihn „sehr nützliche Erfahrung“ gewesen. Ich weiß nicht, was das heißen soll, aber es klingt, als wüsste Levy es auch nicht. Der Film lebt vom schon mal Gegessenen. Alle Witze sind aus den Vorlagen bekannt, wo sie in Form großartig geschriebener Dialoge und lakonischer Off-Kommentare vor dem inneren Auge des Lesers ein turbulentes Eigenleben entwickeln. Im Film rutscht der lakonische Off-Kommentator, der Kleinkünstler Marc-Uwe, in die Handlung vor der Kamera. Er kommentiert nicht mehr sein Stolpern. Er stolpert selbst. Das ist in den wenigsten Fällen witzig und in allen Fällen aus der Zeit gerutscht. Da hilft es auch nicht, wenn das Drehbuch dauernd Anleihen bei Kinoklassiker nimmt, im Gegenteil. Wenn da plötzlich Christopher Walkens Monolog aus Pulp Fiction über eine Uhr, die der Vater in Kriegsgefangenschaft jahrelang in seinem Hintern versteckt hatte, zitiert wird – mit einer Hasenpfote anstelle der Uhr – macht das allerhöchstens den Niveauunterschied zum Original deutlich, auf dem sich der Känguru-Film bewegt. Dann prügeln sich ein nachgemachter Bud Spencer und ein nachgemachter Terence Hill durch die Kneipe und sichern dem Film, seinen Helden und seinen Schurken das ihnen gebührende Niveau: die 70er Jahre zwischen "Buddy haut den Lukas" und "Klimbim".

Wertung: 3 von 8 €uro
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