Silvia Broome ist Dolmetscherin bei den Vereinten Nationen in New York. Zufällig hört sie ein Gespräch mit an, bei dem es um die geplante Ermordung des Staatschefs des südafrikanischen Staates Matobo, Dr. Zuwanie, geht, der demnächst vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen sprechen will. Zuwanie wurde zunächst als Befreier des Landes gefeiert, wandelte sich aber nach und nach zum Unterdrücker und Mörder. Ihm droht deswegen ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof.
Broome macht von dem Ereignis Meldung, woraufhin der Secret Service eingeschaltet wird. Secret-Service-Agent Tobin Keller misstraut ihr, als er feststellen muss, dass Broome in Matobo aufgewachsen und der größte Teil ihrer Familie durch eine Mine, die von Zuwanies Regime gelegt worden war, ums Leben gekommen ist. Als Broome jedoch von den von ihr belauschten Personen bedroht wird, fasst Keller langsam Vertrauen zu ihr.
Dann tötet ein Bombenattentat in einem Linienbus einen politischen Gegner Zuwanies sowie einen Kollegen von Keller …
„Was halten Sie von ihm?“
„Er interessiert mich nicht!“
„Ihretwegen könnte er tot sein.“
„Wäre er weg, wäre es mir egal.“
„Ist dasselbe.“
„Ist es nicht! Ich wäre meine Stelle los, wenn ich weg mit tot übersetzen würde – und wären weg und tot dasselbe, gebe es keine UNO.“
„Sie sind Profi im Spiel mit Wörtern, Mrs. Broome.“
„Ich spiele nicht mit Wörtern.“
„Doch, im Moment tun Sie das.“
„Nein, Sie tun das!“
Das ist die Drehbuchidee, in einem kurzen Dialog zusammengefasst. "The Interpreter" ist ein Film über die Macht der Worte, der Diplomatie, in der Vertrauen zählt – und diese weg/tot-Analogie zieht sich durch den Film. Wer sagt was wann wie? Sidney Pollack (s.u.) macht dieses Dilemma im Rahmen einer Busfahrt deutlich. Da fährt die zu diesem Zeitpunkt noch uneindeutige Silvia mit einem der beiden politischen Gegner des afrikanischen Diktators im Bus und stellt fest – und die Zuschauer ebenso – dass ihr Weltbild den Realitätscheck nicht besteht. Wer sagt was? Wieso? Da inszeniert Pollack, was Diplomatie ausmacht.
Sein Film präsentiert auch die hohe Kunst des Kamera-Handwerks. Director of Photography Darius Khondji ("Wimbledon – Spiel, Satz und … Liebe" – 2004; Anything Else – 2003; Panic Room – 2002; The Beach – 2000; Die neun Pforten – 1999; Alien – Die Wiedergeburt – 1997; Sieben – 1995) zaubert Bilder – unter anderem als Erster mit Cinemascope am Originalschauplatz United-Nations-Building in Manhattan, so elegant und schön, dass man vergisst, dass der Film als solcher Längen hat. Das Privileg, in einem Gebäude wie der UNO zu drehen, wozu Generalsekretär Kofi Annan persönlich seine Erlaubnis erteilt hatte, ist natürlich ein Geschenk für Kameraleute und Regisseure – das sind Kulissen, wie sie sonst Ken Adam für die James Bond Filme gebaut hat.
Eine Welt voller Misstrauen, in der wir uns bewegen; das wird gleich in der ersten Szene betoniert: Ein Kind – ein Kindersoldat – erschießt kaltblütig einen Mann. Nicht mal mehr Kindern kann man in diesem Film trauen. Silvia, die Hauptfigur ist zwar – weil Filmstar Nicole Kidman ("Die Frauen von Stepford" – 2004; Unterwegs nach Cold Mountain – 2003; "Der menschliche Makel" – 2003; "The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit" – 2002; The Others – 2001; Moulin Rouge! – 2001; Eyes Wide Shut – 1999; Projekt: Peacemaker – 1997; Batman Forever – 1995; Malice – Eine Intrige – 1993; In einem fernen Land – 1992; "Billy Bathgate" – 1991; Tage des Donners – 1990; "Todesstille" – 1989) – als vertrauenswürdig zu betrachten, aber auch über sie erfahren wir immer Neues, was uns zweifeln lässt. Secret-Service- und FBI-Agenten leben ohnehin mit der Camouflage ihrer Doppelidentitäten und auch die Diplomatie ist eben am Ende nichts anderes als das – manchmal naive – Vertrauen darauf, dass unser Gegenüber sich schon an das halten wird, was es gesagt hat. Daraus zieht der Film seine Spannung; das zerstört ihn aber auch. Denn in all dem trickreichen Gerede und Sich-Verstellen verschwimmt eine stimmige Zeichnung der erzählten Personen.
