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Plakatmotiv: Phoenix (2014)

Interessante Ausgangssitutaion.
Und dann sehr deutsch erzählt.

Titel Phoenix
Drehbuch Christian Petzold + Harun Farocki
nach einem Roman von Hubert Monteilhet
Regie Christian Petzold, Deutschland, Polen 2014
Darsteller
Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Nina Kunzendorf, Trystan Pütter, Michael Maertens, Imogen Kogge, Felix Römer, Uwe Preuss, Valerie Koch, Eva Bay, Jeff Burrell, Nikola Kastner, Max Hopp, Megan Gay, Kirsten Block u.a.
Genre Drama
Filmlänge 98 Minuten
Deutschlandstart
25. September 2014
Inhalt

Deutschland im Herbst 1945, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Jüdin Nelly Lenz wird nach ihrer Gefangenschaft im KZ Auschwitz von ihrer Freundin Lene mit dem Auto nach Berlin gebracht. Nelly überlebte ihre Erschießung im Lager, hat aber dabei schwere Gesichts- bzw. Kopfverletzungen erlitten. Diese werden durch eine Gesichtsoperation behoben, aber ihr Aussehen ist verändert. Lene, die bei der Jewish Agency arbeitet, kümmert sich intensiv um Nellys Wohlergehen und forscht in Archiven nach dem Schicksal der Angehörigen von Nelly. Sie findet heraus, dass deren ganze Familie umgebracht worden ist und Nelly eine beträchtliche Summe geerbt hat.

Außer Lene weiß niemand, dass Nelly überlebt hat. Lene möchte, wenn alle Erbschaftsangelegenheiten geregelt sind, gerne mit Nelly zusammen nach Palästina auswandern. Doch Nelly will von diesem Plan wenig wissen. Sie will stattdessen ihren Mann Johnny wiedersehen. Johnny war früher Klavierspieler und Nelly Sängerin. Da Lene herausgefunden hat, dass Johnny Nellys Versteck an die Nazis verraten hat, ist sie von dieser Idee nicht begeistert.

Nelly glaubt Lene nicht, dass Johnny sie verraten hat, und macht sich alleine auf die Suche nach ihm. Als sie ihn in dem Nachtclub Phoenix findet, erkennt er seine Ex-Frau nicht. Er ist davon überzeugt, dass sie tot ist. Er bemerkt nur die große Ähnlichkeit und macht ihr ein Angebot: Sie soll Nellys Rolle spielen, damit er an die Erbschaft der vermeintlich Verstorbenen herankommt. Nelly, die sich als 'Esther' vorgestellt hat, lässt sich darauf ein …

Was zu sagen wäre

Der Film spielt in Deutschland im Herbst 1945, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Deutschland, Stunde Null also. Wichtiges, unerschöpfliches Thema für Künstler, Autoren, Fotografen, Regisseure. Wie konnte es soweit kommen? Wie gehen wir damit um?

Plakatmotiv: Phoenix (2014)Andreas Petzold nimmt die Perspektive der Opfer ein. Die Jüdin Nelly überlebt das KZ, trifft auf ihren Verräter, der gleichzeitig ihr Liebhaber war, der sie nicht mehr erkennt, weil ihr im KZ das Gesicht weggeschossen und dann neu modelliert wurde. Da steckt Zündstoff drin. Eigentlich. Aber es ist dann doch klassisches Petzold-Kino: Er wirft uns in eine Handlung, die noch kein Ziel hat, zwingt uns im Kinosessel, zwei wunderbaren Schauspielerinnen (Nina Kunzendorf und Nina Hoss) bei der Ausübung ihres (Schauspielerinnen)Jobs zuzuschauen und fordert uns auf, zu glauben, dass aus der versehrten und der zerstörten Frau schon eine Geschichte entstehen wird. Die lakonischen Einstellungen seines Kameramannes Hans Fromm, so bunt, kontrastreich und Der-dritte-Mann-mäßig sie auch sein mögen, magnetisieren da eher nicht. Das Spiel von Nina Kunzendorf und Nina Hose hingegen tun es. Es ist eine komische Art von Kino, vom deutschen Feuilleton Berliner Schule genannt, das mich zwingt, acht Euro auszugeben in dem Vertrauen, dass der Regisseur, der ein wenig arrogant darauf vertraut, dass das Feuilleton und später die Programmzeitschriften potenziellen Zuschauern schon sagen werden, worum es geht, und diese die ersten 30 Minuten also einfach ertragen, mich schon nicht im Stich lassen wird. Nach 20 Minuten deutet sich aber immer noch nichts an – Wohnung in Haifa? In Tel Aviv? Es ist von „einem Vermögen“ die Rede. Es helfen die eindrücklichen Nebenbeibilder des Deutschlands zur Stunde Null.

