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Plakatmotiv: Café Society (2016)

Woody Allens Film über
verlorene Hoffnungen

Titel Café Society
(Café Society)
Drehbuch Woody Allen
Regie Woody Allen, USA 2016
Darsteller
Jesse Eisenberg, Kristen Stewart, Steve Carell, Blake Lively, Corey Stoll, Ken Stott, Jeannie Berlin, Sheryl Lee, Anna Camp, Parker Posey, Todd Weeks, Paul Schackman, Jodi Carlisle, Richard Portnow, Sari Lennick, Stephen Kunken, Laurel Griggs, Tess Frazer, Saul Stein u.a.
Genre Drama, Komödie
Filmlänge 96 Minuten
Deutschlandstart
10. November 2016
Website woodyallen.com
Inhalt

Die 1930er: Bobby wuchs zwar in der schroffen Bronx auf, fühlt sich jedoch zur Glitzerwelt in Hollywood hingezogen, zu der er familiäre Verbindungen hat. Sein Onkel Phil ist ein hochrangiger Filmagent in der Traumfabrik und geht mit Fred Astaire und Gary Cooper essen. So hat Bobby auch gleich einen guten Kontakt, als er seinen Plan in die Tat umsetzt, es im Filmgeschäft zu versuchen.

Sein Onkel hat keine Zeit für ihn, doch mit seiner hübschen Sekretärin Vonnie verbringt Bobby sowieso viel lieber seine Zeit. Er verliebt sich Hals über Kopf, doch zu seinem Bedauern hat Vonnie bereits einen Freund. Schon bald muss Bobby feststellen, dass das Showbusiness in jeder Hinsicht der pure Wahnsinn ist.

Als ihn dann auch noch das Leben in New York wieder einholt, weil sein Bruder Ben bei Mafia-Geschäften auch nicht vor Morden zurückschreckt, wächst ihm alles über den Kopf …

Was zu sagen wäre

Jährlich sterben mehr Menschen an unerwiderter Liebe als an Tuberkulose“, sagt ein Hollywoodtyp bei einer Cocktailparty. Aber in Woody Allens Film sterben die Leute dann doch eher handfest durch Kugeln oder zu viele Schläge. Und die wahre Liebe stirbt, weil sie nicht gelebt werden kann.

Kristin Stewart hat in ihrer Karriere große Momente der Einsamkeit und Melancholie zelebriert („Certain Women“  2016; Still Alice – Mein Leben ohne Gestern – 2014; Snow White and the Huntsman – 2012; Twilight – Biss zum Morgengrauen – 2008; „Inside Hollywood“ – 2008; Das gelbe Segel – 2008; Into the Wild – 2007; Panic Room – 2002). Mit ihren leeren, traurigen Augen treibt sie es hier so weit, dass aus ihrem einst hasenzähnigen, verletzlichen Reh eine coole Vertreterin der High Society wird. Sie sehnt sich nach Liebe, Kaminfeuer und geselligen Gesprächen und findet sich dann doch mit charmantem, pseudogeselligem Partygeplapper zurecht. Jesse Eisenberg (Die Unfassbaren – 2013; To Rome with Love – 2012; Zombieland – 2009; The Village – 2004), der schon Mark Zuckerberg und – jüngst erst – Lex Luthor war und damit eine gewisse Bandbreite bewiesen hat, spielt hier den Jungen ohne Ziel, ohne Hoffnung, der einfach wartet auf … irgendwas. Dieser Bobby ist Zuckerberg ohne Internet und Lex Luthor ohne Superman – ein zappeliger, unruhiger Woody-Allen-ohne-Brille, aber mit Sehnsucht, der jüdische Junge von der Ostküste, Bobby, der beklagt, dass sie den Kaffee in Kalifornien vor dem Essen trinken, und auch sonst will er da einfach nur weg. Wenn da nicht Veronica wäre, Vonnie, mit der Schleife im Haar und diesem leeren, melancholisch klingenden Blick. Es ist irgendwie klar, dass diese geistreiche Schönheit einen anderen heiraten wird – dies ist Kalifornien, die Westküste.

