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Kinoplakat: The Danish Girl
Ein Film wie ein Gemälde in Öl
Vikander und Redmayne brillieren
Titel The Danish Girl
(The Danish Girl)
Drehbuch Lucinda Coxon
nach der gleichnamigen Biografie von David Ebershoff
Regie Tom Hooper, UK, USA, Belgien, Dänemark, Deutschland 2015
Darsteller
Alicia Vikander, Eddie Redmayne, Tusse Silberg, Adrian Schiller, Amber Heard, Emerald Fennell, Henry Pettigrew, Claus Bue, Peter Krag, Angela Curran, Dresser
Pixie, Richard Dixon, Ben Whishaw, Pip Torrens, Paul Bigley u.a.
Genre Biografie, Drama
Filmlänge 119 Minuten
Deutschlandstart
7. Januar 2016
Website upig.de/the-danish-girl
Inhalt

Der dänische Landschaftsmaler Einar Wegener führt mit seiner Frau Gerda, ebenfalls Malerin, ein bewegtes Künstlerleben im Kopenhagen der Zwanziger Jahre. Die Ehe der beiden ist glücklich, bis Einars Leben eines Tages eine grundlegende Änderung erfährt: Als Gerdas Modell verhindert ist, bittet sie ihren Mann, sich von ihr als Frau verkleidet porträtieren zu lassen.

Einar gelingt die Verkörperung einer Frau so gut, dass Gerda die Figur völlig begeistert „Lili“ tauft und fortan immer häufiger gemeinsam mit ihrem Mann dieses Rollenspiel auslebt. Doch für Einar ist Lilli sehr bald mehr als nur eine Rolle, er entdeckt in ihr seine wahre Identität. Er entschließt sich zu einer geschlechtsangleichenden Operation, um fortan als Frau leben zu können …

Was zu sagen wäre

Der Film basiert – halbwegs zumindestens – auf einer authentischen Geschichte, deren Realität für diesen Film mit seinem Erkenne-Dich-selbst-Thema dramaturgisch zugespitzt worden ist – wohl auch emotional, ich habe den Eindruck, weniger Soundtrack hätte dem Film gut getan, der so knapp am perfekten Film vorbeischrammt. Die Emotionalität, die psychischen Sturzbäche, die Schmerzen und die Melancholie, die die Geschichte als solche in sich birgt – Mann und Frau, ein sich liebendes Paar, er entdeckt das andere Geschlecht in sich, sie befördert das, baut darauf ihre Karriere auf, sie lieben sich zwar immer noch, können aber nicht mehr so weiterleben wie ehedem – wirken allein schon durch das phantastische Spiel der beiden Hauptdarsteller, wo lediglich unklar bleibt, wieso Alicia Wikander als Best Supporting Actress mit dem Oscar ausgezeichnet worden ist und nicht als Actress in a leading Role – von einer „Nebenrolle“ kann man hier beim besten Willen nicht sprechen; ich verstehe aber das Dilemma, das die Oscar-Acadamy in diesem Fall gehabt hätte: Zwei weibliche Hauptrollen können nicht ausgezeichnet werden und Brie Larson hat den Oscar für ihr Spiel in Room ebenso verdient, Vikander ihn für diese großartige Performance, mit der sie ihre Raketengleiche Karriere fortsetzt (Codename U.N.C.L.E. – 2015; Ex Machina – 2015; Seventh Son – 2014; „Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt“ – 2013; Anna Karenina – 2012).

Die Wandlung der lebenslustigen Ehefrau, gleichzeitig um ihre Anerkennung als Künstlerin streitende junge Frau hin zu jener tragischen, faustischen Figur, die um den Preis eben ihrer Anerkennung als Künstlerin die Wandlung ihres Mannes einleitet, geht mir mitten ins Herz. Dass Vikanders Schönheit, die es jederzeit fröhlich macht, sie nur anzusehen, hierzu beiträgt, will ich nicht bestreitena, aber da ist mehr. Ihre Souveränität beeindruckt, mit der sie durch die verschiedenen Facetten ihrer Rolle gleitet. Daneben verblasst auf halber Strecke sogar Eddie Redmayne (Jupiter Ascending – 2015; „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ – 2014; „My Week with Marilyn“ – 2011; Das gelbe Segel – 2008; Elizabeth – Das goldene Königreich – 2007), der den wahrlich schlagzeilenträchtigeren Part hat.

Als er die ersten Male als Lilli die Szene betritt, stockt der Atem, so schön ist diese Frau. Da ist nicht von Charlys-Tantenhaftigen Männer in Frauenkleidern, Redmayne und die Maskenbildner lassen auch Dustin Hoffmans Tootsie weit hinter sich – Redmayne ist Lilli. Mit entzückend schüchternem Lächeln. Aber irgendwann – und es fiele überhaupt nicht auf, wäre er alleine – während Vikander in ihrer Rolle wächst, sich verändert, wiederholt sich Redmayne, richtet sich zu oft in zuvor erfolgreich erprobter Mimik ein – aber das auf einem Niveau, das kaum einer aus seiner Generation so überzeugend hält wie Redmayne. Das wird ganz gut deutlich in den Szenen, die er mit Ben Wishaw hat, zwei Jahre älter, Dauerbesetzung in den Filmen von Tom Tykwer (The Zero Theorem – 2013; James Bond 007 – Skyfall – 2012; Cloud Atlas – 2012; The International – 2009; „Das Parfum“ – 2006), vom Gesicht her ein ähnlicher Typ wie Redmayne. Wishaw bleibt blass. Redmayne blüht.

Es ist ein Film über dänische Maler in den 1930er Jahren und passend inszeniert Tom Hooper seine Figuren in lauter Gemälden. Seine Bilder muten an wie Arbeiten in Öl auf Leinwand mit Menschen darin, deren Kleidung sich der Umgebung anpasst – jedes Bild ein eigenes Werk. Ich kann darin im Kinosessel versinken, mich ganz der Führung Hoopers anvertrauen, der sich selbst aber nicht ganz traut. Die Abweichungen zur realen Biografie der Lilli Elbe machen die Geschichte (s.o.) nicht dramatischer und die Musik kann in manchen Momenten nicht mehr verstärken, was ohnehin schon siedet – da lenkt die Musik sogar vom Drama ab und lässt es in idyllisch Melancholische abdriften. Aber über die Länge von zwei Stunden weiß Hooper („Les Misérables“ – 2012; The King's Speech – 2010), wann er den Schnitt setzen, wann er die Tonlage ändern muss. Er lässt mich bei dieser psychisch schwierigen, romantisch schmerzhaften Geschichte im dunklen Kino nicht allein.

Wertung: 7 von 8 €uro
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