IMDB

Plakatmotiv: A quiet Place (2018)

Ein Beinahe-Stummfilm
von großer visueller Kraft

Titel A quiet Place
(A quiet Place)
Drehbuch Bryan Woods & Scott Beck & John Krasinski
Regie John Krasinski, USA 2018
Darsteller

Emily Blunt, John Krasinski, Millicent Simmonds, Noah Jupe, Cade Woodward, Leon Russom, Rhoda Pell u.a.

Genre Horror, Drama
Filmlänge 90 Minuten
Deutschlandstart
12. April 2018
Inhalt

Drei Monate nach einer Alien-Invasion, die die Erde in eine nahezu menschenleere Gefahrenzone verwandelt hat, gehört die fünfköpfige Familie Abbott zu den wenigen Überlebenden. Sie muss die Herausforderung meistern, mit drei Kindern ohne die geringsten Geräusche einen schwierigen Alltag zu bewältigen. Denn jeder von ihnen verursachte Laut kann eines der die Erde terrorisierenden Aliens herbeilocken, deren hochempfindliches Gehör ihre menschliche Beute auch auf größere Entfernungen entdeckt.

Regan, die älteste Tochter von Evelyn und Lee Abbott, ist gehörlos, sodass sich die Familie fließend in Gebärdensprache verständigen kann. Doch ihr Leben ist kompliziert: Da jedes noch so kleine Geräusch den Tod bringen kann, müssen sich alle Familienmitglieder akustisch immer im Griff haben. Man läuft barfuß, weint oder lacht lautlos, darf niemals klappern oder ein lautes Spielzeug benutzen.
Genau das wird dem jüngsten Abbott dann auch zum Verhängnis. Als er bei einem Streifzug in den Supermarkt des nahen Städtchens heimlich auch die Batterien eines Spielzeugflugzeugs mitnimmt, das ihm seine Schwester zugesteckt hat, kommt es zur Katastrophe.
Ein Jahr später ist Evelyn erneut schwanger. Regan hat noch immer Schuldgefühle und glaubt, dass ihr Vater sie ablehnt. Während die Familie Vorbereitungen trifft, um die Geburt des Kindes im Farmhaus überstehen und lautlos ein Baby versorgen zu können, versucht Lee, seinen Sohn Marcus für das Überleben draußen zu trainieren.
Als wieder einmal alle anderen unterwegs sind, platzt Evelyns Fruchtblase. Völlig auf sich gestellt, versucht sie, sich in den Keller zu retten, tritt jedoch auf der Treppe in einen herausstehenden Nagel und stößt einen Schrei aus. Es dauert nicht lange, bis das erste Alien auftaucht, um sich seine Beute zu holen …

Was zu sagen wäre

Nach zehn Minuten weiß man alles, was man dringend wissen muss und da ist noch kein Wort gesprochen worden. Überhaupt wird wenig gesprochen. Der Feind hat ein Supergehör, ist dafür aber blind. Stumm wie ein Fisch zu sein, ist daher erste Familienpflicht. Dass die älteste Tochter Regan gehörlos ist und sich nichts sehnlicher wünscht, als hören zu können in dieser Welt, in der es besser nichts mehr zu hören gibt, ist ein wunderbarer, melancholischer Punkt in diesem Film, der in seiner augenscheinlichen Einfachheit voller Überraschungen.

John Krasinski verzichtet auf einen einleitenden Offtext, der erklärt, was geschehen ist und warum also jetzt alle leise sein müssen. Statt dessen stellt er uns auf eine Main Street in einer verlassenen Stadt. Hier sieht es aus wie auf einem Setting von "The Walking Dead". In einem heruntergekommenen Kaufhaus treffen wir auf vier Menschen, eine Familie, Vater, Mutter, Tochter, vierjähriger Sohn. sie reden nicht, gehen barfuß über mit Sand aufgeschüttete Wege. Irgendwann knipst legt der Vierjährige einen Knopf an seinem Spielzeug, das daraufhin fröhlichen zu piepsen und tuten beginnt. Wenige Sekunden später ist der Junge tot. Die Familie hat immer noch kein Wort gesprochen. Im Keller des Vaters lesen wir Zeitungsüberschriften und handschriftliche Notizen, die uns rudimentär über das Geschehene aufklären.

