Der Schauspieler ist in die Jahre gekommen. Seit vier Jahren zehrt er nur noch von seinem Ruhm. Rollen gibt es für ihn nicht. Außer dieser möglichen Rolle, die ihm in einer Independent-Produktion angeboten wurde. Mit der setzt er sich gerade auseinander.
Der ehemals Gefragte soll den Manager eines Supermarktes spielen und also – ganz Method-Actor der alten Schule – will er sich das Leben eines solchen Managers mal ansehen, bevor er entscheidet, ob er die Rolle spielen kann oder nicht. Ein Produktionsfahrer bringt ihn in einen Latino-Vorort von Los Angeles. Hier wird er erst von seinem Fahrer im Stich gelassen und lernt dann Scarlet kennen, Kassiererin im Supermarkt.
Scarlet sitzt an der Schnellkasse – dort, wo man sich anstellt, wenn man zehn Artikel oder weniger („10 Items or less“) kaufen will. Noch nie hat er eine Frau mit so einer faszinierenden Ausstrahlung und temperamentvollem Wesen getroffen. Dann stellt sich heraus, dass Scarlet bald ein Vorstellungsgespräch hat und davor einigen Bammel hat – sie als Latina hat doch sowieso keine Chance. Da kommt professionelles Schauspielcoaching wie gerufen.
Es gelingt ihm, Scarlet zu überzeugen, dass er sie begleiten darf. Was anfänglich noch distanziert und vorsichtig beginnt, wird zu einem wunderbaren Tag, der in beider Leben etwas verändert, an dem die Grenzen zwischen Star und „normalen“ Menschen verschwinden und an dem sie gemeinsam die pure Freude am Leben und Mensch sein genießen …
Dieser Film, der es in Deutschland nicht ins Kino geschafft, in der Kinowirtschaft trotzdem Geschichte geschrieben hat, ist – auch auf DVD – einfach schön. Ich merke dem Film förmlich sein kleines Budget an und dass da nicht 200 Leute an einem Filmset einen Multimillionen-Dollar-Film entwerfen.
Die Produktion wirkt so, als wären die Erfinder der französischen Nouvelle Vague erst heute auf ihre Ideen gekommen und hätten also erst heute den Originalschauplatz mit einfachsten Kameramitteln entdeckt. Alles ist wunderbar entspannt. Morgan Freeman als namenloser Ex-Star und der entzückenden, charmanten, schönen Paz Vega („Spanglish“ – 2004) in der (etwas klischeebehafteten) Rolle der Latina mit dem Herz auf dem rechten Fleck kann ich stundenlang zuschauen, während sie erst im Supermarkt und dann im Auto quer durch Los Angeles ihre Dialoge führen.
Morgan Freeman („Lucky Number Slevin“ – 2006; Batman Begins – 2005; „Million Dollar Baby“ – 2004; Bruce Allmächtig – 2003; Der Anschlag – 2002; Im Netz der Spinne – 2001), den in seinen Rollen meist so eine Aura des Über-den-Dingen-Schwebenden umgibt, habe ich noch nie so geerdet erlebt. Hier kann er alle seine Freemanesken ausleben. Zum Beispiel sein Blick bei gekräuselter Stirn über die Sonnenbrille. Eine wunderbare One-Man-Show. Es macht Spaß, Freeman zuzuschauen, der seine Rolle des abgehalfterten, aussortierten Schauspielers mit Haut und Haaren annimmt. Sein Ex-Star nimmt das Leben als Film und kommt damit durch. In einer kleinen Gastrolle spielt Jim Parsons, der in der gefeierten Sitcom „The Big Bang Theory“ den abgehobenen Physiker und Comicfan Dr. Dr. Sheldon Cooper gibt. Der himmelt den namenlosen Schauspieler an „Wegen Ihnen wollte ich eine Frau sein.“ „Ja“, entgegnet Freeman, „ich habe diese Wirkung auf Menschen.“
Am Ende gestehen sich der Schauspieler und die Kassiererin: „Wir werden uns nie wiedersehen.“ „Ja.“
So nouvelle-vague-mäßig der Film auch aussieht, stammt er nicht aus den Händen ambitionierter Anfänger. Regisseur Brad Silberling hat sich schon in der 1990er-Jahren mit Filmen wie Stadt der Engel (1998) oder Casper – Der freundliche Geist (1995) etabliert, sein Cutter ist kein geringerer, als Steven Spielbergs Haus-Cutter Michael Kahn.
Das Online-Lexikon Wikipedia berichtet: „10 Items or Less“ ist die erste Produktion der Filmgeschichte, die bereits während sie in den Kinos gezeigt wurde, legal aus dem Internet heruntergeladen werden konnte. Der amerikanische Anbieter ClickStar, ein Joint Venture von Morgan Freeman, dem Produzenten Lori McCreary und Intel, veröffentlichte eine digitale Kopie am 15. Dezember 2006, nur 14 Tage nach der Kinopremiere. Die Möglichkeit zur Nutzung des Angebotes ist bislang jedoch auf US-amerikanische Benutzer eingeschränkt. Das American Film Institute wertete die digitale Bereitstellung in seinem Jahresrückblick als eines der bedeutendsten Ereignisse der Filmgeschichte des Jahres 2006.
Als BoxOffice verzeichnet der Film ein Ergebnis von 1,4 Millionen US-Dollar.