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Plakatmotiv: Eat Drink Man Woman (1994)

Ein wunderbarer Film über Essen,
Trinken und den Kram dazwischen

Titel Eat Drink Man Woman
(Yin shi nan nu)
Drehbuch Ang Lee & James Schamus & Hui-Ling Wang
Regie Ang Lee, Taiwan 1994
Darsteller
Sihung Lung, Yu-Wen Wang, Chien-Lien Wu, Kuei-Mei Yang, Sylvia Chang, Winston Chao, Chao-jung Chen, Chit-Man Chan, Yu Chen, Ah-Lei Gua, Chi-Der Hong, Gin-Ming Hsu, Huel-Yi Lin, Shih-Jay Lin, Chin-Cheng Lu u.a.
Genre Komödie, Drama, Romantik
Filmlänge 124 Minuten
Deutschlandstart
15. September 1994
Inhalt

Der verwitwete Chu gilt als bester Koch in Taipeh. Er hat sich aus dem täglichen Restaurantbetrieb zurückgezogen, aber oft wird er noch als Retter im kulinarischen Notfall herbeigerufen.

Für seine drei erwachsenen Töchter, die alle noch bei ihm zu Hause wohnen, kocht er jeden Sonntag ein prächtiges Familienessen. Die Kinder wissen seine Künste aber nur wenig zu schätzen und sehen das gemeinsame Mahl als lästigen Pflichttermin an. Die unterschwelligen Spannungen sind kaum noch zu zügeln, als die mittlere Tochter Chien verkündet, dass sie sich von ihren Ersparnissen eine Wohnung gekauft hat und umziehen will.

Aber nicht nur im Leben der erfolgreichen Managerin bahnen sich Veränderungen an, auch bei ihren Schwestern tut sich etwas. Das Nesthäkchen Ning verliebt sich in den Freund ihrer besten Freundin und ist jetzt schwanger, und die verschlossene Jen, eine Chemielehrerin, interessiert sich für den neuen Volleyballtrainer an ihrer Schule. Für die größte Überraschung sorgt aber schließlich Vater Chu selbst …

Was zu sagen wäre

Liebe geht durch den Magen, das ist so eine Binse, dass es sich selbst bei Filmen, in deren Zentrum das Essen und die Familie steht, eigentlich verbietet, sie zu nutzen. Aber in diesem Film von Ang Lee, der den abschließenden Teil der Father-knows-best-Trilogie bildet (mit den ersten beiden Filmen "Schiebende Hände" und "Das Hochzeitsbankett"), dreht sich alles um Liebe und Essen und was das Essen mit uns macht. Oder, was das falsche Essen kaputt macht.

"Eat Drink Man Woman" feiert die taiwanesisch-chniesische Küche. Viel Zeit verbringt die Kamera damit, dem Meisterkoch Chu in die Töpfe, Woks und Schüsseln zu blicken; da brutzeln vor dem Makro-Objektiv Hühnchen im Fett, sieden Chili im Teig und sofort wünscht man sich aus dem Kinosessel hinein in die Garküchen Asiens. Drumherum erzählt uns Ang Lee eine Geschichte über den ewigen Konflikt der Generationen. Plakatmotiv: Eat Drink Man Woman (1994)Hier die traditionelle Familie mit den klaren Strukturen, da die modernen Großbetriebe mit international agierenden Managern unter Shareholder-value-Druck. Ang Lee macht diese Trennung mit ein paar beeindruckenden Schnitten und Kameraeinstellungen klar, stellt die fluffige Familiensituation gegen das tosende Leben der Welt. Chu, der Koch, wird aus seinem sonntäglichen Heim in die Großküche des Luxushotels gerufen, wo gerade irgend ein hoher Politbonze Hochzeit feiert, während die Großküche im Chaos versinkt. Von jetzt auf gleich schaltet die bislang intime Inszenierung mit ruhigen Einstellungen und Gemüse in Makrooptik einer mitreißenden Fahrt mit der Steadycam durch die Hektik einer wahrlich riesigen Großküche, Sofort verstehen wir, dass Chu da raus wollte.

Aus der Hektik kommt er raus. Um festzustellen, dass das vorgeblich so beschauliche Familienleben kaum weniger aufreibend ist. Da ist Chu selbst, der nicht so recht versteht, dass seine Töchter längst flügge sind, selbst aber neu verliebt ist in die Tochter jener Frau, die schon glaubt, ihn für sich gewonnen zu haben; da sind die drei Töchter, die feststellen, dass sie gar nicht so weit sind wie sie glauben, falsche Entscheidungen treffen, falschen Einflüssen erliegen, und die die entscheidenden Situationen in ihrem jungen Leben erst noch vor sich haben. Aber wenn sie alle beim Essen zusammensitzen, ödet sie der Gedanke daran zwar an, aber immer dann entwickeln sich alle Beteiligten ein bisschen weiter, weil eben, ich sag's nochmal, Liebe durch den Magen geht.

Die älteste Schwester hat lange Jahre einen eingebildeten Ex-Liebhaber vorgehalten, um zu erklären, warum sie keinen Freund hat, und erst, als sie mit ihrer jüngeren Schwester beim Essen den klassisch geschwisterlichen Du-hast-mich-doch-nie-verstanden-und-immer-abgelehnt-Konflikt aus der Welt schafft, kann sie loslassen und ihren Gefühlen folgen. Die mittlere Schwester, Chien, die am liebsten ihrem Vater in der Küche gefolgt wäre, wurde von dem auf die Universität geschickt, sie soll es einmal weiter bringen als er. Das hat sie jetzt, ist erfolgreiche Managerin bei einer Airline und kann mit einem Auslandsjob die ganz große Karriere machen, ist dann aber diejenige, die die auseinander strebende Familie zusammenhalten wird. Die jüngste, die bei Wendy's hinter der Theke steht, was für ein Kulturbruch, steht für die neue Zeit: In Liebe und Essen ist alles erlaubt, gelten keine Traditionen.

Und Vater Chu, der seinen Geschmackssinn, aber nicht den für die perfekte Mischung an Zutaten verloren hat? Der beglückt die kleine Tochter seiner Nachbarin in der Schule mit selbst Gekochtem, wofür die sofort die Glasnudeln aus der Pappschachtel beiseite stellt, bald lange Bestelllisten für all ihre Klassenkameraden an Chu weiter gibt und damit  der Star an ihrer Schule ist. Den emotionalen Höhepunkt liefert Lee tatsächlich mit der Schlusseinstellung, als Tochter Chien, die erfolgreiche Airline-Managerin, für ihren Vater kocht und der durch Chiens Kunst seinen Geschmackssinn wiederfindet und erkennt: „Meine Tochter!“ Die Familientradition ist weitergegeben. Die Erkenntnis, auch ein Mädchen kann die Tradition fortführen, alles wird gut werden, ist gemacht. Da geht die Liebe ohne Umweg durch den Magen.

Das Schöne an Ang Lees Feelgood-Movie ist, dass seine taiwanesische Geschichte eine universelle Gültigkeit hat. Die Einsamkeit des Alterns, Verständnislosigkeit in der Familie, Liebe, Ehe und Verrat, Sex, Eifersucht und Lebenslügen. Aus dem Stoff machen andere lang laufende TV-Serien. Lee, der schon länger in New York lebt, verquirlt das mit Charme, Tempo und dem Augenzwinkern eines Mannes, der seine Heimat mittlerweile von außen zu betrachten vermag.

Wertung: 9 von 10 D-Mark
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