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Kinoplakat: Twister

SFX-Kino wie es sein soll
und ganz ohne Handlung

Titel Twister
(Twister)
Drehbuch Michael Crichton & Anne-Marie Martin
Regie Jan de Bont, USA 1996
Darsteller

Helen Hunt, Bill Paxton, Cary Elwes, Jami Gertz, Philip Seymour Hoffman, Lois Smith, Alan Ruck, Sean Whalen, Scott Thomson, Todd Field, Joey Slotnick, Wendle Josepher, Jeremy Davies, Zach Grenier, Gregory Sporleder u.a.

Genre Action
Filmlänge 113 Minuten
Deutschlandstart
5. September 1996
Inhalt

Die leidenschaftliche Wissenschaftlerin Jo ist besessen von der Vorstellung, einem Orkan so nah wie möglich zu kommen. Und sie will ihn besiegen, denn als Kind verlor sie ihren Vater durch einen solchen Sturm. Gemeinsam mit ihrem damaligen Mann Bill hatte sie das Frühwarnsystem "Dorothy" entwickelt, und nun – nach ihrer Trennung – leitet sie das Projekt und jagt mit seiner Forschungsgruppe Tornados.

Bill kommt zurück nach Oklahoma, weil Jo immer noch nicht die Scheidungspapiere unterschrieben hat. Seine Verlobte, die Psychologin Melissa Reeves, hat Bill gleich mitgebracht. Der Meteorologe arbeitet nun als Wetter-Ansager und hat dem wilden Leben des Sturmjägers entsagt. Doch er gerät mitten hinein in einen Konkurrenzkampf.

Ihr langjähriger Widersacher Dr. Jonas Miller hat ihre Idee gestohlen und ebenfalls ein Frühwarnsystem gebaut. Nun jagen beide Teams Kopf an Kopf Tornados. Da kann Bill nicht widerstehen und stürzt sich für nur einen Tag wieder in die Arbeit mit seinem alten Team.

Für Gefühlswirrungen ist aber gar kein Platz. Es ist Tornadosaison und das Team um Jo und Bill gerät in fürchterliche Orkane. Obwohl sie immer wieder mit "Dorothy" gescheitert sind, versuchen sie ein letztes Mal, sie im Auge des Sturms zu platzieren. Und das heißt: Die dafür vorgesehenen Sensoren müssen so dicht wie möglich an das Auge des Tornados gebracht werden …

Was zu sagen wäre

"Twister" ist der neue Renner von Speed-Regisseur Jan de Bont. Auf dem Plakat steht „Von den Produzenten von Jurassic Park“ und das weist die Richtung: Die SFX sind erste Sahne, alles, was der digitale Tornado streift, wird ordnungsgemäß und sehr aufwändig zerlegt – aufwändig werden Kühe, Lkw, Traktoren, Mähdrescher und Motorboote durch die Luft gewirbelt. Weniger aufwändig ist die Handlung. De Bond und seine Spezial-Effekte-Designer haben sich ganz auf die Tornados konzentrier, vier an der Zahl werden inszeniert, einer wilder als der vorherige, bei denen die Sounddesigner das Knurren eines Löwen untergemischt haben und Komponist Mark Mancina Choräle im Score erschallen lässt. Das verleiht dem Titelhelden einen beeindruckenden, übernatürlich animalischen Charakter.

Unter den Executive Producern befinden sich Steven Spielberg, der auf das nötige Achterbahngefühl in der Actiondramaturgie achtet, und Michael Crichton, der auf eine gewisse wissenschaftliche Akkuratesse achtet. Nun sind Tornados natürlich visuell beeindruckende Phänomene, aber im Kino will sich niemand Vorlesungen über deren Entstehung anhören. Hier kommen die – in diesem Fall willkommenen – Klischeefiguren ins Spiel.

