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Plakatmotiv: The Village (2004)

Gemeinschaft, Geheimnis
und eine Überraschung

Titel The Village
(M. Night Shyamalan's The Village)
Drehbuch M. Night Shyamalan
Regie M. Night Shyamalan, USA 2004
Darsteller

Sigourney Weaver, William Hurt, Joaquin Phoenix, Bryce Dallas Howard, Adrien Brody, Brendan Gleeson, Cherry Jones, Celia Weston, John Christopher Jones, Frank Collison, Jayne Atkinson, Judy Greer, Fran Kranz, Michael Pitt, Jesse Eisenberg, Charlie Hofheimer, Scott Sowers, Zack Wall u.a.

Genre Thriller
Filmlänge 108 Minuten
Deutschlandstart
9. September 2004
Inhalt

1897. Covington, Pennsylvania: Das Dorf liegt umgeben von einem Wald in einer wunderschönen Lichtung. Die Lebensmittel werden selbst angebaut und jeder ist mit jedem bekannt. Aber die Idylle trügt, denn niemand der Bewohner hat je das Dorf verlassen können, denn im Wald leben die "Unaussprechlichen", die alles und jeden zu töten drohen, der ihre Grenzen überschreitet. Des Nachts hört man ihre grässlichen Rufe durch den Wald schallen. Es heißt die rote Farbe zieht sie an, gelb dagegen wirke beruhigend.

Der junge Lucius Hunt trägt regelmäßig seine Bitte vor in den Wald gehen zu dürfen, um herauszufinden ob die "Unaussprechlichen" wirklich so böse sind, aber seine Bitte wird stetig abgelehnt, nicht zuletzt weil seine Mutter Alice dem Ältestenrat angehört. Lucius ist befreundet mit dem geistig behinderten Noah Percy und deren bester Freundin Ivy. Ivy ist blind, aber sie weiß schon lange, dass der scheue Lucius in sie verliebt ist, so wie sie auch in ihn.

Als sie schließlich ihre Liebe füreinander eingestehen kommt es zu einer Tragödie, und die blinde Ivy, die so viel mehr sehen kann als die Menschen mit gesundem Augenlicht, muss den Wald durchqueren, die Heimat der "Unaussprechlichen" …

Was zu sagen wäre

Spoiler unvermeidbar

Als die Grenze zum Wald endich überschritten wird, tauchen die grausamen Unaussprechlichen immer noch nicht auf. Was sind das für Wesen, die die Dorfgemeinschaft angeblich bedrohen, ihre eigenen Regeln aber nur lax erzwingen? M. Night Shyamalan (Signs) konzentriert sich auf ein lebendiges Bild der Gemeinschaft im Dorf: Eifersüchteleien, die gemeinsamen Mahlzeiten, stumme Blicke voller Erwartung, kleine Rebellionen der Jungen; es passiert nicht viel für einen Film, der 108 Minuten dauert.

Der Indoamerikaner ist ein Filmschaffender alter Schule. Er erzählt eine Geschichte in Bildern. Und die Bilder stehen dabei im Zentrum. Er nutzt lange Einstellungen, vermeidet hektische Schnitte. In vorliegenden Fall nutzt er eine Farbdramaturgie, die ein eigenes Wesen in diesem Film ist. Die geheimnisvollen Unaussprechlichen mögen die Farbe Rot nicht, im Dorf gilt sie daher als „die böse Farbe“. Gelb hingegen scheint die Wesen zu beruhigen, daher tragen die Bewohner, wenn sie n der Region zwischen Wald und Lichtung arbeiten, gelbe Kapuzenmäntel. Warum das so ist und wie die Älteren im Dorf das mit den Farben herausgefunden haben, bleibt lange im Dunkeln. Es ist nicht wichtig. Shyamalan und seinem Kameramann Roger Deakins eröffnet das die Möglichkeit, den ganzen Film in Pastelltönen zu erzählen, unterbrochen von hartem Gelb und leuchtendem Rot. Der Film ist ein visuelles Kunstwerk. Zum Teil hat sich Deakins auch das Klima des Drehortes in Shyamalans Heimatbundesstaat Pennsylvania zunutze gemacht, immer wieder liegen Nebelschwaden über dem Dorf und verstärken den geheimnisvollen Hintergrund der Szenerie. Um die Pastellfarben zu unterstreichen, haben Deakins und Shyamalan bei starkem Sonnenschein nicht gedreht.

Dass wir im Kinosessel einem Panorama beiwohnen, das uns nicht als Teil haben will, wird durch die Dramaturgie deutlich. wir gehören nicht dazu. Es gibt nicht den einen Protagonisten, dem wir willig folgen und mit dem wir Abenteuer vielleicht gegen böse Gespenster erleben werden. Die Gemeinschaft besteht aus älteren Herrschaft von 50 Jahren und älter und vielen jungen Menschen; unter zwei von ihnen bahnt sich eine Liebesgeschichte an. Es sind Selbstversorger, die gerne alle zusammen an einer riesigen Tafel speisen. Es wird eine Stadt erwähnt, die in erreichbarer Nähe ist. Plakatmotiv: The Village (2004) Aber in die darf niemand gehen. Auch bei schweren Krankheitsfällen wird der Gang in die Stadt, wo es offenbar hilfreiche Medizin gibt, nicht erlaubt. Jedenfalls so lange nicht, bis die blinde Tochter des im Ältestenrat einflussreichen Edward Walker darauf besteht, für ihren Verlobten Hilfe zu holen, der von einem eifersüchtigen Dorfbewohner niedergestochen worden ist. Hier offenbart sich das Schicksal des Filmemachers M. Night Shyamalan (Signs – 2002; Unbreakable – 2000; The Sixth Sense – 1999). Er ist der Mann mit dem Twist, seit Bruce Willis erkannt hat, dass er gar nicht mehr lebt.

