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Kinoplakat (US): Star Wars, Epidsode VII - The Force awakens

J.J. Abrams lässt die Schatten tanzen

Titel Star Wars – Episode VII: Das Erwachen der Macht
(Star Wars: Episode VII – The Force awakens)
Drehbuch J.J. Abrams & Lawrence Kasdan
nach Charakteren von George Lucas
Regie J.J. Abrams, USA 2015
Darsteller

Daisy Ridley, Oscar Isaac, John Boyega, Harrison Ford, Carrie Fisher, Adam Driver, Gwendoline Christie, Domhnall Gleeson, Andy Serkis, Lupita Nyong'o, Warwick Davis, Peter Mayhew, Max von Sydow, Maisie Richardson-Sellers, Kenny Baker, Iko Uwais, Mark Hamill u.a.

Genre Fantasy
Filmlänge 135 Minuten
Deutschlandstart
17. Dezember 2015
Website starwars.com
Inhalt

Vor 30 Jahren gewannen die Rebellen der Republik die Schlacht von Endor, das Imperium ist in mehrere Splittergruppen zerbrochen, darunter die Erste Ordnung unter der Führung des machtsensitiven Kriegsherren Snoke. Die Rebellen haben die Republik wiederhergestellt, die nach einiger Zeit einen Waffenstillstand mit der Ersten Ordnung geschlossen hat. Verdeckt unterstützt sie allerdings eine Gruppe von Rebellen unter der Führung von Leia Organa, die sich selbst als Widerstand bezeichnet und den Kampf gegen die Erste Ordnung fortsetzt. Luke Skywalker hat versucht, einen neuen Jedi-Orden aufzubauen, scheiterte jedoch, als sich einer seiner Schüler der Dunklen Seite zuwandte und sich als Kylo Ren Snoke anschloss. Skywalker zog sich ins Exil zurück.

Ren sucht seinen ehemaligen Meister, um ihn zu töten. Der Widerstand sucht ihn ebenfalls, damit er sie beim Kampf gegen die Erste Ordnung unterstützt. Einen Hinweis auf Skywalkers Aufenthaltsort gibt ein Kartenfragment, das in den Besitz von Poe Dameron, einem Piloten des Widerstands, gelangt. Ren kann Dameron zwar gefangen nehmen, aber zu spät; Dameron hat das Kartenfragment in dem Droiden BB-8 verstecken.

Auf der Heimatbasis der Ersten Ordnung vergeht der Sturmtruppler FN-2187 in schlechtem Gewissen. Er hat entsetzt mit ansehen müssen, wie seine Einheit gerade ein ganzes Dorf ausgelöscht haben – mitsamt Frauen, Kindern und Nutzvieh. FN-2187 befreit Poe und flieht mit dessen Hilfe, um sich auf die Suche nach BB-8 und der Karte zu begeben. Der ist mittlerweile im Besitz der Schrottsammlerin Rey auf dem Wüstenplaneten Jakku.

Rey, Poe und FN-2178, der sich jetzt Finn nennt, versuchen nun, die Karte zur Basis des Widerstands zu bringen. Dabei bekommen sie unerwartet die Hilfe des legendären ehemaligen Rebellengenerals Han Solo und dessen  Freund und Co-Piloten Chewbacca. Dabei werden sie wiederholt von der Ersten Ordnung angegriffen. Während Han, Chewbacca und Finn mit dem Fragment entkommen, wird Rey von Kylo Ren gefangen genommen.

Die Erste Ordnung nimmt inzwischen die Unterstützung des Widerstands durch die Republik zum Anlass, der Republik den Krieg zu erklären und deren Regierungssitz mit einer neuen Superwaffe, der Starkiller-Basis, zu zerstören …