Pollack inszeniert Kidman und Penn als sich gegenseitig anziehende Antagonisten. Sie achtet qua Beruf „mehr auf Stimmen“, er mehr auf Gesichter; zwei Sinneseindrücke, die sich bestenfalls ergänzen, aber auch ohne einander auskommen. Dass Nicole Kidman den anziehenderen Part hat, liegt in der Natur des männlichen Blicks, den der Film hat. Sean Penns sehr präsentes Spiel (21 Gramm – 2003; Mystic River – 2003; Sweet and Lowdown – 1999; Being John Malkovich – 1999; Der schmale Grat – 1998; The Game – 1997; U-Turn – Kein Weg zurück – 1997; Dead Man Walking – 1995; Carlito's Way – 1993; Die Verdammten des Krieges – 1989; "Der Falke und der Schneemann" – 1985; Ich glaub' ich steh' im Wald – 1982; Die Kadetten von Bunker Hill – 1981) versteckt sich hinter der Dauerinszenierung seines Dackelblicks unter gefurchter Stirn und verlässt sich zu sehr auf die dramatische Geschichte des Secret-Service-Mannes Tobin Keller, der gerade erst seine Frau verloren hat, die ihn verlassen hatte, zurückkommen wollte und dann von dem Mann, dessentwegen sie Tobin verlassen hatte, auf dem Weg zu ihm vor einen Brückenpfeiler gefahren wurde. Diese Geschichte spielt im Verlauf des Film nur dann eine Rolle, wenn Tobin Kellers Figur weich gezeichnet werden soll – ein MacGuffin für Emotionen also, im weitesten Sinne.
Ihm gegenüber tritt Nicole Kidman mit strahlend blonden Haaren auf, mit halb geöffnetem Kleinmädchen-Lippen und großen, sehr blauen Augen, gekleidet in trendigem Jeans-Lederjacke-Outfit. Sie und Penn drängt das Drehbuch in eine Stop-and-Go-Beziehung, der es an Glaubwürdigkeit mangelt – das schutzbedürftige Mädchen mit verrätselter Vergangenheit und der harte Cop mit der gepeinigten Seele, der seine Larmoyanz mit einem Glas Whisky auf Trab bringt – und so uninspiriert gespielt wird, dass sie an Zumutung grenzt – offenbar dem chauvinistischen Zeitgeist geschuldet.
Die Kinofilme von Regisseur Sydney Pollack
Sydney Irwin Pollack (* 1. Juli 1934 in Lafayette, Indiana; † 26. Mai 2008 in Los Angeles) war ein US-amerikanischer Filmregisseur, -produzent und Schauspieler sowie mehrfacher Oscar- und Golden-Globe-Preisträger.
Sein Leinwanddebüt als Filmschauspieler gab er 1962 mit dem Kriegsfilm "Hinter feindlichen Linien", bei dem auch Robert Redford debütierte. Seitdem waren beide befreundet und Redford war in zahlreichen Filmen Pollacks Hauptdarsteller, nachdem Pollack hinter die Kamera gewechselt hatte. Pollack gehört neben John Frankenheimer, der ihm den Wechsel ins Regiefach nahelegte, Franklin J. Schaffner, George Roy Hill und Martin Ritt, zu den Filmemachern, die Anfang der 1960er Jahre vom Fernsehen ins Kino drängten und dort für frischen Wind sorgten. 1985 erreichte er mit dem mit insgesamt sieben Oscars ausgezeichneten Liebesdrama Jenseits von Afrika den Höhepunkt seines Schaffens. 1973 war Sydney Pollack Mitglied der Jury beim Filmfestival in Cannes und 1986 Präsident der Jury.
Pollack galt als einer der intelligentesten Regisseure und war vor allem bei Schauspielern sehr beliebt. Er beherrschte viele Genres und gilt als einer der erfolgreichsten Vertreter der konservativen Hollywood-Ästhetik,
- Stimme am Telefon (The Slender Thread, 1965)
- Dieses Mädchen ist für alle (This Property Is Condemned, 1966)
- Mit eisernen Fäusten (The Scalphunters, 1968)
- Der Schwimmer (The Swimmer, 1968)
- Das Schloss in den Ardennen (Castle Keep, 1969)
- Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss (They Shoot Horses, Don't They?, 1969)
- Jeremiah Johnson (1972)
- So wie wir waren – Cherie Bitter (The Way we were, 1973)
- Yakuza (The Yakuza, 1974)
- Die 3 Tage des Condor (The three Days of the Condor, 1975)
- Bobby Deerfield (1977)
- Der elektrische Reiter (The Electric Horseman, 1979)
- Die Sensationsreporterin (Absence of MAlice, 1981)
- Tootsie (1982)
- Jenseits von Afrika (Out of Africa, 1985)
- Havanna (1990)
- Die Firma (The Firm, 1993)
- Sabrina (1995)
- Begegnung des Schicksals (Random Hearts, 1999)
- Die Dolmetscherin (The Interpreter, 2005)
- 2005: Sketches of Frank Gehry (Dokumentarfilm, 2005)
- Amazing Grace (Dokumentarfilm, 2015)