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Plakatmotiv: BlacKkKlansman (2018)
Mehr afroamerikanischer Essay,
als ein spannender Kinofilm
Titel BlacKkKlansman
(BlacKkKlansman)
Drehbuch Charlie Wachtel + David Rabinowitz + Kevin Willmott + Spike Lee
nach dem Tatsachenbuch „Black Klansman“ des US-Polizeibeamten Ron Stallworth
Regie Spike Lee, USA 2018
Darsteller
John David Washington, Adam Driver, Laura Harrier, Topher Grace, Ryan Eggold, Jasper Pääkkönen, Ashlie Atkinson, Paul Walter Hauser, Corey Hawkins, Michael Joseph Buscemi, Robert John Burke, Brian Tarantina, Alec Baldwin, Harry Belafonte, Damaris Lewis u.a.
Genre Biografie, Komödie
Filmlänge 135 Minuten
Deutschlandstart
23. August 2018
Inhalt

Die Siebziger in Colorado Springs: Ron Stallworth ist der erste Schwarze, der beim Polizeidepartment angenommen wird. Seine Arbeit besteht zunächst aus Undercover-Einsätzen bei Veranstaltungen der Black-Power-Bewegung – bis er einfach mal den Ku-Klux-Klan kontaktiert.

Er bittet telefonisch um Aufnahme und wird so tatsächlich Mitglied! Ron gibt sich als weißer Rassist aus, was aber nur so lange klappen kann, wie er nicht an einem örtlichen Treffen teilnimmt. Wann immer es um Rons Anwesenheit bei einer der unmaskierten Ku-Klux-Klan-Veranstaltung geht, springt also der jüdische Kollege Flip ein, der dann die aus den Telefongesprächen bekannte Stimme imitiert.

Ron und Flip fördern bei ihren Ermittlungen zutage, dass der lokale KKK-Ableger offenbar einen Terroranschlag plant. Und Ron gelingt es sogar, mit dem Neonazi David Duke zu telefonieren, einem verdammt hohen Tier im Klan …

Was zu sagen wäre

Wenn man die Geschichte einer Minderheit erzählen will, der Afroamerikaner zu Beispiel, schlägt man am besten einer weißen Ikone die Nase schief. Im vorliegenden Film übernimmt das der Black-Power-Aktivist Kwame Ture, der uns da unten im Kinosessel daran erinnert, dass Tarzan eine weiße Phantasie ist, ein Weißer, der böse Wilde mit schwarzer Hautfarbe auseinander nimmt. Klingt billig, ist aber ein probates Mittel, um die Perspektive des (weißen) Zuschauers einzunorden: Die meisten Geschichten, die zum westlichen Kanon gehören, stammen aus den Federn weißer Männer.

Dieser Film stammt aus der Feder eines schwarzen Mannes, eine wahre Geschichte, verfilmt von einem Schwarzen – Spike Lee. Lee nimmt eine deutlich schwarze Perspektive ein, um diese bizarre Polizeigeschichte zu erzählen. Eine Geschichte, in der weiße Männer „America First“ grölen, dabei den rechten Arm heben und behaupten, einen Schwarzen an der Sprache erkennen zu können. Eine Aussage, die sich im selben Moment entlarvt, weil der Weiße das am Telefon einem Schwarzen gegenüber behauptet, den er für einen Weißen hält. An den Weißen bleibt nicht ein gutes Haar. Keiner der Ku-Klux-Klan-Mitglieder ist besonders helle im Kopf; dass Rons weißer Polizeikollege Flip seriös wegkommt, liegt daran, dass der ein Mann jüdischen Glaubens ist und damit als nächstes auf der KKK-Abschussliste steht. Spike Lee lässt, was seine Haltung gegen die in Verruf geratenen Weißen Alten Männer angeht, da keine Fragezeichen offen.

