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Plakatmotiv: Rosemaries Baby (1968)

Roman Polanski gebiert einen Horror
der sich aus kleinsten Gesten nährt

Titel Rosemaries Baby
(Rosemary's Baby)
Drehbuch Roman Polanski & Gérard Brach
nach dem gleichnamigen Roman von Ira Levin
Regie Roman Polanski, USA 1968
Darsteller
Mia Farrow, John Cassavetes, Ruth Gordon, Sidney Blackmer, Maurice Evans, Ralph Bellamy, Victoria Vetri, Patsy Kelly, Elisha Cook Jr., Emmaline Henry, Charles Grodin, Hanna Landy, Phil Leeds, D'Urville Martin, Hope Summers u.a.
Genre Horror
Filmlänge 137 Minuten
Deutschlandstart
17. Oktober 1968
Inhalt

Das junge Ehepaar Rosemarie und Guy Woodhouse ziehen zusammen in eine neue Wohnung im Herzen von New York. Wie sie bei der Besichtigung erfahren, hat das Haus eine mysteriöse Vergangenheit, was primär Rosemarie nicht davor abschreckt, sich dennoch dort niederzulassen.

Als sie nach einem tödlichen Unfall einer Mieterin das ältere Ehepaar Minnie und Roman Castevet kennenlernen, fühlen sich die neuen Bekannten geradezu euphorisch zu den Woodhouses hingezogen. Bei einem gemeinsamen Essen fällt Rosemarie nach dem Genuss einer Mousse au Chocolat in einen tiefen Schlaf, in dem sie träumt, dass sie vom Teufel vergewaltigt wird.

Plakatmotiv: Rosemaries Baby (1968)Tatsächlich, so erfährt sie nach ihrem Erwachen, hat Guy mit ihr geschlafen, weil dieser die Zeit des Eisprungs nutzen wollte. Kurz darauf ist Rosemarie schwanger. Aber sie fühlt sich nicht gut …

Was zu sagen wäre

Eine schwangere Frau ist der einsamste Mensch der Welt. Sie gilt als sehr emotional, empfindlich, nervös – also nicht ernst zu nehmen, egal was sie sagt. Und je wirrer klingt, was sie sagt, desto mehr Bestätigung ist das für den Befund Schwangere sind halt nicht ganz bei Sinnen.

Ich bin ein Mann und ich weiß nicht, ob das tatsächlich so ist. Roman Polanski lässt es mich glauben, absolut. Er lässt mich mit Rosemarie gemeinsam diese Irritation durchleben, immer nicht so genau zu begreifen, ob sie Gespenster sieht, oder Recht hat mit ihren Ahnungen. Man kann diesen Film getrost als Horrorschocker bezeichnen. Obwohl er gar keine Schockeffekte hat – mit Ausnahme der Zeugungsszene wohl, die schockierend ist, am nächsten Morgen aber schon wieder nicht so klar zu greifen ist; ob das wirklich alles passiert ist, oder nicht doch eher ein Albtraum war. Dass ihr Ehemann Guy freimütig behauptet, er habe Rosemarie „genommen“, als sie schlief, ist ja Albtraum genug.

<Nachtrag2009>Überhaupt dieser Ehemann. Seine Rolle wirft ein Schlaglicht auf das Verhältnis von Mann zu Frau in jener Zeit um 1968. Das erste, was Rosemarie nach der Geburt von ihrem Mann hört ist „Es gab Komplikationen. Aber Du kannst andere Kinder bekommen. In ein paar Monaten schon. So viele Kinder bekommen, wie Du möchtest.“ Nicht einmal steht er an ihrer Seite. Wenn sie klagt, motzt er, sie solle sich nicht so haben. Das ist aus der Rolle heraus verständlich, wenn auch ausgesprochen kaltherzig für einen Mann, der seine Frau eigentlich liebt. Aber "Liebe" hieß damals offenbar noch "Besitzen".</Nachtrag2009>

Es ist diese stete Doppeldeutigkeit: Dauernd ringen die rationale Erklärung – die Schwangere wird zunehmend neurotisch und paranoid – und die dramaturgisch konsequente, aber irrationalen Verschwörungstheorie miteinander. Polanski hält es kunstvoll und lange in der Schwebe, was die Oberhand gewinnt, wo die Erklärung für das Mysterium liegt.

Polanski entwickelt seine Geschichte langsam, ruhige Bilder, wenig Musik. Tröpfchenweise sickert der Horror, in dem die Ungewissheit beim Zuschauer größer ist als sein Wissen. Dass etwas nicht stimmt, kist schnell klar: Das Haus, in das das junge Paar zieht hat keinen guten Ruf. Da haben Kannibalen gelebt und Teufelsanbeter. Ein Bewohner sprang aus dem Fenster. Die Gänge sind alt und düster, der Boden ist brüchig. Alles klare Filmzeichen dafür, dass unter der Oberfläche etwas nicht stimmt. Polanski beweist gutes Gespür für solche Situationen (Tanz der Vampire – 1967; "Wenn Katelbach kommt …" – 1966; Ekel – 1965).

Die heimliche Hauptrolle spielt Ruth Gordon. Ihre tüttelige, aufdringliche und manipulative Nachbarin Minnie Castevet ist der Mensch gewordene Horror im Film. Sie hat für diese Rolle den Supporting-Actress-Oscar überreicht bekommen. Die Rosemarie spielt Mia Farrow, die bislang wenig im Kino zu sehen war. Ihre Rosemarie hat einen Klein-Mädchen-Charme, schwankt zu Beginn zwischen etwas schnutig und etwas sexy. Rosemarie ist vertrauensselig, aber nicht auf den Kopf gefallen. Selbst, als sie in einem Antiquariat zwei Bücher über die Hexenkunst kauft, nehmen wir ihr das ab. Schließlich hat ihr väterlicher Freund Husch ihr auch eines geschenkt – dann muss da ja was dran sein, an Hexen. Allerdings merkt Rosemarie zu spät, was ihr geschieht. Farrow spielt das mit angemessener Panik und Entschlossenheit im Blick. Ihr Mann hat es schwerer: John Cassavetes (Das dreckige Dutzend – 1967) ist der Unsympath, der sich dauernd als liebender, fürsorglicher Gatte inszeniert (das kann er, Guy ist Schauspieler), seiner Frau aber nie zur Seite steht und offenbar auf die Einflüsterer aus der Nachbarwohnung hört; gleichzeitig nimmt Guys Karriere Fahrt auf. Dass beides zusammenhängt, liegt irgendwie auf der Hand, aber man kann es im Zuschauersessel nie greifen. Große Filmkunst. Großer Horror.

Wertung: 8 von 8 D-Mark
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