Was zu sagen wäre

Später mal werden wir wahrscheinlich sagen, „Episode VII, Erwachen der Macht war der schlechteste von den neuen“. Schon wieder ein Wüstenplanet? Schon wieder ein Todesstern? J.J. Abrams nähert sich diesem schwierigen Projekt, das von Millionen betonharten Star-Wars-Fans mit unnachgiebigem Argwohn beobachtet wird, behutsam, bläst den Staub beiseite und bringt die Schatten der mächtigen ersten Trilogie zum Tanzen. "Episode VII", gleichzeitig Fortsetzung und Reboot der von strengen Fans bewachten alten Trilogie (IV, V, VI), ist "A new Hope 3.0", macht aus der patriarchalen Star-Wars-Welt eine matriarchale. Diesmal befreit nicht Luke Leia, diesmal befreit Leia Luke. Die neue Leia heißt Rey, ist Schrottsammlerin auf einem öden Wüstenplaneten und wartet auf Godot – auf ihre Eltern, die irgendwann zurückkehren und sie holen kommen. Es gilt die Fantasy-Regel: Helden haben am besten keine Eltern, und wenn, dann sind die ein großes Problem.

Wer Reys Luke werden wird, steht noch nicht fest, vielleicht Stormtrooper-Deserteur Finn, vielleicht Kylo Ren? Wer ihre Eltern sind, ist ebenfalls offen; nicht auszuschließen ist ja, dass es gar keine Eltern gibt – über Anakin heißt es in Episode I ja auch, er habe keinen Erzeuger. Der vorliegende Film festigt Star Wars als Erzählung über einen weit verzweigten Familien-Clan. In den zentralen Gefechten schießen sich nicht anonyme Helmträger Laser um die Ohren, sondern Verwandte, die von der Macht korrumpiert worden sind. J.J. Abrams hat alle Must Haves in seinem Star-Wars-Film abgehakt – rostige Raumschiffe, runzlige Weise, zischende Laser, eine Zweigstelle der Tatooine-Cantina, lustig aussehende Aliens, Väter und Söhne im Duell; der Film ist Verbeugung vor dem Original, der man die Gänsehaut ihrer Macher anfühlt, die sie beim Schreiben, Drehen und Schneiden empfunden haben. Mission gelungen, Patient atmet. Jetzt kann es losgehen. In "Episode VIII".

"Episode VII" ist geprägt vom Wiederaufbau, vom Elemente-aus-der-Mottenkiste-entstauben, von glanzvoll inszenierten Rückkehrern. Plötzlich stehen Han Solo und Chewbacca im Millenium Falcon und Han sagt „Chewie, we're home!“ Das war schon in den Trailern ein Gänsehautmoment, das ist hier Gänsehautmoment – einer von mehreren. Abrams weiß, wie man Legenden behandelt: respektvoll ehren und dann dekonstruieren. Wie er Leia zurück in die Star-Wars-Welt holt ist einfach schön: General Organa steigt aus dem Truppentransporter, John Williams intoniert Leias Theme. Und dann dreht er sie durch den Wolf. Ihr folgendes Gespräch mit Han macht aus beiden etwas, was es bei George Lucas nicht gegeben hat: reale Personen, Menschen mit Vergangenheit, mit Beziehungsproblemen. Es sind nicht mehr die Väter, die vor langer Zeit zu röchelnden Monstern wurden, in "The Force awakenes" haben die Väter Erziehungsfehler zu verantworten, die ihre Söhne zu Monstern mutieren lassen. In Abrams‘ "Star Wars" übernehmen die Frauen das Ruder. Rey, Leia und die alte, weise Maz Kanata. Die Männer müssen erst noch auf den rechten Weg geführt werden – heimgeholt werden, erwachsen werden, ihren Platz finden. 

