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Plakatmotiv: Sodom und Gomorrha (1962)
Bunte Kulissen, wackere Helden. Und
eine ausgesprochen spießige Moral
Titel Sodom und Gomorrha
(Sodom and Gomorrah)
Drehbuch Hugo Butler + Giorgio Prosperi
Regie Robert Aldrich, Italien, Frankreich, USA 1962
Darsteller
Stewart Granger, Pier Angeli, Stanley Baker, Anouk Aimée, Rossana Podestà, Rik Battaglia, Giacomo Rossi Stuart, Scilla Gabel, Anthony Steffen, Enzo Fiermonte, Gabriele Tinti, Daniele Vargas, Claudia Mori, Feodor Chaliapin Jr., Mitsuko Takara, Massimo Pietrobon, Mimmo Palmara, Liana Del Balzo, Francesco Tensi, Andrea Tagliabue, Alice Kessler, Ellen Kessler, Emilio Messina, Roberto Messina, Aldo Silvani, Vittorio Artesi, Sal Borgese, Omero Capanna u.a.
Genre Abenteuer, Drama
Filmlänge 154 Minuten
Deutschlandstart
11. Januar 1963
Inhalt

Bera heißt die machthungrige Königin der Zwillingsstädte Sodom und Gomorrha. Sie und ihr Bruder Astaroth, mit dem sie auch eine inzestuöse Liebesbeziehung führt, konkurrieren miteinander, da beide nach der Königswürde trachten.

Plakatmotiv: Sodom und Gomorrha (1962)Ein idealer Zeitpunkt, um ihre Führerqualitäten zu demonstrieren, scheint gekommen, als ein Stamm Hebräer in die fruchtbaren Ebenen um Sodom zieht. Ihr Anführer ist Lot, der Neffe Abrahams. Bera und Astaroth verlangen unabhängig voneinander hohe Steuern und pressen das kleine Volk systematisch aus. Auch wird zu diesem Zweck die Sklavin Ildith zu Lot geschickt, um den Stamm auszukundschaften. Doch Ildith und Lot verlieben sich.

Ildith kann erreichen, dass Lot in die Stadt zieht. Hier verfällt die Stadt zusehends, bis Gott beschließt, sie zu vernichten …

Was zu sagen wäre

Der Monumentalfilm ist populär gerade, das muss man sagen. Die zehn Gebote, Ben Hur, El Cid – Filme mit kernigen Männern mit religiöser Botschaft und leicht bekleideten Frauen zwischen einstürzenden Altbauten haben die Studios in Hollywood als kassenträchtig erkannt. Da liegt es in doppeltem Sinne nahe, das Drama um die zum Sprichwort geronnenen Städte Sodom und Gomorrha zu verfilmen. Die bieten neben einstürzenden Altbauten auch noch einen wahren Sündenpfuhl, der als böse Versuchung das Volk der Auserwählten heimsucht.

Wir schreiben das Jahr 1962. Die fernen Schrecken des zweiten Weltkriegs sind auch in den USA immer noch spürbar. Auch die Narben des Kriegs in Korea, der als eine Schlacht von Stellvertretern zwischen Nord und Süd gefochten wurde, nässen noch; der Kalte Krieg zwischen kommunistischen Sowjets und kapitalistischen USA schwelt. Der Krieg der Systeme spielt sich ja nicht nur auf militärischer Ebene ab; er wird auch auf der moralischen Ebene ausgefochten. Also auch im Kino, zwischen den Mauern eines Monumentalfilms.

Plakatmotiv: Sodom und Gomorrha (1962)Für Robert Aldrich, den Regisseur dieses Films, beginnen da die Probleme. Das Studio will von ihm ein klassisches Sandalenabenteuer: Kämpfer in knappen Röckchen, Frauen in einem Nichts aus Seide und Sklaven, die einen Führer brauchen, um sich aus ihrer Unfreiheit befreien zu können. Reichtum ist böse. Luxus macht schwach. Wie Moses, dessen graue Charlton-Heston-Gedächtnismähne Stewart Granger als Lot hier aufträgt, Gott zweifelte, muss auch Lot erkennen, dass man seine Moral nicht ohne Strafe verkaufen, seinen Glauben nicht eigener Eitelkeit unterwerfen darf – „Wo ich doch nur Gutes wollte! Ich habe mein Volk Versuchungen ausgesetzt, denen kein Mensch widerstehen kann.