Plakatmotiv: BlacKkKlansman (2018)Es dauert rund 20 Minuten, bis der eigentliche Film beginnt. Lee nimmt sich die Zeit, um auch sein weißes Publikum einzustimmen. Er montiert Landschaftstotalen in sein Opening, die an die Schauplätze der großen Westernfilme erinnern – die eine durch und durch weiße Angelegeneheit waren. Jetzt findet hier das Leben der Schwarzen seinen Eintrag. Vorsichtshalber weist Kwame Tore, der Aktivist, auch nochmal auf weiße Polizeigewalt hin, die immer wieder – auch heute, 40 Jahre später – die Schlagzeilen beherrscht, ohne, dass sich am Problem etwas ändert. Spike Lee, der böse Zyniker, will auch seinen weißen Zuschauern ermöglichen zu verstehen, was im Folgenden passiert – und was im Vorspann als „Der Scheiß ist echt passiert“ angekündigt wird. Der Film endet mit Footage der Ausschreitungen in Charlottesville im August 2017, als ein Attentäter mit seinem Wagen in eine Menschenmenge raste, wo sich Neonazis mit Bürgerrechtlern prügelten. Es ist wahrscheinlich keine Übertreibung wenn ich sage: Säße Donald Trump nicht im Weißen haus, sähe dieser Film, so er denn dann überhaupt gedreht worden wäre, anders aus.

Der Irrsinn nimmt unauffällig Schwung auf, als auch Flip Zimmerman, Rons jüdischer Polizei-Kollege, der in der Klan-Gesellschaft Rons Platz einnimmt, sich jüdischen Vorurteilen erwehren muss: „Früher habe ich nie darüber nachgedacht. Jetzt tue ich das andauernd.“ Das ist ein guter Kniff, macht er doch erst die ganze geistige Beschränktheit der White Supremacy-Männer deutlich. Wenn die Schwarzen erst mal weg seien, würde man die Juden jagen, sagen sie, bis endlich nur noch weiße Amerikaner übrig seien, die Amerika einst gegründet hätten. Die Erklärung der Klans-Männer ist so hanebüchen – Amerika wurde von allerlei Ethnien aus allerlei Ländern gegründet – wie die ihre Vorurteile Schwarzen gegenüber, die erkennbar von keinerlei Erfahrung getrübt sind.

Spike Lees Film ist mehr ein Essay als ein Film. Ron und seine Freundin Patrice diskutieren das Schwarz-sein in den USA anhand von Blaxploitation-Filmen wie „Shaft“. Die eigentliche Geschichte steht derweil still. Da will Lee etwas erzählen, findet aber nicht die entsprechenden Szenen (also bedient er sich halt aus dem reichhaltigen Schatz der Kinobilder). Das erinnert an einen anderen prominenten Film, in dem Afroamerikaner die Hauptrolle spielen: Inszeniert Lee einen Gegen-Black-Panther, über den sich so viele erregt haben, weil das „Weiße Hollywood“ sich zu gewinnorientierten Zwecken fremde Kultur aneigne?

Ron Stallworth lernt seine künftige Freundin in einer Bar näher kennen, da hat sie gerade eine unangenehme Polizeikontrolle hinter sich. In der Bar wird fröhlich getanzt, immer im Rhythmus, aber so gar nicht perfekt wie in Marvels Black-Panther, sondern einfach … entspannt. Und Lee schiebt jede filmischdramaturgischen Kniff beiseite, die Farben seines Films sind nostalgisch blass, als schrieen sie, dass auf der Leinwand keine Black-Fantasy sondern reales Leben zu sehen sei.

Der Film erhielt 2019 den Oscar für das Adaptierte Drehbuch. Mancher Beobachter ärgerte sich, dass Spike Lee nicht als Regisseur ausgezeichnet wurde. Das liegt vielleicht daran, dass die Geschichte bizarr, atemlos, over-the-edge, grotesk, beschämend, fassungslos ist, die Filmdramaturgie – also die Regie – da aber keinen eigenen Akzent hinzufügt. Ich brauche die Bilder nicht, um mir eine Meinung zur Story zu bilden, die sich in drei Sätzen Inhaltsangabe schon erschöpft hat: Boah, stell Dir vor! Da war ein Afroamerikaner Mitglied im Ku-Klux-Klan. Und die Deppen haben das gar nicht gemerkt!

Aber klar: Das Buch von Ron Stallworth haben wahrscheinlich weniger Menschen gelesen, als den Film von Spike Lee. Insofern ist die Verfilmung eine gute Sache.

Wichtiger Film. Aufrüttelnde Geschichte. Ernstes Anliegen. Aber spannender wird's dann nicht mehr.

Wertung: 6 von 8 €uro
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