"Episode VII" ist nicht mehr die Galaxis des George Lucas. Der hat verkauft. Die Disney-Chefs haben jetzt die Hand am Lichtschwert. Die Leichtigkeit, die die Originalfilme in ihren späten 1970er Jahren ausstrahlten, ist der Verbissenheit gewichen, das teure Franchise in neue, lukrative Höhen zu schrauben. Damals, unter George Lucas, war die Galaxis einfacher. Es gab die Guten und die Bösen. Und auch, wenn Lucas in seiner zweiten Runde, in den Episoden I, II und III zynischer zu Werke ging, eine absurd elaborierte Verschwörung erzählte, gesellten sich zwischen die Guten und die Bösen höchstens ein paar satte Jedi-Meister, die nicht sehen wollten, was in ihren Augen nicht sein durfte. 2015 spielt das alles keine Rolle mehr. Die Jedi sind tot, eine verlorene Legende, die man Kindern auf der bettkante erzählt. Jetzt gibt es eine Neue Republik, einen Widerstand und eine Neue Ordnung. Was den Widerstand von der Neuen Republik unterscheidet, wieso die Neue Ordnung soviel Spielraum hat, um Sternenzerstörer zu sammeln und gigantische Killerplaneten zu bauen, wird nicht weiter erklärt – eine neue Star-Wars-Trilogie braucht ein neues Imperium. Und das heißt halt Neue Ordnung. Punkt. Und J.J. Abrams ist dafür der geeignete Mann. Er hat schon bei seiner Star-Trek-Reanimation gezeigt, wie er sich mit großem Respekt solchen Helden annimmt, sie übernimmt und dann ganz respektlos eine andere Richtung einschlägt; da rollen dann auch schon mal Köpfe. So gesehen kann die kommende "Episode VIII" eine sehr aufregende Angelegenheit werden. Mit der Spannung im vorliegenden Film ist das jetzt ein bisschen so eine Sache.

Aufregend, spannend ist ja allein schon die Tatsache, dass da wieder dieser gelbe Lauftext in den Film einführt, dass da der Millenium Falcon seine Triebwerke wieder anwirft und auf seinen Monitoren die alten, an das Arcade-Game "Asteroids" erinnernden Radar-Grafiken zu sehen sind, die so aussehen wie damals, 1977. Aufregend, dass Han Solo, Leia, Luke wieder da sind, C-3PO und R2-D2. Da braucht der Storyaufbau noch nicht so den taffen Spannungsbogen. Hauptsache, Abrams liefert die genannten Zutaten. "Episode VII" ist ein charmantes Action-Abenteuer mit freundlichen Querverweisen und einem wunderschönen Cliffhanger, für den ich mich gleich morgen in die Schlange zum Vorverkauf für "Episode VIII" stelle.

"Episode VII" hat die verstaubten Rostlauben wieder aus dem Keller geholt und ins Star-Wars-All gehängt. Das Marketing hat viel Wind darum gemacht, dass Abrams „wieder auf reale Kulissen“ setze. Aber natürlich ist auch hier kaum ein Frame unbearbeitet aus der Postproduction gekommen. Alle beteiligten Gewerke holen das Beste aus sich heraus, heben all die Star-Wars-Ikonografien auf den neuesten Stand der CGI-Technik – rein optisch ist dieser Film ein ordentliches Spektakel. Die Story leidet darunter, hat keinen in sich geschlossenen Bogen sondern franst am Ende in alle möglichen Richtungen aus; Abrams hat noch zwei Episoden Zeit – anders, als George Lucas damals, als er sein Star Wars endlich verfilmen konnte und nicht wusste, ob er je einen zweiten oder gar dritten Teil würde drehen, seine Jedi-Story also jemals würde zu Ende erzählen können, weiß Abrams schon, dass die komplette Trilogie gefilmt werden wird, daher kann er es sich leisten, allerlei Fragen unbeantwortet zu lassen. Ich fürchte allerdings, dass er einige Fragen lieber gar nicht gestellt bekommen möchte.

  • Warum sind die Neue Republik und der Widerstand zwei getrennte Unternehmen und wieso geriert sich Princess Leia als naturbelassene Kämpferin, anstatt auf herausgehobener Position im Rat der Republik zu sitzen?
  • Wieso kann es sein, dass die Republik nach ihrem fulminanten Sieg beim Mond von Endor schon nach 30 Jahren dasselbe Auslaufmodell ist wie damals
  • Wie kann die Erste Ordnung, nachdem sie in den vergangenen 40 Jahren zwei Todessterne verloren hat, jetzt schon wieder einen dritten, VIEL GRÖSSEREN haben? Okay: Das ist eine Korinthenkacker-Frage. Aber eine Antwort fände ich dennoch schick. Und wieder starre ich gen VIII.

