IMDB

Plakatmotiv: Wir sind die Neuen (2014)

Die Charaktere edgy
die Geschichte nah dran

Titel Wir sind die Neuen
Drehbuch Ralf Westhoff
Regie Ralf Westhoff, Deutschland 2014
Darsteller

Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach, Michael Wittenborn, Claudia Eisinger, Karoline Schuch, Patrick Güldenberg, Ulrike Arnold, Julia Heinze, Julia Koschitz, Olga von Luckwald, Katharina M. Schubert, Matthias Bundschuh, Butz Buse, Gabriel Raab u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 91 Minuten
Deutschlandstart
17. Juli 2014
Inhalt

Drei Alt-68er aus der früheren Studenten-WG ziehen nach 35 Jahren wieder zusammen, aus Geldmangel und um die gute alte Zeit wieder aufleben zu lassen.

Sie geraten mit einer jungen Studenten-WG einen Stock höher aneinander. Während die entspannten Oldies nachts trinken, philosophieren und alten Hits lauschen, wollen die pflichtversessenen Youngster nur Ruhe, Ordnung und Sauberkeit.

Die Generationen kriegen sich in die Haare und merken nur langsam, dass beide voneinander profitieren können …

Was zu sagen wäre

Ja: Der Inhalt da oben – vor allem der letzte Halbsatz – klingt abgeschmackt nach Message-Film!

Ralf Westhoff ist ein Autor und Regisseur, den hierzulande kaum einer kennt. Seine Filme aber kennt irgendwie jeder – Shoppen, eine Beziehungskomödie, die am Speed-Dating die Unfähigkeit moderner Großstadtsingles, sich zu finden, thematisiert; Der letzte schöne Herbsttag, ein Beziehungsstress, den wir durchaus mit Woody Allens Beziehungskomödien in Beziehung setzen dürfen. Und jetzt dieser Film.

Westhoffs Personal ist edgy: Heiner Lauterbach ist der sehr virile Ex-Aufreißertyp (Zweiohrküken – 2009; Marlene – 2000; Erleuchtung garantiert – 1999; St. Pauli Nacht – 1999; Der Eisbär – 1998; Der Campus – 1998; Rossini, oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief – 1997; "Das Superweib" – 1996; Paradies – 1986; Männer – 1985). Gisela Schneeberger die sehr in-sich-Recht-habende Ex-Elfe ohne Realitätsbezug. Und Michael Wittenborns gescheiterter Jurist ist ein sehr engagierter Streiter für die Geldlosen. Sie alle sitzen heute vor den sehr endgültigen Trümmern ihrer jeweiligen Leben. Und die jungen Studenten im Stock drüber sind keinen Deut besser – nur dass sie die Trümmer noch vor sich haben.

Dabei sind die Studenten holzschnittartig gezeichnet, sind überfixiert auf Studium und Karriere und landen dann umso schmerzhafter auf der Nase; da wäre Weniger sicher mehr gewesen, andererseits funktioniert diese Überzeichnung als Konflikverstärker ganz gut; außerdem bietet Westoff damit größeres Potenzial fürs große Gefühl.

Zwischen diesen exaltierten Charakteren kann Westhoff eine Sammlung herrlich gescheiterter Lebensentwürfe und -träume entfalten, sehr klug beobachtete Miniaturen setzen und wunderbare Dialoge schreiben. Das kann er, weil er sich auf seine drei alten Protagonisten verlassen kann, denen er nicht viel Regie-anweisen muss am Set und die im Fall der Fälle auch die jungen Kollegen mitziehen, die noch nicht so viel Erfahrung haben.

Westhoffs Film glüht vor Ideen; immer, wenn klar scheint, wie der Hase läuft, schüttelt er eine kleine (oder auch mal größere) Wendung aus dem Ärmel. Während er an Kamera und Musik nur das Nötigste macht – böswillig könnte ich auch sagen „Während er an Kamera und Musik ganz das TV-Publikum bedient“ – kommentiert sein Script im Hintergrund sehr kluge Beobachtungen über das Leben im allgemeinen und die Kunst, trotzdem zu Leben, im Besonderen. Alle bekommen ihr Fett weg – die Bescheid-wisser im Rentenalter genauso wie die Hamsterrad-Dreher mit der Leben-können-wir-später-immer-noch-Attitüde.

Wunderbar!

Wertung: 7 von 8 €uro
IMDB