Das ändert sich schlagartig, als nach 30 Minuten deutlich wird, dass Nelly Johnny sucht, ihren Ex, der sie aber nicht wiedererkannt nach der Gesichtsoperation und laut Lene Winter „jetzt hinter ihrem Geld her ist“. Da kommt Spannung ins Spiel. Und fünf Minuten später will man das Kino nicht mehr verlassen. Pygmalion/Vertigo im Deutschland Stunde Null: Ein Mann versucht – ahnungslos – seiner Frau beizubringen, so auszusehen, so zu wirken wie seine Frau. Eine Traumrolle für Nina Hoss, Petzolds Muse, diese zerbrechliche Blonde, die nur lächeln muss, dass die Leinwand erstrahlt. Zu lächeln hat Hoss als Nelly aber wenig. Ihr Spiel zwischen Hingabe für Johnny, Überlebende KZ-Insassin und Doppelspiel für und gegen Johnny, dass sie verheimlicht, tatsächlich Nelly zu sein, zwischen passiv und aktiv, ist beeindruckend. Nina Hoss ist tatsächlich vielseitig, emotional, großartig. Denn dieser Johnny ist das, was die Nazis eigentlich den Juden vorwarfen: Er will über die versehrte Frau an das Vermögen seiner vermeintlich gemordeten Frau rankommen. Johnny will an Nellys Erbe. Während Nelly, die Jüdin ihren geliebten Johnny zurückhaben will, von dem sie nicht glaubt, dass der sie an die KZ-Schergen verraten hat. Dass Petzold dabei gleich das alte Urteil weiterstrickt, wonach die Juden das Geld und der Deutsche den Hunger hat, spielt hier keine Rolle.

Der Film heißt wie der Nachtclub, „Phoenix“, in dem Nelly Johnny findet, aber er deutet auch hin auf jenen Feuervogel, der verbrennt und – wie Nelly – aus der Asche strahlend wieder aufersteht. In einigen Gelenk-Szenen, die nötig sind, das ganze Drehbuchkonstrukt zusammenzuhalten, bricht dann wieder die Ultima Ratio deutscher Autoren durch: Da muss es ein Suizid sein, um schwarze, tiefe Emotion zu erzeugen; dabei hätte an dieser Stelle auch eine Trennung gereicht! Aber natürlich: Wenn sich in einem deutschen Film über die deutsche Nachkriegszeit eine Jüdin selbst tötet – aus welchen Motiven letztlich auch immer – stimmt die Intention des Autors: Deutschland mordet noch, als der Krieg lange vorbei ist. Die emotionale Qual endet nicht. Das mag wahr sein. Hier ist das Suizid-Element billig, weil überflüssig.

Wenn der Film auf seinen Höhepunkt zusteuert, schrumpft das sich bis dahin entwickelte Drama in L'art-pour-l'art-Geschwurbel zusammen. Den letzten Akt eröffnet eine Szene, in der sich am Bahnhof alle in dieser schwierigen Gefühlswelt Verstrickten treffen, zu einem Konzert. Es ist die Szene, in der die Emotionen explodieren müssten in Wiedersehensfreude, in Schlechtem Gewissen, in Einsamkeit, in Wissen um Verrat, da … zieht sich Petzold auf geradezu Brecht'sches Akklamation-Theater, auf statuarisches Aufsagen von Drehbuchsätzen-mit-Message zurück. In den letzten zwanzig Minuten gerinnt der Film zur Farce eines Films. Da ist Attitüde statt Leben, Behauptung statt Sein, Wortgedrechsel statt Emotion.

Als hätte da ein Regisseur keine Bilder, kein Timing für seine Worte gefunden; kein eigenes Leben, aus dem er schöpfen könnte, statt dessen künstliche Gefühle. Er schämt sich nicht einmal, die letztgültige Gefühlswallung, die Erkenntnis in zwar gutem Schauspiel, aber einem banalen Chanson, den Nelly singt und Johnny spielt – zu ertränken.

Berliner Schule eben.

Wertung: 3 von 8 €uro
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