Die Freiheit ist gleichzeitig Dilemma dieses Films. Die Freiheit, einfach A new Hope nochmal zu drehen und sich dabei beliebt zu machen, weil man die kultisch verehrten Elemente des Star-Wars-Universums liebedienerisch behandelt – zu Lasten der Handlungstiefe. Das Dilemma ist, dass dieser Film damit eine Halbwertszeit von vier, möglicherweise nur zwei Jahren hat. Ist "Episode IX" mal auf dem Markt, ist "VII" vergessen. Für sich stehen kann der Film nicht (anders als A new Hope), ist auf die kommenden Episoden angewiesen. Aber für den Moment ist er alles, was wir an neuem Star Wars haben. Er hat nur dasselbe Problem, das auch Episode I – seinerzeit ebenso heiß erwartet, wie aktuell "Episode VII" – schon hatte. Es fehlt der klare Schurke.

Dem Erwachen der Macht wohnen drei Schurken bei; einer ist der neue Chef, der Imperator-Ersatz sozusagen, der zweite ist General Hux, ein semmelblondes Blauauge, dass sich nicht mit den Nazi-Uniformen seiner Vorgänger aus der Ur-Trilogie zufrieden gibt, um die rechte Assoziation zu wecken, sondern gleich einen ganzen Nürnberger Parteitag auf seinem neuen Killerplaneten inszeniert, und Kylo Ren, ein erst nach schwer auf modern getrimmter Darth-Vader-Verschnitt aussehender Black-Hoodie, dann eine innerlich zerrissene Samtpfote, die nicht recht weiß, was ihr besser gefällt – Hell oder Dunkel. Schon der nicht auf Vielseitigkeit angelegte Darth Maul endete ja als Enttäuschung – in Erinnerung ist sein Lichtschwert mit der Doppelklinge, aber keine Schurkerei.

Erst mit solchen Typen wird der Wert einer klaren Darth-Vader-Figur deutlich. Darth Maul wirkte wie der Hauptgegner in einem Zwischenlevel an meiner Playstation und Kylo Ren will uns mit innerer Zerrissenheit gewogen machen. Vader hat einfach schwer geatmet und dann einen Stumtruppler an die Wand geschmissen oder – „Ihr Mangel an Glauben ist beklagenswert.“ – einen General ferngewürgt. Es blieb stets offen, welche Kastanien Grand Moff Tarkin eigentlich im Feuer hat, dass er Darth Vader herumschubsen darf. Diese Vernetzung zwischen Macht, Ohnmacht und Loyalität machte den grausamen Darth Vader zu einer komplexen Figur, menschlich. Ein solches Geheimns birgt "Episode VII" nicht.

Es ist leicht noch Luft nach oben und wer J.J. Abrams‘ filmischen Output ein wenig verfolgt hat, weiß, dass er diese Luft nach oben auch füllen kann (Super 8 – 2011; Star Trek – 2009; Mission: Impossible III – 2006; "Lost" – TV-Serie – 2004; "Alias – Die Agentin" – TV Serie 2001 – 2005). Die Sequenz, in der Rey erstmals im Pilotensessel des Millenium Falcon Platz nimmt und diesen mit allerlei Rumplern in die Luft bugsiert, hat hohen Spaßfaktor. An einer zentralen Stelle wirft Chewie Rey, die den Falcon steuern muss, einen aufmunternden Du-schaffst-das-Blick zu, ganz kurz ... ein wunderbarer Moment. Dass Rey grundsätzlich mit Fluggerät umgehen kann, beweist sie auf der Flucht vor den TIE der First Order, als die Heckkanone klemmt und sie ihren Bordschützen dennoch in aussichtsreiche Position bugsiert – ein großer Moment, der J.J. Abrams' Lust am filmischen Erzählen zeigt.
Tradititionell (nochmal) sind die Mittelteile der Trilogien die dunklen, also die großen Kapitel. Ich glaube, "Episode VIII" ist der Star-Wars-Film, auf den wir eigentlich warten sollten, "Das Erwachen der Macht" ist das amuse geule dazu, der Appetithappen, der erstmal den Denkmalschutz der Lordsiegelbewahrer jener Galaxy far far away beruhigen muss.

Wertung: 6 von 8 €uro
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