Es ist einer der bemerkenswerten Momente dieses Films, der ein Medium des Licht und des Sehens ist, dass wir im Kino lange Zeit brauchen, um uns in die stumme Welt der Familie Abbott einzugewöhnen, uns also wieder daran zu gewöhnen, wirklich zu sehen, statt uns von Bild und Ton in einem Horrorfilm berieseln zu lassen. Krasinski, der als Schauspieler viel mehr Credits aufweist (TV-Serie "Jack Ryan"; Detroit – 2017) als als Regisseur, gibt uns die Zeit, uns einzugewöhnen. Sein Film ist nämlich auch ein Film über eine Familie, die in der Postapokalypse zu überleben lernen muss. Der Horror steigt vom ersten Frame an, aber ein Creaturemovie wird der Film erst im letzten Drittel.

Vorher ist da die gehörlose Tochter, die sich verantwortlich fühlt für den Tod des Bruders mit dem piepsenden Spielzeug und nun glaubt, ihre Eltern liebten sie nicht mehr. Die Besetzung einer Gehörlosen ist ein guter Kniff. Auf diese Weise ist erklärt, dass die ganze Familie Gebärdensprache beherrscht und sich also rudimentär – auch für uns Zuschauer – unterhalten kann. Die Gehörlosigkeit wird zum Schlüssel im Kampf gegen die Kreaturen, was die große Erzählkunst der Filmemacher ebenso unterstreicht, wie die liebevolle Detailarbeit rund um den Alltag der Familie, die von Tellern aus Brot, das keine Geräusche macht, isst, die beim Monopoly Spielfiguren aus Stoff verwendet, die ihr Leben auf die Geräuschlosigkeit ausrichtet und dabei dennoch ein Leben hat. Die andauernde Stille erhöht die Spannung in ungeahntem Ausmaß – wenn man sich mal daran gewöhnt hat, nichts zu hören, lässt einen jedes Geräusch im Kinosessel zusammenzucken. Der düstere Score von Marco Beltrami unterstreicht den Horror, auch im familiären Tagesablauf.

Vater und Sohn gehen gemeinsam fischen; das plätschernde Wasser des Flusses übertönt leise geführte Gespräche. Dass die Familie sich von stummem Fisch ernährt, nicht von brüllenden Säugetieren, ist klar. Die Mutter ist im 9. Monat schwanger und sie biegt bei der täglichen Arbeit im Haushalt unbemerkt einen Nagel in der Kellertreppe auf – ein Suspense-Element, das erst viele Minuten später eingelöst wird, aber bis dahin im Kopf des Zuschauers die wildesten Befürchtungen auslöst. Und dann tritt sie in den Nagel, als gerade die Fruchtblase geplatzt ist.

Ab dieser Stelle stellt Krasinski das Familiendrama in den Hintergrund und lässt die Kreaturen von der Leine. Sie haben lange Zangenarme, einen melonenförmigen Kopf sowie große Reißzähne. Sie sind sehr schnell und geben schnalzende, knackende Geräusche von sich. Es gibt eine herrliche Szene im nächtlichen Maisfeld: Tochter Regan sucht ihren kleinen Bruder. Hinter ihr kommt ein Monster zwischen den Maisstauden hervor. Sie hört das Monster nicht. Es sieht das Mädchen nicht. Aber sie nähern beide einander an. An anderer Stelle sitzen Bruder und Schwester auf einem Maissilo, als die Decke nachgibt und der Junge in den Mais fällt und darin zu ertrinken droht. Die Schwester springt hinterher und droht ebenfalls zu ertrinken. Nun müssen beiden in dem rutschigen Mais Halt aneinander finden – als eine Kreatur ins Silo springt. Solche Szenen unterstreichen die visuelle Kraft des Regisseurs, der auf die genreübliche Wackelkamera verzichtet und den Horrortrip einer höchst durchschnittlichen, und daher sympathischen Familie in ruhigen Bildern, gekonnt gesetzten Tönen und sehr viel Freude am nägelbeißenden Thriller erzählt.

Wertung: 7 von 8 €uro
IMDB