Und als dann Bobby doch endlich – zurück an der Ostküste, im wirklichen Leben – den Job als Manager im Nachtclub seines Bruders annimmt, der ein veritabler Gangster ist, der auf seinem Höhepunkt zum Christentum konvertiert – „Nicht nur ein Mörder, jetzt wird er auch noch Christ“, händeringt die Mutter –, da lernt er die großartig glamouröse, freundliche Schönheit Veronica kennen – die zweite Vonnie in seinem Leben, strahlender, dem Leben zugewandter, fruchtbarer. Und langweiliger. In Woody Allens ewigem Ostküsten-Westküstenkonflikt legt er seinem Zuschauer hier schweres Gepäck auf den Kinositz, weil diese etwas oberflächliche, aber freundliche blonde Veronica in all ihrer Cocktailkleidhaften Schönheit so sehr an die Westküste gehört, wie die melancholische, traumäugige Vonnie an die Allen‘eske Ostküste. Das Leben hat sie nur anders herum verteilt.

Kinoplakat (US): Café Society

Woody Allen war immer der Mann von der Ostküste; der New Yorker, der außerhalb der Grenzen Manhattans nicht existieren mag. Dort drehte er – neben vielen schönen Filmen – Meisterwerke der doppelbödigen, melancholischen Erzählkunst (Der Stadtneurotiker – 1977; Manhattan – 1979; "Hannah und ihre Schwestern" – 1985; Ehemänner und Ehefrauen – 1992). Und als er dann irgendwann Geldgeber für seine Filme nur noch in Europa fand, drehte er auch dort – neben interessanten Werken – wenigstens zwei Meisterwerke (Vicky Cristina Barcelona – 2008; Match Point – 2005). Stets geht es um Menschen des gehobenen, irgendwie intellektuell berührten Standes, die mit denselben albernen Alltäglichkeiten zu kämpfen haben, wie wir alle und stets sind jene, die Literatur, Kunst und Tiefgründigkeit schätzen, näher an Woodys Herz, als die (kalifornischen) Bling-Bling-Typen, die Kultur mit pekuniärem Reichtum gleichsetzen. In Midnight in Paris (2011) stolpert sein Alter Ego Owen Wilson durch ein Zeitloch und trifft im Paris der 20er Jahre auf F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway, Salvador Dalí, Man Ray und Luis Buñuel und findet zu sich selbst, während seine Frau, Tochter reicher Texaner, lieber die Pariser Läden der Gegenwart leer kaufen würde. Für Woody Allen ist – auch nach seinem Ausflug nach Europa – alles, was nicht Manhattan ist, irgendwie zweitrangig.

Der Ausflug in Allens Film-Historie ist notwendig, um seinem aktuellen Film wenigstens begegnen zu können, der streng genommen gar kein Film ist. Schon sein Irrational Man aus dem Jahr zuvor war mehr Essay als wirkliches Drama; augenscheinlich hat sich Woody Allen von der klassischen filmischen Erzählweise verabschiedet. Der Altmeister scheint seinem Lebenswerk einen Rahmen geben zu wollen. Sein "Café Society" versprüht jene Art von Hoffnungslosigkeit, in der man sich halt einrichtet, weil das Leben ja weiter gehen muss

"Café Society" skizziert das Hollywood der 30er Jahre („Es geht nur um Egos. Die ganze Stadt ernährt sich von Egos.“). Allen baut seine klassischen Oneliner ein („Lebe jeden Tag, als wäre es Dein letzter, dann wirst Du irgendwann Recht behalten!“) und er beschreibt das Dilemma der Drehbuchautoren jener Zeit, wo der zweifache Oscar-Preisträger wissend witzelt „Sie haben nie von mir gehört. Ich bin Autor!“. Aber mehr kann er der Westküste nicht abgewinnen.

An der Ostküste hingegen tobt das Leben – handgreiflich, blutig, intellektuell und in flüssigem Zement begraben. Die einen, stellt dieser Film fest, träumen von einem Zustand, den sie nicht erreichen können und verfallen in Melancholie. Die anderen träumen von einem Zustand, den ein beherzter, nicht zimperlicher Ganove für sie einrichtet, und prompt verfallem sie ihrem schlechten Gewissen. „Sokrates sagt, das nicht hinterfragte Leben lohnt nicht, gelebt zu werden“, sagt Bobbys Schwager. „Aber das hinterfragte ist auch kein Zuckerschlecken.“ 

Das Leben ist eine Komödie, geschrieben von einem sadistischen Humoristen“, sagt Bobby. Er muss sein Alter Ego, Woody Allen, meinen.

Wertung: 3 von 8 €uro
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