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Plakatmotiv: Der König und ich (1956)

Ein prachtvolle, exotische Komödie
mit einer fragwürdigen Haltung

Titel Der König und ich
(The King and I)
Drehbuch Oscar Hammerstein II + Ernest Lehman
nach dem Musical „Anna and the King of Siam“ von Margaret Landon
Regie Walter Lang, USA 1956
Darsteller

Deborah Kerr, Yul Brynner, Rita Moreno, Martin Benson, Terry Saunders, Rex Thompson, Carlos Rivas, Patrick Adiarte, Alan Mowbray, Geoffrey Toone u.a.

Genre Biografie, Drama, Musical
Filmlänge 133 Minuten
Deutschlandstart
16. November 1956
Inhalt

Siam 1862. Die englische Witwe Anna Leonowens kommt mit ihrem kleinen Sohn Louis im Hafen von Bangkok an, um als Hauslehrerin die Kinder des Königs von Siam zu unterrichten. Sie wird vom unfreundlichen Premierminister Kralahome empfangen, der sie von oben herab behandelt.

Anna soll mit ihrem Sohn im Palast wohnen, obwohl ihr ein eigenes Haus zugesichert worden war. Sie protestiert dagegen und will sofort zum König, der gerade Audienz abhält. Sie bekommt mit, wie Lun Tha, ein Gesandter von Burma, ein Mädchen als Geschenk übergibt. Es heißt Tuptim und ist in Lun Tha verliebt. Anschließend wird die Audienz für beendet erklärt, was Anna nicht daran hindert, den König entgegen dem Protokoll noch einmal anzusprechen. Er übersieht ihren Fauxpas und erklärt ihr ihre Aufgaben. Er stellt seine Lieblingsfrauen und -kinder vor. Ihre Frage bezüglich eines Hauses übergeht er.

Anna unterrichtet die Frauen und Kinder, wobei sie ihnen Lieder und Geschichten beibringt, die den König an das uneingelöste Versprechen bezüglich eines Hauses erinnern sollen. Und dann entdeckt der König bei Tuptim auch noch das Buch „Onkel Toms Hütte“. Der Premierminister warnt Anna, die Autorität des Königs nicht noch weiter zu untergraben.

Doch dann kommt Annas Stunde. Man erfährt, dass England den König für einen Barbaren hält und Siam zu einem Protektorat machen will. Nach anfänglichem Zögern wendet sich der König ratsuchend an Anna …

Plakatmotiv: Der König und ich (1956)

Was zu sagen wäre

Schon der Titelvorspann mit seinem machtvollen Score verspricht ein farbenfrohes Cinemascope-Spektakel. Und das hält der Film dann auch: ein farbenfrohes, mit Musicaleinlagen aufgedonnertes Exotikspektakel mit fremdenfeindlicher und frauenverachtender Prosa. Ich vermute, Deborah Kerr hat in dieser Hinsicht Schlimmeres verhindert. Sie ist das Zentrum des Films und die Frage etwa, ob eine andere Schauspielerin diese an einer wahren Biografie entlang portraitierte Anna Leonowens hätte spielen können, stellt sich nicht. Auch, wenn einige Plakate die Lehrerin am Hofe Siams zur Hupfdole in prächtigen Kleidern minimiert, ist die Rolle der aufrechten, ihrem moralischen Kompass folgenden, emanzipierten Lehrerin Miss Kerr auf den Leib geschrieben (Verdammt in alle Ewigkeit – 1956; Julius Caesar – 1953; Quo Vadis – 1951).