Es ist ein Fluch, denn alle Welt wartet nur darauf, was diesmal die Überraschung am Ende ist und die Überraschung diesmal ist, dass das, was die Alten in Regeln packen, tatsächlich nichts mit menschenfressenden Bestien im Wald zu tun hat. Das hatte man schon geahnt, auch weil wir im Kinosessel aktiv gerätselt haben – es ist ja ein Shyamalan – und jedes Wort, jede Regung auf die Goldwaage gelegt haben. Und weil der Film seinen Bildern mehr Interesse schenkt als einer Handlung, wir also Zeit haben, zu überlegen, wo uns das hinführen soll – doch sicher nicht zu Monstern in roten Kapuzen!?!

Der Film erzählt die Geschichte einer Flucht aus einer als bedrohlich wahrgenommenen Gemeinschaft in eine neue Gemeinschaft unter friedlichen Gleichen. Tatsächlich schreiben wir nicht das Jahr 1897, sondern wir bewegen uns in diesem Film im späten 20. Jahrhundert. Drei Jahre nach dem Islamistischen Terror gegen das World Trade Center propagiert der Film das sich Zurückziehen und sich Besinnen auf das Wesentliche, abseits der Anderen, der Fremden. Jeder im Ältestenrat hat einen schweren Schicksalsschlag ertragen, ausgelöst durch Aggression anderer – Familienmitglieder wurden ermordet, gequält oder starben einsam ohne Hilfe. Der Vater von Edward Walker, ein Milliardär, wurde im Schlaf erschossen und hinterließ seinem Sohn ein gigantisches Vermögen, das der dazu nutzte, ein riesiges Reservat hinter hohen Mauern zu errichten – und mitten hinein das Dorf auf der Lichtung, in dem das 19. Jahrhundert geschrieben wird. In der Welt draußen hat sich nichts verändert. Als wir einmal einen Blick in eine Zeitung da draußen werfen können, schreien alle Schlagzeilen von Mord und Totschlag, Raub und Metzeleien. Die Gemeinschaft hinter der hohen Wand – von deren Existenz im Dorf die Wenigsten wissen (weil ja niemand in den Wald darf) – ist vor der Grausamkeit einer verlogenen Welt in eine Welt geflohen, in der sie mit neuen Lügen ihr Ideal einer Gesellschaft aufbauen wollen.

Das alles bleibt eine reine Filmhypothese, die einem Realitätscheck nicht lange standhielte. Auch, wenn das Drehbuch sogar erklärt, warum nie mal ein Flugzeug zufällig über die Region fliegt, ließe sich das Utopia nicht lange aufrecht erhalten. Dem steht die Neugier des Menschen, sein Forschergeist, den Shyamalan hier völlig ausblendet, im Weg. Den könnten auch gruselige Unaussprechliche nicht bremsen und bald stünde der Erste vor der Mauer, hinter der eine asphaltierte Straße liegt, auf der Reservats-Ranger in Jeeps patrouillieren. Da verhält es sich mit dem Film wie mit dem Dorf. Es funktioniert nur innerhalb seiner Grenzen. Aber dort, im dunklen Kinosaal auf dem großen Rechteck der Leinwand, überzeugt die heldenlose, neblige Atmosphäre des Dorfes, das im Film kaum mal in einem der Häuser stattfindet. Das Innenleben der Häuser wie der Menschen bleibt verschlossen. „Wenn mir danach ist zu sprechen, dann werde ich meinen Mund aufmachen und sprechen“, sagt Lucius einmal, der schweigsame, in das blinde Mädchen verliebte Junge, den Joaquin Phoenix (Signs – 2002; Gladiator – 2000; The Yards – Im Hinterhof der Macht – 2000; Für das Leben eines Freundes – 1998; U-Turn – Kein Weg zurück – 1997) mit sanften Zügen und hochgezogenen Schultern spielt, „Immer drängen mich alle und wollen, dass ich mehr spreche. Wozu ist es gut, Dir zu sagen, dass Du mir niemals aus dem Kopf gehst?“ Shyamalan will nicht erklären, will nicht in die Tiefe psychologisieren. Er will, dass wir seiner schön fotografierten Oberfläche folgen.

Der Film entwirft ein stimmungsvolles, elegant fotografiertes Panorama einer Gemeinschaft, lockert den nicht aufreizend spannenden Alltag mit Gespensterdrohungen auf und entscheidet sich irgendwann, eine junge Frau in den Mittelpunkt zu holen, die blind ist und damit die perfekte Wahl, ohne Furcht in die Welt da draußen zu gehen, Medizin zu besorgen und zurückzukehren, ohne erzählen zu können, was sie dort Atemberaubendes gesehen hat.

Wertung: 4 von 6 €uro
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