Die Truppe der Sturmjäger wird angeführt von der burschikosen JoAnne Harding. Helen Hunt spielt sie, die vor allem im Fernsehen Erfahrung gesammelt und ihren ersten Kinoauftritt mit 14 Jahren in dem Richard-Widmark-Thriller Achterbahn (1977) hatte ("Kiss of Death" – 1995; "Bob Roberts" – 1992; Projekt X – 1987; Peggy Sue hat geheiratet – 1986). Sie ist die Wissenschaftlerin aus Leidenschaft, die immer im ärmellosen Unterhemd rumläuft, die durch persönliche Schicksalsschläge zur Tornadowissenschaftlerin wurde und irgendwann vor dem "Monster" steht und stöhnt „Ich kann es nicht stoppen“. Für sie ist das was persönliches. Sie zieht mit einer leidlich ausgeflippten Truppe charmanter Jungs übers Land, die im echten Leben, wie es die Zuschauer im Kinosessel führen, also im Leben der Erwachsenen, kaum zurecht kämen. Sie sind Kinder mit technischen Fähigkeiten geblieben – der eine kann gut mit Computern, ein anderer bastelt gerne, ein dritter ist ein As im Interpretieren von Straßenkarten – beim Tornadojagen muss man viel Querfeldein fahren. Es sind liebenswerte Typen, denen Jos esoterisch angehauchte Tante Meg ein wuchtiger, Steak brutzelnder Mutterersatz ist.

Jo nun, die Tornadojägerin, liebt Bill, ihren Noch-Ehemann, der sie in Oklahoma zwischen lauter Tornados mit seiner künftigen Frau, einer eleganten, großstädtischen Fortpflanzungstherapeutin, überrascht, weil er von Jo endlich die Scheidungspapiere unterschrieben haben möchte. Die Ehe ist in diesem Film wahrlich ein stürmischer Spielplatz, denn zu der Unterschrift kommt es vor lauter Tornados natürlich nicht. Bill Paxton spielt diesen Bill als romantisch orientierungslosen Typen, der ganz in seiner Profession, der Wissenschaft des Wetters aufgeht (Apollo 13 – 1995; True Lies – 1994; "Tombstone" – 1993; Predator 2 – 1990; Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis – 1987; Aliens – Die Rückkehr – 1986; Phantom Kommando – 1985; L.I.S.A. – Der helle Wahnsinn – 1985; Terminator – 1984; Straßen in Flammen – 1984; Ich glaub' mich knutscht ein Elch! – 1981).

Und während Bill also auf diese Unterschrift wartet, will es der Film, dass er die Sturmjäger, seine ehemaligen Kumpels, noch einmal begleiten muss. Das ist nicht schlecht, denn eigentlich bildet er mit Jo ein unschlagbares Wissenschaftlerpaar, das sich halt unablässig streitet. Die Fortpflanzungstherapeutin, die Bill immer noch im Schlepptau hat, hat inhaltlich keine Funktion, spielt aber als Erklärfunktion eine wichtige Rolle. Sie als Fachfremde kann all die Fragen stellen, die der Film beantworten muss, um Tornados für Zuschauer spannend zu machen. Und Jo und Bill können sie, während sie sich streiten, beantworten. Da kommt der wissenschaftliche Einfluss Michael Crichtons durch, aber auch das zweite Semester des Drehbuchseminars. Denn im Kinosessel erfahren wir etwa zur Hälfte des Films, dass es Tornados von der Stärke F5 gibt, monströse Windhosen sind das, so gewaltig, dass sie nichts als platte Erde zurücklassen. Und damit wissen wir auch, dass wir genau so einen Tornado noch zu Gesicht bekommen werden im großen Finale. So geht halt Spannungsaufbau im Hollywoodkino.

Und während Jo un Billy erklären, tosen beinahe unablässig Tornados – vor ihnen, neben ihnen, über ihnen. Alles zusammen, die etwas klischeehaften Beziehungsstreitigkeiten, die lebhaften Darsteller, die sie mit Leben füllen, ein Konkurrent, der ihre bahnbrechende Erfindung, "Dorothy", geklaut hat plus die Spezialeffekte ergeben tatsächlich einen unterhaltsamen Film, in dem es wirbelt und kracht und wenn man den Film zum ersten Mal sieht, ist das alles schwer beeindruckend.

<Nachtrag 2011>Jedenfalls war das 1996 so. Im 21. Jahrhundert – im Zeitalter von Transformers und fliegenden und Städte zerstörenden Superwesen – bleibt ein unterhaltsames Spektakel auf gehobenem TV-Niveau.</Nachtrag 2011>

Wertung: 7 von 11 D-Mark
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