Arbeit ist der Preis der Freiheit!“ ist das Lebensethos des wackeren Lot. Und seine engsten Getreuen sind da auch ganz bei ihm. Das Volk der Hebräer in seiner Breite allerdings ist jetzt auch nicht erpichter auf harte Arbeit und Verzicht, als unsereiner im Kinosessel, und findet den Glanz eines Goldenen Kalbs auch mal ganz angenehm; und als die Herrscherin über das Goldene Kalb, Königin Bera, verkündet „Was Ihr Sünde nennt, ist für mich Tugend!“, finden das die meisten Hebräer auch angenehmer als die tägliche Fron im kargen Feld, dem man Getreide abtrotzen muss.

Die Lockungen der Sodomiten fallen bei den Hebräern auf eine fruchtbare Haltung: „Damit kannst Du Dein Haus schöner machen als Dein Nachbar seines“, preist ein sodomitischer Händler einem Hebräer sein glänzendes Geschmeide an. Zum Genre gehört auch der halbnackte Mächtige, der Frauen vernaschen als Menschenrecht interpretiert. Ihn spielt hier Stanley Baker (Die Kanonen von Navarone – 1961) als Astaroth, inzestuöser Bruder der Königen Bera, der sich gleich beide Töchter des ehrbaren Lot ins Bett holt und Sätze sagt wie „Ich werde Dich heute Nacht sehr glücklich machen!

Und dann dauert es auch nicht mehr so arg lang, bis der wackere hebräische Führer Lot in der friedlichen Co-Existenz mit den Sodomiten einen Wert an sich erkennt, denen man gewisse Eigenheiten wie Sklavenhaltung zugunsten gemeinsamen Zusammenlebens halt gestatten muss – wenn die Nachbarn Sklaven brauchen, dann ist das halt so, geht uns nichts an.

Plakatmotiv: Sodom und Gomorrha (1962)Diese auf den ersten Blick sehr global akzeptierte, kapitalistisch durchexerzierte Politik – Handel ist doch gut! Konkurrenz zum Nachbarn fördert doch das Gemeinwesen! – erweist sich rasch als Farce eines perfiden Unterdrückungsregimes, dessen egoistische, eitle, gierige Mitglieder noch brandschatzen und (Sklavinnen) vögeln, als über ihnen schon die Feuersbrunst tobt bis ihre gespreizten nackten, toten Beine aus den Trümmern ragen. Die Gottlosen lernen es halt nicht, sagen uns die apokalyptischen Bilder, die mit den biblischen Motiven um Sodom und Gomorrha nicht mehr viel gemein haben, aber dem US-Filmstudio gerade gut in den Kram passen. „Süßes Leben vor 4000 Jahren“, verspricht das Kinoplakat.

Die finale Apokalypse und auch ihre kleine Schwester, ein Dammbruch mit Springflut, die die durchtriebenen Nomaden hinwegspült, sind ordentlich getrickst. Die Springflut mag als kleine Schwester des geteilten Roten Meeres aus Die zehn Gebote im direkten Vergleich noch zweiter Sieger bleiben, die Apokalypse aber wirkt den tricktechnischen Umständen entsprechend beeindruckend. Beide aber können eine sehr naive, sich als der Dramaturgie nicht vermittelbare Vorstellung Gottes nicht verschließen.

Stieg in den zehn Geboten noch Jehowa als brennender Dornbusch auf die Kinoleinwand, tauchen hier zwei schemenhafte Botschafter in Ritterrüstung auf, die mit Lot einen fairen Flucht-Deal aushandeln. Alsdann öffnet der unsichtbare Jehova höchstpersönlich Kerkertore und Kettenschlösser. Und dann setzt er als letzten Akt der Herrschaft der Frauen ein Ende – Königin Bera und ihre Vasallinnen gehen matschig zugrunde. Liefern ja auch nichts als Unglück und Schande, diese Frauen.

Am Ende ist die Welt in Ordnung: Der moralisch wieder hergestellte Lot führt die Auserwählten, seine beiden rebellischen Töchter liegen ihm wieder zu Füßen, seine zweite Frau mit dem zu eigenen Kopf ist zur Salzsäule erstarrt und das Reich, in dem die Frau stärker war als der Mann, ist im Wüstenboden verschwunden. <Nachtrag1999>Es ist alles ein bisschen billiger, als in den erwähnten Klassikern. Unterm Strich ist es wenig erstaunlich, dass „Sodom und Gomorrha“ einer der wenigen Monumentalfilme ist, der nie für einen Filmpreis nominiert war.</Nachtrag1999>

Wertung: 3 von 7 D-Mark
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