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Plakatmotiv: Innenleben (1978)

Woody Allen macht
den Ingmar Bergmann

Titel Innenleben
(Interiors)
Drehbuch Woody Allen
Regie Woody Allen, USA 1978
Darsteller

Diane Keaton, Geraldine Page, Kristin Griffith, Mary Beth Hurt, Richard Jordan, E.G. Marshall, Maureen Stapleton, Sam Waterston, Missy Hope, Kerry Duffy, Nancy Collins, Penny Gaston, Roger Morden, Henderson Forsythe u.a.

Genre Drama
Filmlänge 92 Minuten
Deutschlandstart
21. Dezember 1978
Website woodyallen.com
Inhalt

Die Innenarchitektin Eve und der Rechtsanwalt Arthur sind ein Ehepaar im fortgeschrittenen Alter. Ihre drei Töchter Flyn, Joey und Renata sind dem Elternhaus entwachsen und führen ihre eigenen Leben.

Arthur beschließt, sich von seiner Ehefrau vorübergehend zu trennen, um in Griechenland Klarheit über seine weiteren Lebensziele zu gewinnen. Die Entscheidung führt dazu, dass die eingefahrenen Familienstrukturen durcheinandergeraten. Joey gibt ihren Job als Lektorin auf und ist fest entschlossen, ihr ungeborenes Kind abzutreiben. Renata, die innerfamiliäre Rivalitäten mit Joey auszutragen hat, gerät in eine Ehekrise, da ihr Mann mit seinem Werk als Schriftsteller unzufrieden ist. Die verlassene Eve führt einen Selbstmordversuch durch …

Was zu sagen wäre

Huch: Woody Allen ohne Witz. Woody Allen todernst. Allen betont in Interviews, wie sehr er den schwedischen Regisseur Ingmar Bergmann verehrt. Ihn kopiert er hier. Elegant fotografiert. Ohne Mätzchen. Er konzentriert sich auf seine Protagonistinnen. Eine Ehe geht in die Brüche und die drei erwachsenen Töchter müssen damit klar kommen sowie mit ihrer Beziehung zueinander und zu ihren Männern. Nach Allens großem Erfolg Der Stadtneurotiker ist dieser Film, der Allens Lieblingsmotiv Manhattan im sonnigen Herbst gegen karge, schneebedeckte Äste vor dem Fenster tauscht, eine Überraschung. Allen beobachtet den Zerfall einer Familie. Dabei interessiert ihn weniger die Verheerung der ehemaligen Ehepartner. Er schaut auf die Prioritäten, die die Töchter leben, die ihr ganz eigenes Leben entwicklen. Am Scheitern der Eltern – also am Scheitern der eigenen Lebensentwürfe (für die die Eltern das Vorbild waren) – definieren die Töchter ihr Frau-sein, ihr Standing in der Gesellschaft. Am Ende entziehen sie Joey der Urgewalt des Meeres, die hier die Unberechenbarkeit der Gesellschaft da draußen symbolisiert. Die Frauen der Familie wissen augenscheinlich nicht, wohin.

Plakatmotiv (US): Interiors – Innenleben (1978)Allen feiert die Sehnsucht des Individuums in einer Welt, die auf das Individuum keinen Wert legt. Die Schwestern sind erfolgreich in ihren jeweiligen Jobs, können das aber nicht genießen, weil sie das Gefühl haben, den Männern in der Familie – Vater, Ehemann – gerecht werden und also selber zurückstecken zu müssen. Die erzählte Zeit erinnert an die einfache Struktur des Theater. Woody Allen baut keine Übergänge, die er groß erklärt. Er bleibt immer im Haus der Eltern. Hier geht nacheinander die elterliche Ehe in die Brüche, es kommt zur zeitweiligen Trennung, später ist Vaters Neue einfach schon da. Wer sie ist, wo er sie kennengelernt hat, ergibt sich, wie so oft bei Woody Allen, aus den Gesprächen seiner Protagonisten. Das gibt Allen die Möglichkeit, sich ganz auf das titelgebende Innenleben seiner Figuren zu konzentrieren, ohne sich mit visuellen Mätzchen wie sonnigen Urlaubsbildern befassen zu müssen, die der Stimmung seines Films zuwider liefen.

It's a Women's World. Allen sieht die Welt aus dem Blickwinkel überforderter Frauen. „Ich empfinde so viel für Dich und Du empfindest nur Abneigung gegen mich und doch fühle ich mich schuldig", klagt Joey. „Ich glaube, Du bist einfach zu perfekt, um in dieser Welt zu leben. Wenn ich an all diese schön eingerichteten Räume denke; das ist alles so sorgfältig aufeinander abgestimmt, so … kontrolliert, da blieb einfach kein Raum für wirkliche Gefühle. Nein. Für keinen von uns. Ausgenommen Renata.

Joey ist in diesem Frauenfilm Allens Alter Ego: „Es ist mir ein echtes Anliegen, etwas auszudrücken. Nur weiß ich nicht, was ich ausdrücken soll. Und wie.“ Joey will keine Lektorin sein, sieht sich aber auch als Schauspielerin überfordert, will aber auch nicht als Fotografin arbeiten. Als die Frauen mit der Trennung ihrer Eltern konfrontiert sind, blicken sie auf ihre Beziehungen und stellen fest, nichts ist, wie es einst hatte sein sollen – die Männer weinerlich, schwach oder längst abgelegt. Und dann: Wissen Woodys Frauen nicht, wie sie weiter machen sollen, wenn der Mann als Korrektiv ausfällt: „Ich habe was gelesen von Dir. Ich glaube, es war im New Yorker. Es war ein Gedicht, es hieß Verwundert. Ich fand es wunderbar“, sagt Joey zu Renata und die antwortet verträumt: „Ein altes Gedicht von mir. Ich habe es geändert. Doch wenn ich es jetzt lese, finde ich es viel zu verschwommen. Ich schreibe es vielleicht wieder um.“ Oder: Wenn Du auf vergangene Entscheidungen schaust, würdest Du es heute anders machen.

Wertung: 6 von 9 D-Mark
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