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Kinoplakat: Blair Witch Project
Ein interessantes Experiment, das
nicht für die große Leinwand taugt
Titel Blair Witch Project
(The Blair Witch Project)
Drehbuch Daniel Myrick + Eduardo Sánchez
Regie Eduardo Sanchez & Dan Myrick, USA 1999
Darsteller Heather Donahue, Michael C. Williams, Joshua Leonard, Patricia DeCou, Bob Griffin, Jim King, Sandra Sánchez, Ed Swanson, Mark Mason, Jackie Hallex u.a.
Genre Horror
Filmlänge 81 Minuten
Deutschlandstart
25. November 1999
Inhalt

Am 21. Oktober 1994 wandern Heather Donahue, Joshua Leonard und Michael Williams im Maryland Black Hills Forest. Sie wollen eine Dokumentation über eine örtliche Legende drehen: „Die Hexe aus dem Dorf Blair”. Anno 1785 soll in Blair eine Frau der Hexerei beschuldigt und in den Wald getrieben worden sein; kurze Zeit später verschwanden ihre Ankläger und einige Dorfkinder für immer.

Die drei Filmstudenten Heather, Joshua und Michael bewaffnen sich also mit einer Video- und 16-mm-Kamera und begeben sich auf Hexenjagt. Man hört nie wieder von ihnen. Ein Jahr später wird ihr Filmmaterial gefunden. „The Blair Witch project” ist ihr Vermächtnis. Es dokumentiert die quälende, fünftägige Reise durch den Black Hills Forest und hält alle jene schrecklichen Ereignisse im Bild fest, die zu ihrem Verschwinden geführt haben …

Was zu sagen wäre
Der Film beginnt mit einer Text-Einblendung: „Im Oktober 1994 verschwanden drei Studenten in den Wäldern von Burkittsville, Maryland, beim Dreh eines Dokumentarfilms. Ein Jahr später wurden ihre Filmaufnahmen gefunden.”

Die profitabelste Filmproduktion aller Zeiten

„The Blair Witch Project” ist ein Meilenstein in der Geschichte des Films. Man muss ihn nicht mögen – die Zuschauer liebten ihn, die Kritiker lehnten ihn ab – aber er hat einen neuen Stil geprägt – den Found-Footage-Stil – und einen unglaublichen Gewinn an der Kinokasse erzielt. Knapp 37.000 Dollar hat die Produktion gekostet. Im ersten Monat seiner Aufführung hat der Film 170 Millionen Dollar eingespielt. Am Ende machte die Produktion bei 248.639.099 Dollar einen Strich drunter. Kurz: die profitabelste Filmproduktion aller Zeiten.

Die jungen Filmemacher hatten in ihrer Kindheit nicht etwa ausgedehnte Familienspaziergänge durch den Wald unternommen und diese Trauma dann im Kino verarbeitet. Nein, sie hatten ordentlich Fernsehen geschaut und dabei waren sie auf eine Doku-Serie gestoßen, die in den 1970er-Jahren populär gewesen war. „In Search of …” führte eine unheimliche Stimme den Zuschauer durch Sendungen voller – angeblich echter – Fotos von Ufos, Außerirdischen und anderen Monstern. Sowas wollten Eduardo Sanchez und Dan Myrik auch mal ausprobieren. Und weil sie schon dabei waren, erzeugten sie den ersten großen Hype im Internet, erfanden das virale Marketing, bevor den Begriff jemand kannte.

Kinoplakat: Blair Witch ProjectDas Virale Marketing wird erfunden

Im August 1998, zehn Monate, nachdem der Film gedreht war, stellten Dan Myrick und Ed Sanchez eine Webpräsenz ins Internet, auf der sie – als Tatsachenbericht getarnt – über das Verschwinden dreier Filmstudenten im Jahre 1994 in den Wäldern um Burkittsville und die Suche nach ihnen sowie den Fund ihrer Ausrüstung – einschließlich der Filmmaterialien – informierten. Auch die Sage der Hexe von Blair wurde erklärt. Fiktive Interviews mit Familienmitgliedern und Bekannten der Verschwundenen machten die Täuschung komplett. Bald schon erreichte die Webpräsenz die Eine-Million-Besucher-Marke.

Der wirtschaftliche Erfolg des Films hat nicht nur einfach eine Fortsetzung notwendig gemacht. Er begründete gleich ein neues Genre, in dem sich vor allem junge Filmemacher tummeln, weil es vermeintlich billig zu produzieren ist – nicht zufällig waren „Blair Witch Projekt” und das später entstandene „Paranomal Activitiy” (Oren Peli, USA 2007) Projekte junger Filmstudenten. J.J. Abrams (Super 8 – 2011; Star Trek – 2009) hat den Stil für seinen – weitaus teureren – Monsterfilm „Cloverfield” (Matt Reeves, USA 2008) gewählt. „Blair Witch Project” ist der Grundstein dieser Mockumentary (englisch (to) mock: „vortäuschen, verspotten” (sich mokieren) und documentary: „Dokumentarfilm”).

Echter Schrecken im fiktiven Dreh

Die Schauspieler dieser fiktiven Dokumentation müssen während der Dreharbeiten im Oktober 1997 eine ähnliche Tortur durchgemacht haben wie ihre Rollenvorbilder. Für je 1.000 Dollar Gage verbrachten Heather Donahue (24 Jahre), Joshua Leonard (24 Jahre) und Michael Williams (26 Jahre) zwei Wochen im Seneca Creek State Park von Maryland; sie mussten – kein Kameramännlein stand im Walde – die meisten Bilder selbst drehen, die Ausrüstung schleppen (alles, was nötig ist, um je eine 16-mm- und einer Hand-Videokamera zu betreiben) und wussten nie genau, wo sie eigentlich sind. Die drei Schauspieler hatten einen Einführungskurs in die Kameraführung besuchen können und hatten im Wald acht Tage Zeit, um den Film in den Kasten zu bringen. Ihre einzige Verbindung zu den Regisseuren war ein Walkie-Talkie, über das sie genauere Informationen erhielten, wo ihr nächster Drehort sein würde. Den konnten sie mit Hilfe eines GPS-Navigationssystems erreichen. Ein genaueres Drehbuch gab es nicht, der gesamte Text wurde improvisiert. Sie bekamen, so heißt es, von Tag zu Tag weniger zu essen; nachts hörten sie merkwürdige Geräusche, oder es wurde plötzlich an ihren Schlafsäcken gezerrt. Allerdings war das Ganze keine Hexerei, sondern kalkulierter Psychoterror der Regisseure Myrick (35 Jahre) und Sanchez (30 Jahre), die sich ansonsten meist im Unterholz versteckten: Dreharbeiten als Überlebenskampf.

Im Film wie im Leben reagiert das Trio immer gereizter; die coolen jungen Leute, anfangs voller Spott über Aberglauben der Hinterwäldler, mutieren fernab der vertrauten Großstadt zu Hänsel und Gretel des MTV-Zeitalters: keine Ahnung, wo's lang geht, aber Hauptsache, die Kamera läuft. Blair Witch ist ein sehr interessantes, ambitioniertes Experiment. Aber ein schlechter Film, weil er zu sehr auf das Gesamtkunstwerk inklusive Online-Präsenz baut. Der Film als solches bietet auf der großen Leinwand einfach schlechte, unscharfe Bilder und ebensolchen Ton. An manchen Stellen konnte ich mich mitreißen lassen von Ansätzen eines Angstgefühls. Aber mehr war nicht.

Wertung: 6 von 11 D-Mark
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