Plakatmotiv (US): The King and I – Der König und ich (1956)Yul Brunner spielt den König von Siam, den er mit großem Machismo ausstattet, seit vielen jahren am Broadway im gleichnamigen Musical. Für seinen Filmkönig hat er sich einen Kopf kahl rasiert. Dieser König ist ein allmächtiger Zweifler, der zwischen asiatischen Traditionen und westlichen Hegemoniegelüsten ausbalancieren muss. Es zeugt von hoher Schauspiel-Lust, sich derart als egomanischen Dödel darzustellen, ohne die Contenance des männlichen Schauspielers dahinter zu verlieren – Brunner ist große Klasse in jeder Szene, weil er sich gleichzeitig in jeder Szene selbst karikiert, sein König weiß ja im Grunde, dass sein Land Lehre braucht, moderne Ideen et cetera et cetera et cetera. Deborah Kerr ist die mutmaßlich einzige Frau auf der Welt, die diesen Muskeln-und-nackte-Brust-schwellenden-Kerl mit Gehirn nieder ringen kann, der sich junge Sklavinen zur Braut nimmt und gar nicht versteht, warum die Sklavin darüber unglücklich sein könnte: „Sie lebt im Palast! Das ist ein sehr große Ehre für sie, im königlichen Palast zur wohnen!“ „Aber Eure Majestät: Was kann Sie denn schon Mädchen interessieren, wie diese? In Ihrem Haushalt ist sie eine unter vielen Frauen. So wie ein Elefant dem anderen Elefanten gleicht und sich in nichts von anderen Elefanten unterscheidet!“ „Aahhh, jetzt fangen Sie endlich an, Frauen zu begreifen. (sagt der König) In den meisten englischen Büchern steht so ein entsetzlicher Unsinn … Liiieebe … et cetera et cetera et cetera.“ „Und das missfällt Ihnen?“ „Weil sie unnötig eine einfache, angenehme Sache komplizieren! Die Frau wurde erschaffen, um den Mann zu erfreuen! Das ist alles. Und der Mann wurde erschaffen, um von vielen Frauen erfreut zu werden!“ „Wie erklären Sie sich aber folgendes: Viele Männer bleiben ihr Leben lang doch nur einer Frau treu?“ „Sie sind krank!

Aber bevor wir Zuschauer uns nun in ein emanzipiertes Paradies fallen lassen können, gibt ausgerechnet Kerr die wahre Linie des Filmes vor: „Schon, wenn ein junges Mädchen zu ersten Mal tanzen geht, …“ „Junge Mädchen tanzen schon?“, fragt der König entgeistert und die britische Lehrerin antwortet: „Ja, warum denn nicht?“ „Das würde ich niemals erlauben!“ „Weil Sie nicht wissen, wie schön das ist, wenn Sie ganz jung sind. Und gehen zum ersten Mal tanzen und sitzen auf einem vergoldeten Stuhl … mit niedergeschlagenen Augen und haben Todesangst, ein Mauerblümchen zu werden. Und dann sehen Sie zwei schwarze Schuhe vor sich stehen …“ Das ist eine interessante Perspektive: Es wird alles gut, wenn nur der Träger zweier schwarzer Schuhe mich Mädchen erwählt – egal, wie er aussieht, wie er charakterlich so drauf ist. Hauptsache, er trägt schwarze Schuhe und fordert mich zum Tanz auf. In solchen Szenen kann der Film seinen stockkonservativen Background nicht verbergen.

Aber solche gesellschaftsphilosophischen Gedanken, die da in kleinen Gesprächspausen im Kinosessel aufrülpsen, fängt der Film gleich wieder ein – „Komm! Wir tanzen weiter!“ –, wenn der König die Lehrerin an der Taille packt, um einen eleganten Tanz quer durch den Ballsaal aufführen zu können, der vor Lebensfreude sprüht und keine Fragen erlaubt über männliche Dominanz oder weibliche Unterwerfung.

Man darf das nicht verwechseln: Es ist nicht die Frau, die den Mann eines Besseren, klügeren belehrt. Es ist der Westen, der dem Asiaten, der sich über die komischen Essgewohnheiten der Engländer mokiert („Die Briten sind nicht zivilisiert genug, um mit Stäbchen zu essen.“), mal zeigt, wie korrektes, also westliches, Leben aussieht. Denn natürlich ist der mächtige König von Siam, der Moses für einen Dummkopf hält, weil der glaubt, Gott habe die Welt in nur sieben Tagen erschaffen, und der dem amerikanischen Präsidenten Lincoln ausschließlich männliche Elefanten schenken will, damit die sich in Amerika, einem Land ohne Elefantenb, ausbreiten sollen, ohne die Eingebungen der westlichen Lehrerin aufgeschmissen, sein Land in der Welt zu behaupten.

Natürlich muss man diese koloniale Perspektive dauernd mitdenken. Denn so einfach geht es natürlich nicht, fremde Kulturen nieder zu machen, weil sie nicht so sind, wie die westlichen. Gleichzeitig aber steht da der Primat des Kinos als Unterhaltung. Und da ist dieser Film bei all seiner Fehlbarkeit bezaubernd und wunderbar komisch und herrlich charmant. Dafür geißeln können wir uns dann später mit einem Glas süßlichen deutschen Weins.

Wertung: 6 von 7 D-Mark
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