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Plakatmotiv: Gilda (1946)

One-Woman-Show Rita Hayworths,
die die Männer steif aussehen lässt

Titel Gilda
(Gilda)
Drehbuch Jo Eisinger & E.A. Ellington & Marion Parsonnet
Regie Charles Vidor, USA 1946
Darsteller

Rita Hayworth, Glenn Ford, George Macready, Joseph Calleia, Steven Geray, Joe Sawyer, Gerald Mohr, Mark Roberts, Ludwig Donath, Donald Douglas, Julio Abadía, Enrique Acosta, Ed Agresti, Sam Appel, Sam Ash, Nina Bara, Edward Biby, Robert Board u.a.

Genre Drama, Fim Noir
Filmlänge 110 Minuten
Deutschlandstart
29. Dezember 1949
Inhalt

Auf einer Geschäftsreise lernt Ballin Mundson der Boss eines illegalen Spielcasinos in Südamerika, Gilda kennen, heiratet sie und nimmt sie mit in seine tropische Heimat. In dieser Welt des Glückpiels, der Schmuggler und der Killer trifft Gilda auf Mundsons rechte Hand Johnny Farrell, mit dem sie früher mal eine kurze, aber stürmische Affäre hatte.

Ausgerechnet Johnny erhält von Mundson den Auftrag auf Gilda aufzupassen. Johnny versucht, standhaft zu bleiben und erweckt dadurch Gildas Ehrgeiz, ihn erneut zu verführen. Das Satansweib macht ihm das Leben zur Hölle …

Was zu sagen wäre

Es ist eine Welt der Spünde, in die wir eingeladen werde. Ein illegales Spielkasino in Argentinien in der Zeit, als der Zweite Weltkrieg drüben in Europa zu Ende geht. In diesen Räumen lebt der halbseidene Kapitalismus – Glücksspieler, Schläger, tricksende Croupiers, Frauen, die bei den Männern mit den meisten Chips stehen. Und im Hintergrund die dunklen Mächte, die sich das Treiben auf dem Parkett von oben aus ihrem Büro anschauen und hinter verschließbaren Lamellen geheimnisvoll bleiben.

Unter all diesen Figuren sticht Gilda heraus, gespielt von Rita Hayworth, deren umwerfende Wirkung von der Schwarz-Weiß-Leinwand auf die Männer und Frauen im Kinosaal heute – ich sehe den Film 1979 – nur mehr zu erahnen ist. Sie ist eine offene, sexuell aggressive, lebensfrohe Frau in grandiosen Kostümen (Designer: Jean Louis) unter roter Wallemähne, die den Männern Paroli bietet und so gar nichts hat vom kühlen Charme anderer Frauen, die als eigenständig und offensiv oder gleich als Femme fatale im Kino besetzt werden – nicht so cool wie Lauren Bacall, nicht so giftig und düster wie Barbara Stanwyck. 1946, im Jahr nach Ende von Weltkrieg II, als die GIs aus Übersee zu ihren Familien heimkehrten und der Film in die Kinos kam, muss diese Frau („Wenn ich eine Ranch wäre, würde ich schrankenlose Freiheit heißen.“) wirklich ein Ereignis gewesen sein. Heute fällt neben ihrer offensichtlichen Schönheit weniger ihre damals als skandalös und vermutlich auch verstörend empfundene Offensivkraft auf als mehr ihre Spielfreude in einem Reigen steifer Männer.

Wenn Glenn Ford als Johnny nicht gerade einen anderen niederschlägt, steht er regungslos- und mimiklos herum und spricht Sätze, die ihm das Drehbuch vorschreibt. Bei ihm weiß man nie so recht, was er gerade fühlt – Wut, Trauer, Eifersucht, Melancholie? Er hat immer denselben Ausdruck und ist nicht gut auf Frauen zu sprechen („Laut Statistik gibt es auf der Welt mehr Frauen als alles andere – ausgenommen Insekten.“). Sein Nebenbuhler und Schurke im Stück, Ballin Mundson, mit dem Johnny eine unklare homoerotische Geschäftsfreundschaft pflegt, bewegt sich ebenfalls wenig, trägt dazu noch meist einen schwarzen langen Mantel mit weißem Halstuch, der ihm noch die körperlichen Proportionen raubt. Außerdem schwingt er einen Gehstock, aus dem eine lange Klinge springt, mit der Menschen durchbohrt werden, noch eine sexuelle Komponente in diesem Film. Zwischen den beiden Männern in diesem Casino gibt es Eifersucht, Loyalität, Männerschwüre und die Gewissheit, das Glücksspiel und Frauen nicht zusammen passen, sowie eine internationale Kartellstory, in der Wolframschmuggel eine Rolle spielt. Ballin Mundson plant tatsächlich, durch Wolfram zum mächtigsten Mann der Welt zu werden. Was Wolfram ist oder kann, wird nicht weiter erklärt, es ist auch nicht wichtig für den Film. Dadurch lassen sich halt für die Dramaturgie wichtige An- und Abwesenheiten von Haupt- und Nebenfiguren plausibel erklären.

