In der rabiaten Kunstszene von Los Angeles stößt die aufstrebende Agentin Josephina auf Hunderte von schillernden Gemälden, deren Erschaffer, ein älterer Mieter, in ihrem Gebäude gestorben ist. Sie ignoriert die Anweisungen, die der unbekannte Künstler hinterlassen hat, sein Werk solle zerstört werden, und beginnt sofort damit, die Gemälde in Umlauf zu bringen.
Die Gemälde ziehen schnell die Aufmerksamkeit der Schwergewichte der Kunstszene auf sich, so die ihrer Chefin Rhodora Haze, des Kunstkritikers und Josephinas Geliebten Morf Vandewalt und einer Reihe von Sammlern und Kuratoren wie Bryson und Gretchen. Bald herrscht helle Aufregung in der Kunstszene, und die Kunstwerke des bislang unbekannten Malers sorgen für höchste Euphorie.
Doch die Begeisterung hat ihren Preis, wie nicht nur die Käufer recht schnell merken, denn eine übernatürliche Kraft scheint all jene zu bestrafen, die von der Arbeit des verstorbenen Künstlers profitieren …
Es beginnt als Farce, als Satire auf den internationalen Kunstbetrieb und entwickelt sich zum Horrorfilm irgendwo zwischen Halloween und Get Out. Dan Gilroy zeigt uns die Welt der schönen Künste, die weder schön noch kunstvoll ist. Es geht um Geld. Das ist nicht wirklich eine Überraschung. Aber Gilroy findet gänsehautige Momente.
Der Regisseur hat seinen Film gut besetzt. Jake Gyllenhaal, Rene Russo, Toni Colette und die noch wenig bekannte Zawe Ashton tragen durch die wenig treibende Handlung. Lange passiert nicht viel. Außer, dass Handwerk missbraucht und Kunst verkauft – ach was: verschachert – wird. Regie führte Dan Gilroy, der auch das Drehbuch schrieb. Der hat schon in Nightcrwaler (2014) die Arbeit der Unfallreporter mit Gyllenhaal und Russo decodiert, ist also offenbar ein Regisseurt mit Anliegen in Sachen Medien – Gemälde sind ja auch Medien. Er nimmt sich Zeit. Da erleben wir, wie unbekannte Künstler in Ausstellungskalender gedrückt werden, weil reiche Sammler dadurch eigene Sammlungen aufwerten. Einflussreiche Kritiker lancieren Kritiken vorab an Freunde, damit die, bevor die Kritik erscheint, gelobte Werke billig erwerben können. Galeristen buhlen um Künstler und rutschen dabei auf ihrer eigenen Schleimspur aus.
Zwanzig Minuten lang ist „Velvet Buzzsaw“ eine ebenso böse wie oberflächliche Parodie auf den Kunstmarkt und seine zynischen Gesetzmäßigkeiten. Auf der Art Basel Miami stolziert Kunstkritiker Morf Vandewalt gelangweilt durch die ausgestellten Werke, die an seinen eigenen Glanz nicht heranreichen. Seine Kritiken machen Künstler bankable. Oder vernichten Künstler. Um ihn herum ein buntes Kunstvolk mit Kunstnamen wie Rhodora Haze, Damrish, Gretchen, Coco oder Jon Dondon. Sie alle hängen an seinen Lippen, wo sie den nächsten Trend erhoffen – vor allen anderen.
Dann ändert der Film die Tonlage, weg von der schrillen Satire über einen L. A.-Kunstkrimi zum Horrorfilm über Bilder, in denen die Dämonen ihres Schöpfers weiterleben. Nicht länger ist in diesem Film die Kunst hilflos den Menschen und ihren blasierten Blicken ausgesetzt, die Eitelkeiten bedienen und Gier befriedigen. Abseits der glänzenden Ateliers, jenseits des Großbetriebes einer Art Basel Miami hat in L.A. ein unbekannter Künstler in einer Messi-Wohnung düstere Phantasien in Öl verewigt. Es sind Bilder von brachialer Schönheit und leuchtender Traurigkeit. Im Gegensatz zu den für einen Markt und rechnende Sammler erzeugten abstrakten „Kunstwerke“, die in Galerien hängen, hat hier einer sein Innerstes nach außen gemalt. Der Mann heißt Ventril Dease, aber das ist nicht wichtig; als wir ihn das erste Mal sehen, ist er schon tot. Der alleinstehende Künstler hat verfügt, dass seine Bilder vernichtet werden. Die Galeristin Josephine aber, die eine Etage unter dem Mann wohnt, denkt gar nicht daran und schnell öffnet sich für die düsteren Bilder ein gewaltiger Markt.
Dem gewaltigen Markt bekommt das nicht, denn die inneren Dämonen des Künstlers machen jeden, der sich an ihnen bereichern will, zum Opfer bizarrer Morde. Wer vom Weg der reinen Kunst abkommt, den ereilt dasselbe Schicksal wie sonst im Horrorfilm die Partystudenten, die eine falsche Abkürzung nehmen, und das Monster ist hier die Kunst. Einer Museumskuratorin etwa wird von einer chromglänzenden Skulptur, „Sphere“ genannt, der Arm abgerissen, sie verblutet im nächtlichen Museum und als am nächsten Morgen die ersten Besucher kommen, halten sie die Leiche in der großen Blutpfütze für einen Teil der Kunst. Es ist der brutalste Mord des Films, aufgelöst in Sarkasmus.
Die anderen Morde sind weniger splatteresk, sind eleganter. Die Kunst beißt zu, würgt und verbrennt. Ein Bild saugt einen gierigen Galerie-Assistenten ein, andere ertränken eine Betrachterin in ihren Farben, eine Tätowierung mit der Kreissäge aus dem Originaltitel „Velvet Buzzsaw“ beginnt ihr blutiges Werk direkt da, wo sie eingestochen ist.
Ein elegant fotografierter Film, der auch elegant bleibt, als die Kunst ihr farbenfrohes Morden längst begonnen hat.