Es geht nur um die Frau, die dem Film den Titel gibt. Sie taucht nach 17 Minuten im Film das erste Mal auf, "Put the Blame on Mame" summend, mitgebracht von Mundson, der sie in den USA kennengelernt und gleich am nächsten Tag geheiratet hat. Plakatmotiv: Gilda (1946) So, wie er sich seiner neuen Frau gegenüber verhält und die sich ihm gegenüber, ist unklar, ob die beiden eigentlich sowas wie Leidenschaft füreinander spüren. Und nach den homoerotischen Konnotationen in den ersten 17 Minuten – die Männer lernen sich an düsteren Hafenanlagen kennen (was macht der elegant gekleidete Mundson da?), sie trinken dauernd auf ihre „drei kleinen Freunde“ – ist auch offen, ob Gilda und Ballin wenigstens einmal miteinander geschlafen haben. Es wirkt nicht so. Umso mehr nicht, als Gilda potenziell erotische Verhältnisse zu anderen Männern im Film nicht verschweigt oder gar unterdrückt. Aber Ballin erklärt, er sei verrückt nach ihr.

Vielleicht ist er das, weil wir kaum etwas über sie erfahren. Ihr offenbar stürmisches Verhältnis mit Johnny ging irgendwann kaputt, es bleibt offen, warum. Aber wenn Gilda damals schon war, wie sie heute auftritt, mag es an ihrer demonstrativen Treulosigkeit gelegen haben. Sie scheint auf reiche Männer und flüchtigen Sex zu fliegen. Ein Mann sagt ihr: „Ich habe so viel Geld, dass ich nicht weiß, was ich damit machen soll. Und ich bin sehr verliebt in Dich.“ Und sie erwidert: „Das ist eine fabelhafte Kombination.“ Sie wechselt immer wieder die Rolle, ist mal die gehässige Frau, die ihren Ex emotional auswringt, dann wieder die flehende Ehemalige, die nur zu ihrem Johnny zurück will. 1946, als der Film in die Kinos kam, war das womöglich nicht so ausschlaggebend. Damals sollen – vor allem – die Männer ausnahmslos begeistert gewesen sein und werden sich im Kinosessel wahrscheinlich gedacht haben: Ich würde die schon glücklich machen. Beinahe folgerichtig war Rita Hayworth im Privatleben fünfmal verheiratet, was sie mit dem Satz kommentierte: „Every man I’ve known has fallen in love with Gilda and wakened with me.“ (Jeder Mann, den ich kannte, verliebte sich in Gilda, aber wachte mit mir auf.). Ende der 70er Jahre wirkt die Frau Gilda auf den 18-jährigen Mitteleuropäer nicht mehr so unnachgiebig erotisch. Im Grunde wirkt sie zunehmend unsympathisch, was die Orientierung als Zuschauer bei der Suche nach der Identifikationsfigur schwer macht. Bis sich herausstellt, dass Gilda all ihre erotischen Eskapaden nur gespielt hat, um ihren Johnny zu ärgern und/oder eifersüchtig zu machen, und sie eigentlich ein ganz braves, unbescholtenes Mädchen ist, das im Finale mit ihrem Prinzen in den Sonnenuntergang gen USA – die Vereinigten Staaten als allein selig machendes Land abseits der kapitalistischen Unterwelt Südamerikas – laufen darf, übernehmen den Part der Figur für die Sicht der Zuschauer ein freundlicher Polizist mit Menjoubärtchen, der Johnny immer mal wieder zu verstehen gibt, dass er was weiß, was Johnny (noch) nicht weiß, und Onkel Pio, ein Casinoangestellter mit philosophischem Einschlag: „Der Blick aus der Wurmperspektive ist oft der einzig wahre.

Gilda ist eine Tänzerin und damit schon charakterlich nicht zur Femme fatale geeignet. Frauen, die tanzen, sind im Film im allgemeinen keine Bad Girls. Das wird deutlich, wenn Gilda zum Finale ihren Striptease zu "Put the Blame on Mame" tanzt, das sich als ironische Metapher entpuppt, mit der sie sich als missverstandene und eigentliche Heldin des Films zu erkennen gibt.

Wertung: 4 von 6 D-Mark
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